Pflanzen als Spürnasen

02.02.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzen können Chemikalien ähnlich gut wie Hunde aufsprüren. (Quelle: © iStockphoto.com/ Teresa Guerrero)

Pflanzen können Chemikalien ähnlich gut wie Hunde aufsprüren. (Quelle: © iStockphoto.com/ Teresa Guerrero)

Pflanzen können Umweltgifte und Sprengstoff in ihrer Umgebung aufspüren. Forscher züchten im Labor pflanzliche Spürnasen, die bei Kontakt mit Chemikalien ihre Farbe ändern.

Lernen von der Natur

Pflanzen besitzen Rezeptorproteine, mit denen sie ihre Umwelt chemisch analysieren und auf Gefahren reagieren können. Auf diese Weise können sie die Konzentration bestimmter Stoffe in Boden und Luft, aber auch die Existenz von Krankheitserregern und Feinden wahrnehmen. Wenn beispielsweise eine Fliege auf ein Blatt kotet, setzt die Pflanze eine Reihe chemischer Signale frei, sogenannte Terpenoide, die zum Schutz der Pflanze die Blattepidermis verdicken. Amerikanische Wissenschaftler haben sich diesen Selbstschutzmechanismus der Pflanzen zunutze gemacht. Die Vision der Forscher: Pflanzen könnten als hoch sensible und kostengünstige Detektoren für Umweltschutz und Sicherheit eingesetzt werden. 

Der pflanzliche Spürhund

Die Wissenschaftler modifizierten die Rezeptorproteine von Arabidopsis-Pflanzen im Labor so, dass sie bei Kontakt mit bestimmten Chemikalien, wie zum Beispiel dem Sprengstoff TNT oder auch Umweltgiften, mit einer Farbänderung regierten. Bereits kleine Spuren des Signalstoffs in der Luft reichten aus, damit die Pflanze einen Teil des Pflanzenfarbstoffs Chlorophyll abbaute und sich weißlich verfärbte. 

Mit Hilfe eines Computerprogramms „programmierten“ die Forscher natürlich vorkommende Rezeptorproteine auf eine Reaktion mit den Chemikalien. Sie passten die modellierten Proteine so an, dass sie in Pflanzen überleben konnten und setzten sie in die pflanzliche Zellwand ein, von wo aus sie die Signalstoffe aufspüren sollen. Um die „Wahrnehmung“ der Pflanzen sichtbar zu machen, verknüpften die Wissenschaftler die natürlichen Signalwege der Rezeptorproteine mit der Farbgebung der Pflanze. Nehmen die Rezeptorproteine einen Signalstoff war, senden sie einen Reiz über einen Histidinkinase gesteuerten Signalweg in Richtung Zellkern, wo dieser die Transkription der DNA in Gang setzt. Im Ergebnis baut die Zelle einen Teil des Blattfarbstoffs Chlorophyll ab, so dass sich, je nach Konzentration der Signalchemikalie, das Blatt mehr oder weniger weißlich verfärbt. Wird die Chemikalie entfernt, ergrünt die Pflanze erneut.

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Arabidopsis-Pflanzen im Labor.

Arabidopsis-Pflanzen im Labor.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Jayson Punwani

Pflanzliche Detektoren im Einsatz

Die Laborarbeiten zeigen, dass die pflanzlichen Rezeptoren ähnlich empfindlich und präzise wie Hundenasen sind.  Die Reaktion der Pflanze hing dabei vor allem von der Konzentration der Chemikalien und der Nähe zur Pflanze ab. Ein Problem der pflanzlichen Spürnasen ist bisher die relativ lange Reaktionszeit von mehreren Stunden. Ziel der Wissenschaftler ist es, diese Zeit auf wenige Minuten zu reduzieren. Finanziell unterstützt wird ihre Forschung dabei unter anderem vom US-Verteidigungsministerium. Bis zur Marktreife der TNT-sensiblen Pflanzen werden jedoch noch mehrere Jahre vergehen.

Da das „programmierte“ Rezeptorprotein nicht pflanzenspezifisch ist, kann prinzipiell jede Pflanzenart zu einem Sensor gemacht werden, erklären die Wissenschaftler. Zudem könnten Pflanzen gezüchtet werden, die gleichzeitig verschiedene Chemikalien nachweisen können. 

Die größten Anwendungspotenziale sehen die Forscher im relativ günstigen Nachweis von Umweltgiften (z.B. in Katastrophengebieten) und im Bereich der Sicherheit (z.B. beim Aufspüren von Sprengstoff an öffentlichen Plätzen oder von Landminen). Es gibt jedoch auch praktische Hindernisse: So macht es beispielsweise wenig Sinn, Ammoniumnitrat sensible Pflanzen zu erzeugen. Diese Chemikalie wird in Afghanistan häufig für den Bombenbau verwendet, ist jedoch gleichzeitig auch in Pflanzenschutzmitteln zu finden. 

Generell stellt sich die Frage, wie zuverlässig die pflanzlichen Spürnasen bei verschiedenen regionalen Standortbedingungen und bei unterschiedlichen Wind- und Wetterverhältnissen reagieren. Wie realistisch der praktische Einsatz pflanzlicher Chemikaliennachweise und Sprengstoffdetektoren tatsächlich ist, wird die Zukunft zeigen.  


Quelle: 

Mauricio S. Antunes et al. (2011): Programmable Ligand Detection System in Plants through a Synthetic Signal Transduction Pathway. PLoS ONE 6(1): e16292. doi:10.1371/journal.pone.0016292 (link

Zum Weiterlesen: 

  • Medford Lab -  Colorado State University, Department of Biology, Professor June Medford - Institut mit Expertise in Synthetischer Pflanzenbiologie, an dem die Studie durchgeführt wurde
  • Youtube-Video vom Institut