Qualität hat ihren Preis

Weinlese von Hand erhöht Emission von Treibhausgasen

18.09.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Weinlese von Hand gilt allgemein als Qualitätsmerkmal. (Bildquelle: © mariocigic - Fotolia.com)

Die Weinlese von Hand gilt allgemein als Qualitätsmerkmal. (Bildquelle: © mariocigic - Fotolia.com)

Erst aufwendige Lebenszyklusanalysen (LCA – Life Cycle Analysis) machen die Umweltwirkungen von Produkten deutlich. Jüngstes Beispiel ist die Lebenszyklusanalyse von kalifornischem Wein, welche neue Einblicke und Verbesserungsansätze liefert. Es zeigt sich, dass die Umweltwirkungen einzelner Arbeitsschritte unterschätzt oder sogar falsch wahrgenommen werden. So garantiert die Weinlese von Hand zwar beste Qualität und somit höhere Preise, belastet im Vergleich zur maschinellen Ernte jedoch die Umwelt stärker.

Manchmal ist weniger eben mehr. Im Weinbau zum Beispiel verzichten Winzer zur Verbesserung der Qualität ihrer Weintrauben auf einen Teil des Ertrags. Sie pflücken vorzeitig einige Weintrauben, um den Geschmack, das Aroma und die Farbintensität der übrigen zu steigern. Fachleute sprechen von „Ausdünnung“. Der höhere Preis, den Weinliebhaber bereit sind zu zahlen, entschädigt im Nachhinein für die Mühen und den Ertragsausfall. Doch deckt dieser alle Kosten ab?

Gesprächsstoff für die nächste Weinprobe

In Zeiten, in denen die Produktion von Produkten immer stärker in das Bewusstsein der Konsumenten rückt, kann die Arbeit der Forscher als Fingerzeig verstanden werden. Nicht nur auf eine bestimmte Produktionsform Wert zu legen, sondern sich stets den damit verbundenen Auswirkungen für die Umwelt und damit für die Gesellschaft bewusst zu werden.

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Das Napa Valley lockt jedes Jahr im Herbst unzählige Weintouristen aus dem ganzen Land nach Kalifornien. Das erste Weingut wurde anno 1861 von einem Preußen namens Charles Krug gegründet.

Das Napa Valley lockt jedes Jahr im Herbst unzählige Weintouristen aus dem ganzen Land nach Kalifornien. Das erste Weingut wurde anno 1861 von einem Preußen namens Charles Krug gegründet.

Bildquelle: © Aaron Logan / wikimedia.org; CC BY 1.0

Lebenszyklusanalysen versuchen, dieses Bewusstsein zu wecken, indem sie ein Produkt inklusive seines Herstellungsprozesses unter die Lupe nehmen. Im besten Fall von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. Denkbar ist aber auch ein Abschnitt in der Produktions- und Wertschöpfungskette. Im aktuellen Fall konzentrierte sich ein Forscherteam auf den Weinanbau. Konkret vom Anbau über die Weinlese bis zur Kellerei. Die Ergebnisse dürften für Gesprächsstoff bei der nächsten Weinprobe sorgen: Darunter jene, dass sich niedrigere Ertragsziele und die Weinlese von Hand negativ in der Ökobilanz niederschlagen würden.

Kalifornien – das Weinanbaugebiet der USA

Mit 250 Weingütern, 900 Weinkellern verteilt auf 224.000 Hektar Land ist das Napa Valley das Weinhauptanbaugebiet der USA. Dank des Weintourismus rangiert die Region hinter Disneyland auf Platz zwei der beliebtesten Attraktionen Kaliforniens. Rund 100 km davon entfernt liegt die Kleinstadt Lodi, die ebenfalls für ihre Weine bekannt ist.

Beide Regionen standen im Zentrum der Analyse. Gegenstand war die dortige Jahresproduktion von 2013, in dem in ganz Kalifornien knapp 4.000 Tonnen Weintrauben verarbeitet, über 250 Millionen Weinkisten gepackt und ein Umsatz von über 23 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet wurden. Größtenteils für den heimischen Markt.

90 Prozent des gesamten Marktes entfallen dabei regelmäßig auf die Napa Valley Region. Ausschlaggebend sind jedoch nicht besonders hohe Flächenerträge, sondern die Größe der vorhandenen Anbaufläche. In Wahrheit nämlich liegt der Flächenertrag in der Region rund um Lodi grundsätzlich über denen im Napa Valley. Trotzdem kostet die Weinproduktion im Napa Valley laut Analyse nahezu das Doppelte an Energie und Treibhausgas-Emissionen pro Hektar, zu denen nicht nur Kohlendioxid (CO2)-Emissionen gehören, sondern u. a. Lachgas (N2O) oder Methan (CH4). Doch was ist der Grund für die Differenz?

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Vollernter sind im Napa Valley verpönt, was wiederum von Weinliebhabern geschätzt wird. Denn die Trauben werden ohne kritischen Blick einfach abgeerntet. Allerdings spart es Zeit und Kosten – und schont die Umwelt.

Vollernter sind im Napa Valley verpönt, was wiederum von Weinliebhabern geschätzt wird. Denn die Trauben werden ohne kritischen Blick einfach abgeerntet. Allerdings spart es Zeit und Kosten – und schont die Umwelt.

