Volltreffer!

Axinaeapflanzen schießen mit Pollen auf ihre Bestäuber

08.07.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Bestäubung durch Vögel, wie z.B. Tangaren, kommt vorwiegend in den Tropen und Subtropen vor. (Bildquelle: © iStock.com/ NataliaAllenspach)

Die Bestäubung durch Vögel, wie z.B. Tangaren, kommt vorwiegend in den Tropen und Subtropen vor. (Bildquelle: © iStock.com/ NataliaAllenspach)

Forscher entdecken im Regenwald von Südamerika eine bisher unbekannte Art der Bestäubung: Axinaeapflanzen locken Vögel an, um eine Ladung Pollen auf sie abzufeuern.

Viele Blütenpflanzen benötigen für ihre Fortpflanzung die Hilfe von Bestäubern. Diese Aufgabe kann bei zoogamen Pflanzen von Insekten, wie z. B. Bienen, Käfer oder Schmetterlingen übernommen, sondern auch von Vögeln. Die Bestäuber werden dabei von aromatischen Düften, visuellen Reizen, süßem Nektar oder Früchten angelockt. Forscher haben nun im südamerikanischen Regenwald eine ungewöhnliche Form der Bestäubung entdeckt. Im Mittelpunkt stehen dabei fünf Axinaea Pflanzenarten aus der Familie der Schwarzmundgewächse (Melastomataceae) und die zwei Vogelarten Iridosornis analis und Chlorospingus analis aus der Gruppe der Sperlingsvögel (Passeriformes).

#####1#####
Die orangenen kugelförmigen Kapseln locken die Vögel an. Beim Versuch, diese zu pflücken, wird die Luft aus dem Gewebe durch den dunklen länglichen Staubbeutel gepresst, an dessen Ende sich ein kleines Loch befindet, durch das die Pollen schlagartig entweichen.

Die orangenen kugelförmigen Kapseln locken die Vögel an. Beim Versuch, diese zu pflücken, wird die Luft aus dem Gewebe durch den dunklen länglichen Staubbeutel gepresst, an dessen Ende sich ein kleines Loch befindet, durch das die Pollen schlagartig entweichen.

Bildquelle: Agnes Dellinger/ Universität Wien

Das Objekt der Begierde

Das besondere an der Bestäubung der Axinaea Pflanzen ist, dass diese die Vögel weder mit Nektar noch durch Früchte anlocken, sondern durch kugelförmige, süßliche und nahrhafte Kapseln, die Teil des Staubblatts (Stamen), des Pollen erzeugenden Organs, sind. Normalerweise setzen Pflanzen Früchte und Pflanzenteile als Belohnung ein, die nicht der Fortpflanzung dienen und somit entbehrlich sind. Im Fall der Axinaea ist jedoch das Staubblatt bzw. ein Anhängsel das Lockmittel, also das Fortpflanzungsorgan selbst.

Bestäuber werden mit Pollen beschossen

Die Forscher stellten fest, dass die Kapseln nicht nur dem Zweck dienen, die Vögel anzulocken, sondern eine weitere wichtige Funktion besitzen. Sie sorgen dafür, dass sich der Staubbeutel (Anthere), in dem sich die Blütenpollen befinden, schlagartig entleert, sobald ein Vogel versucht, die Kapsel samt Staubblatt und Staubbeutel zu pflücken. Der Vogel wird regelrecht mit Pollen beschossen, die auf dem Schnabel, dem Kopf und dem Nacken haften bleiben. Der Vogel überträgt die Pollen auf diese Weise auf andere Axinaea Pflanzen und bestäubt diese. In diesem Zusammenhang beobachteten die Forscher, dass die sich entladende Wolke aus Pollen mitunter auch umliegende Axinaea Blüten erreicht und diese so auf direktem Wege bestäubt werden.

Das Konzept eines Blasebalgs

Um diesen Mechanismus zu verstehen, untersuchten die Forscher den Aufbau des gesamten Staubblatts. Sie fanden heraus, dass die Kapseln mit den länglichen dunklen Staubbeuteln verbunden sind. Die Untersuchung des Gewebes der Kapseln ergab, dass dieses aus Aerenchymzellen besteht. Bei dieser Gewebeart (Aerenchym) ist der Raum zwischen den Zellen so groß, dass eine Art Durchlüftungsgewebe entsteht. Die Kapsel funktioniert quasi wie ein Blasebalg, das mit Luft gefüllt ist. Schnappt der Vogel mit seinem Schnabel nach der Kapsel, um diese zu pflücken, wird die Luft aus der Kapsel bzw. dem Aerenchym gepresst und entweicht schlagartig mit samt der Pollen aus einem kleinen Loch an der Spitze des Staubbeutels.

Eine neue Form der Symbiose

Die Forscher beobachteten, dass sich die Pollenwolke nur dann entlud, wenn der Vogel mit seinem Schnabel zuschnappte und somit genug Druck ausübte. Anderweitige Stöße, Vibrationen oder Erschütterungen, wie sie z. B. von Insekten hervorgerufen wurden, blieben hingegen folgenlos. Sie werteten dies als Indiz für einen koevolutionäreren Prozesses, in dessen Verlauf die Pflanze ihren Blasebalg-Mechanismus an die Form und den Druck des Schnabels angepasst hat.

#####2#####
Kolibris ernähren sich von dem süßen Nektar und den Insekten, die sie in den Blüten finden, welche im Zuge der Nahrungssuche bestäubt werden.

Kolibris ernähren sich von dem süßen Nektar und den Insekten, die sie in den Blüten finden, welche im Zuge der Nahrungssuche bestäubt werden.

Bildquelle: © Stefan Schorn/ Wikimedia.org/ CC BY 3.0

Die Forscher stellten bei der Untersuchung der Kapseln außerdem einen hohen Hexosegehalt fest, der typisch für Pflanzen ist, die auf die Bestäubung von Vögeln aus der Sperlingsfamilie angewiesen sind. Kolibris bevorzugen in diesem Zusammenhang beispielsweise eher Lockmittel mit einem hohen Saccharosegehalt.

Die Erforschung der Neotropis

Die Forscher sehen ihre Studie als einen ersten Schritt für weitere Untersuchungen zur Bestäubungssymbiose zwischen Pflanzen und Vögeln und deren Koevolution in der Neotropischen Region Indiens und Lateinamerikas. Diese umfasst Süd- und Mittelamerika, Teile der Karibik und von Mexiko, sowie die Südspitze Floridas. In den zugrunde liegenden geologischen Prozessen war die Neotropis lange Zeit von Nordamerika getrennt. So konnte sich dort eine eigenständige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Für die vergleichenden evolutionsbiologischen Studienstellen stellt die Neotropis eine regelrechte Schatzkiste dar. Diese Studien erlauben völlig neue Einblicke und ein besseres Verständnis in die der Evolution zugrunde liegenden Prozesse. 


Quelle: Dellinger, A. et al. (2014): A specialized Bird Pollination System with a Bellows Mechanism for Pollen Transfer and Staminal Food Body Rewards. In: Current Biology, 24 (1-5) (21. Juli 2014), doi.org/10.1016/j.cub.2014.05.056

Weiterlesen auf Pflanzenforschung:

Titelbild:Die Bestäubung durch Vögel, wie z.B. Tangaren, kommt vorwiegend in den Tropen und Subtropen vor. (Bildquelle: © iStock.com/ NataliaAllenspach)