Resistenzen von wilden Verwandten nutzbar machen

21.11.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Kulturomaten wurden mit Wildtomaten gekreuzt, um Abwehrmechanismen gegen Schädlinge in den kultivierten Tomaten einzuführen. (Quelle: © Wilhelmine Wulff / pixelio.de)

Kulturomaten wurden mit Wildtomaten gekreuzt, um Abwehrmechanismen gegen Schädlinge in den kultivierten Tomaten einzuführen. (Quelle: © Wilhelmine Wulff / pixelio.de)

Forschern ist es gelungen, kultivierte Tomaten widerstandsfähiger gehen Schädlinge zu machen. Dafür kreuzten sie diese mit Wildtomaten, die einen für Fressfeinde giftigen Abwehrstoff produzieren. Die Forscher identifizierten den Syntheseweg dieses Stoffs, der den Pflanzen bei der Abwehr der Feinde hilft und führten die relevanten Gene in den kultivierten Tomatenpflanzen ein.

Die Pflanzenzüchtung hat bereits viel dazu beigetragen, die Qualität von Tomaten (Solanum lycopersicum) zu verbessern (z.B. das Aroma der Früchte) und deren Ernteerträge zu steigern. Ein weiteres Zuchtziel ist es, die Tomaten widerstandsfähiger zu machen. Dazu werden oft wünschenswerte Eigenschaften von wilden Verwandten eingekreuzt. Wildtomaten sind zwar nicht so ertragreich wie die Kulturtomaten, dafür verfügen sie jedoch über eine große genetische Diversität, durch die sie besser auf schädigende Umwelteinflüsse reagieren können. Darunter auch Gene für die Abwehr von Schädlingen. Bei der Kultivierung der Tomate gingen vermutlich viele dieser ursprünglichen Wildtomaten-Gene verloren.

Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen

Zu den bedeutendsten Schädlingen der kultivierten Tomaten zählen Weiße Fliegen, Spinnmilben und Blattläuse. Diese Fressfeinde durchlöchern nicht nur die Blätter und Früchte der Pflanze, sondern übertragen auch Pflanzenviren. Die Schädlinge können also große wirtschaftliche Schäden anrichten.

Wie halten sich die Wildpflanzen Schädlinge von Leibe?

Um kultivierte Tomaten resistenter gegenüber Schädlingen zu machen, statteten Forscher Tomaten der Kultursorte „Moneymaker“ mit einem natürlichen Abwehrmechanismus der Wildtomatensorte Solanum habrochaites aus.

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Im Experiment wurde die Wirkung von 7-Epizingiberen auf schädliche Tabakmottenschildläuse, oder auch Tabak-Weiße Fliegen genannt (Bemisia tabaci), getestet. Durch den Stoff starben bis zu 70 Prozent der Schädlinge.

Im Experiment wurde die Wirkung von 7-Epizingiberen auf schädliche Tabakmottenschildläuse, oder auch Tabak-Weiße Fliegen genannt (Bemisia tabaci), getestet. Durch den Stoff starben bis zu 70 Prozent der Schädlinge.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ alohaspirit

Die Wildtomate Solanum habrochaites produziert einen für Insekten giftigen Stoff (7-Epizingiberen). 7-Epizingiberen wird chemisch den Terpenen (genauer: den Sesquiterpenen) zugeschrieben. Terpene bilden die größte Gruppe der sogenannten sekundären Pflanzenstoffe. Sie sind für die Pflanze nicht lebensnotwenig, aber sie übernehmen wichtige Funktionen, z.B. bei der Abwehr von schädlichen Insekten. Der toxische Stoff wird in den Drüsenhaaren (Trichome), die sich auf den Blättern und Stängeln der Tomatenpflanzen befinden, produziert und gespeichert. Kultivierte Tomaten können 7-Epizingiberen jedoch nicht bilden.

Nachkommen sind widerstandsfähiger

Kreuzten die Wissenschaftler „Moneymaker“ Tomaten mit Wildtomaten, produzierte deren Nachkommen (F2-Generation) den für die Insektenabwehr wichtigen Stoff 7-Epizingiberen.

Die Forscher testeten daraufhin, ob die so entstandenen Pflanzen sich gegen Schädlinge besser zur Wehr setzen können. Sie setzten dazu Tabakmottenschildläuse (oder Tabak-Weiße Fliegen, Bemisia tabaci) auf den Pflanzen aus und stellten fest, dass bereits bei geringeren 7-Epizingiberen-Konzentrationen als in der Wildtomate, nach fünf Tagen bis zu 70 Prozent der Schädlinge gestorben waren. Diese Ergebnisse zeigen, dass auch geringere Konzentrationen an 7-Epizingiberen die Pflanzen gegen ihre Feinde widerstandsfähiger machten. Auch die Anzahl der abgelegten Eier reduzierte sich um bis zu 74 Prozent.

Wie wird 7-Epizingiberen produziert?

Da 7-Epizingiberen nur in den Wildtomaten gebildet wurde und nicht in den kultivierten, interessierte die Forscher, wo und wie der Stoff genau gebildet wird. Die Forscher identifizierten den Biosyntheseweg – d.h. den Aufbauprozess dieses komplexen Stoffes – und stellten fest, dass 7-Epizingiberen in den Plastiden der Drüsenhaare produziert wird.  

Die Analyse des Biosynthesewegs zeigte, dass eine ganz neue Enzymklasse am Aufbau von 7-Epizingiberen beteiligt ist. Darunter ein Enzym (Synthase), das die Bildung von 7-Epizingiberen beschleunigt. Die Nachkommen im Experiment erbten also von den Wildtomaten die Gene, die diese spezielle Synthase bilden und konnten daraufhin 7-Epizingiberen produzieren. Das Gen war demnach im Erbgut der kultivierten Tomaten nicht mehr enthalten, wodurch die Tomaten diese Abwehrstoffe nicht mehr bilden konnten.

Pflanzen schützen sich selbst

Weiß man wie und wo Abwehrstoffe in Wildtomaten gebildet werden, ließen sich diese Abwehrmechanismen gezielt in kultivierten Tomatensorten einführen. Das genetische Potential der Wildtomate könnte demnach helfen, ertragreiche und widerstandsfähigere Kultursorten zu züchten, die sich mit geringerem Insektizideinsatz kultivieren ließen.  


Quelle:
Bleeker, P. M. et al. (2012): Improved herbivore resistance in cultivated tomato with the sesquiterpene biosynthetic pathway from a wild relative. In: PNAS, 19. November 2012, doi: 10.1073/pnas.1208756109.


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Titelbild: Kulturomaten wurden mit Wildtomaten gekreuzt, um Abwehrmechanismen gegen Schädlinge in den kultivierten Tomaten einzuführen. (Quelle: © Wilhelmine Wulff / pixelio.de)