Bildquelle: © Erhard Kührer/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0 AT

Handarbeit hat ihren Preis

Hauptgrund ist, dass die Winzer im Napa Valley verstärkt auf Handarbeit setzen. Sprich auf manuelle statt maschinelle Lese. Hinzu kommt, dass sie auch bereits im Vorfeld der Ernte „handgreiflich“ werden, um die Zahl der Weintrauben wie erwähnt überschaubar zu halten. Daher fallen im Napa Valley mehr und längere Arbeitsschritte an, die ganz ohne maschinelle Hilfe jedoch auch nicht zu bewältigen sind. Benötigt werden Transportfahrzeuge und vor allem Traktoren.

Das einzige, worauf die Napa-Valley Winzer im Grunde verzichten, sind Vollernter. Mit jeder zusätzlichen Stunde in Betrieb verbrauchen die übrigen Weinbaumaschinen jedoch mehr Sprit und blasen stündlich mehr CO2 in den Himmel über den Weinbergen.

Was zählt, ist der Geschmack

Der Geschmacks- und Qualitätsunterschied bzw. -gewinn zahlt sich aus: Rote Weintrauben aus dem Napa-Valley sind die teuersten Weintrauben Kaliforniens. Sie kosten knapp 4.500 US-Dollar pro Tonne, während aus Lodi stammende bereits für knapp 1.000 US-Dollar zu haben sind. Dort setzen die Winzer jedoch auf maschinelle Lese und verzichten auf die Veredelungspraxis der Ausdünnung.

Wenn von handverlesenen oder handgepflückten Früchten die Rede ist, wird dies häufig als Qualitätsmerkmal wahrgenommen. Teilweise sogar als Ausweis für Umweltfreundlichkeit und  Nachhaltigkeit und vorzuziehende Alternative zu maschinellen Verfahren. Und das nicht nur in Weinhandlungen. Dass jedoch nicht nur der Verbraucher einen höheren Preis zahlen muss, sondern auch die Umwelt, wird dabei ausgeblendet.

Höhere Erträge sind keine Lösung

Doch was ist die Lösung? Höhere Erträge, um die ökologischen Kosten pro Kilo Weintrauben oder Weinflasche zu senken? Zu Abstrichen in puncto Geschmack, Aroma und Qualität aus Liebe zur Umwelt werden wohl weder Winzer noch Weinliebhaber bereit sein, so die nüchterne Einschätzung der Forscher.

Vielversprechender sei aus ihrer Sicht, über die Entwicklung und Nutzung von Koppelprodukten nachzudenken. Dazu zählen z. B. die Verwendung von holzartigen Schnittmengen oder die Biogasgewinnung aus der Vergärung von Pressrückständen (Trester). Durch diese Mehrfach- bzw. Kaskadennutzung ließen sich nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern auch Kosten reduzieren bzw. standortabhängig auch die Gewinne durch eine breiter aufgestellte Produktion erhöhen. 

Jeder Arbeitsschritt kostet

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Eine Lebenszyklusanalyse von kalifornischem Wein zeigte, dass die Weinlese von Hand zwar beste Qualität garantiert und somit höhere Preise, im Vergleich zur maschinellen Ernte jedoch die Umwelt stärker belastet.

Eine Lebenszyklusanalyse von kalifornischem Wein zeigte, dass die Weinlese von Hand zwar beste Qualität garantiert und somit höhere Preise, im Vergleich zur maschinellen Ernte jedoch die Umwelt stärker belastet.

Bildquelle: © iStock.com/ Ina Peters

Die Analyse der Studie zeigt, dass grundsätzlich jeder Arbeitsschritt im Weinbau und im übertragenen Sinne in der gesamten Landwirtschaft, egal ob Pflanzen-, Garten- oder Obstbau oder Tierhaltung, Ressourcen kostet und mit Auswirkungen auf die Umwelt verbunden ist. Gleichzeitig erheben die Forscher angesichts der vielfältigen und standortabhängigen Einflussfaktoren keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Übertragbarkeit auf andere Weinbauregionen.

Kein Mittel zur Regulation

Letzteres gilt es, bei der Ableitung agrarpolitischer Vorgaben im Kontext des Klima- und Umweltschutzes zu berücksichtigen. Zwar würden normative, produktspezifische Vorgaben für die Ökobilanz die Vergleichbarkeit und Verständlichkeit für die Verbraucher fördern, den Landwirten jedoch die Lasten ohne Rücksicht auf die Standortbedingungen aufbürden.

Die ganze Wertschöpfungskette in den Blick nehmen

Hinzu kommt, dass allein die Produktion kein vollständiges Bild vermitteln kann. Dafür bedarf es nämlich der Einbeziehung von Verarbeitung, Transport und Logistik, Vertrieb und Entsorgung. In einer Welt voller globalisierter Handelsströme und Wertschöpfungsketten dürfen gerade diese Bereiche jedoch anders als in der Studie nicht außer Acht gelassen werden. Und zwar deshalb, weil die ökologischen Kosten nie vom Verursacher getragen werden, sondern von uns allen. Um die Landwirtschaft bzw. die gesamte Wirtschaft „grüner“ zu machen, ist es wichtig, den gesamten Zyklus vom Rohstoff bis zum Recycling bzw. Abfall zu betrachten. Sprich, die Ökoeffektivität anstatt der Ökoeffizienz.


Quelle:
Steenwerth, K. et al. (2015): Life cycle greenhouse gas, energy, and water assessment of wine grape production in California. In: The International Journal of Life Cycle Assessment, Vol. 20 (9), (30. Juli 2015), doi: 10.1007/s11367-015-0935-2.

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Titelbild: Die Weinlese von Hand gilt allgemein als Qualitätsmerkmal. (Bildquelle: © mariocigic - Fotolia.com)