RNAi zum Sprühen

Bio-Lehm für mehr Nahrungssicherheit

12.01.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Dass das Spray seine Funktion erfüllt, konnte das Team um Prof. Neena Mitter an der Versuchspflanze Tabak zeigen. (Bildquelle: © Annamartha / pixelio.de)

Dass das Spray seine Funktion erfüllt, konnte das Team um Prof. Neena Mitter an der Versuchspflanze Tabak zeigen. (Bildquelle: © Annamartha / pixelio.de)

Viren sorgen weltweit für massive Ernteeinbußen bei Nutzpflanzen. Bisher sind ihnen Landwirte nahezu machtlos ausgeliefert. Das könnte sich bald ändern, denn Wissenschaftler haben ein RNA-Spray entwickelt, das Tabakpflanzen 20 Tage lang vor einem Virus schützen konnte. Und die Technologie kann noch mehr.

Weltweit gehen 30 bis 40 Prozent der Ernten verloren, weil Nahrungspflanzen gefräßigen Insekten oder Pathogenen zum Opfer fallen. Zusätzlich treibt die globale Erwärmung Krankheitserreger immer weiter in neue Territorien und fordert nicht selten weitere pflanzliche Opfer durch extreme Wetterlagen wie Hitze, Dürre oder Überflutungen. Gegenwärtig kann diesen Herausforderungen nur durch Züchtung oder gentechnisch veränderten Pflanzen mit verbesserter Widerstandskraft begegnet werden. Doch Züchtungen sind oft langwierig, genetisch veränderte Pflanzen gesellschaftlich vor allem in Europa wenig akzeptiert. Da die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 auf voraussichtlich 10 Milliarden Menschen wachsen wird, sind neue Konzepte für sichere Ernten dringend notwendig.

Nano-Lehmplättchen mit RNA beschichtet

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RNA-Spray: Bio-Lehm-Partikel mit RNA konnten Tabakpflanzen 20 Tage lang vor einem Virus schützen.

RNA-Spray: Bio-Lehm-Partikel mit RNA konnten Tabakpflanzen 20 Tage lang vor einem Virus schützen.

Bildquelle: © The University of Queensland

Wissenschaftler haben nun eine neue Strategie entwickelt, wie sich Pflanzen kurzfristig gegen widrige Umwelteinflüsse und Pathogene stärken lassen. „Wir haben winzig kleine, zersetzbare Lehmplättchen entwickelt, an deren Oberfläche doppelsträngige RNA haftet. Diese RNA schützt Pflanzen vor krankheitserregenden Pathogenen“, sagt Studienleiterin Neena Mitter. Auf diese Weise lässt sich der Einsatz von Pestiziden reduzieren, ohne das pflanzliche Genom verändern zu müssen.

Die Lehmplättchen mit der RNA auf ihrer Oberfläche werden auf die Blätter von Pflanzen gesprüht. Dort bleiben die winzig kleinen Lehmteilchen zunächst haften. Während sie langsam zerfallen, nimmt die Pflanze die RNA auf. Im Pflanzeninneren interagiert die RNA mit den komplementären Genen und legt diese still.

Tabakpflanzen 20 Tage vor Virus geschützt

Das Team um Mitter konnte am Beispiel von Tabakpflanzen zeigen, dass eine einmalige Anwendung eines solchen Sprays Tabakpflanzen 20 Tage lang zu ausreichender Widerstandskraft gegen das Pepper Mild Mottle Virus verhalf. Den Forschern zufolge gelang der Versuch, weil die Lehmplätten so gut an den Blättern haften, dass die RNA ausreichend lange mit der Pflanze in Kontakt bleibt, um in ihr Inneres vorzudringen. Die positiv geladenen Nanopartikel aus Lehm, die aus übereinandergelegten Schichten von gängigen Mineralien wie Magnesiumchlorid bestehen, binden und schützen die negativ geladenen RNAs. Mit der Zeit reagieren die Lehmpartikel mit dem Kohlendioxid der Luft und geben während ihres Zerfalls langsam die RNA-Moleküle ab.

Derartige Sprays zum Pflanzenschutz sind nicht neu. Auch der US-amerikanische Agrarkonzern Monsanto entwickelt gerade ein RNA-Spray, das gegen die pflanzenfressenden Insekten gerichtet ist. Dabei tötete die RNA die Insekten, anstatt die Pflanze gegen sie zu wappnen.

Gegenüber herkömmlichen Methoden zum Pflanzenschutz haben RNA-Sprays offensichtlich gleich mehrere Vorteile: Sie können wesentlich schneller produziert werden als gentechnisch modifizierte Pflanzen, deren behördliche Zulassen alleine schon oft mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Anwendbar sind sie auf verschiedenen Pflanzenarten.

Vorteil: Effekte nur transient

Ein großer Vorteil des Verfahrens liegt laut Neena Mitter an dem geringen Risiko: „Eine einzelne Sprühanwendung von Bio-Lehm schütz die Pflanze und baut sich dann ab. So reduziert sich das Risiko für die Umwelt und die menschliche Gesundheit.“

Dass sie nur vorübergehend wirksam sind, kann noch weitere Vorteile mit sich bringen: So könnten Landwirte bestimmte Genfunktion genau dann ausschalten, wenn es für die vorteilhaft ist – zum Beispiel während eines Befalls mit Krankheitserregern oder extremen Wetterverhältnissen, aber auch kurz vor der Ernte, um beispielsweise die Trocknung der Pflanzen zu beschleunigen und sie so vor Schimmelbefall zu schützen oder um die Pflanzen schneller reifen zu lassen. Auch die Aktivierung genetisch kontrollierter Eigenschaften ist mit dieser Technik denkbar.

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Studienleiterin Prof. Neena Mitter im Labor.

Studienleiterin Prof. Neena Mitter im Labor.

Bildquelle: © The University of Queensland

Keine Gefahr für den Menschen

Verfechter der neuen Technologie sehen für den Menschen keine Gefahr bei der Anwendung, denn Untersuchungen hatten gezeigt, dass die RNA die menschliche Haut nicht passieren kann und in Anwesenheit von Speichel und Magensaft sehr schnell zerfällt. Wie sich die kleinen, hochwirksamen Moleküle allerdings auf andere Pflanzen und Tiere auswirken, die zufällig passende DNA beherbergen, ist bisher nicht ausreichend geklärt. Der große Vorteil der Genstilllegung durch RNAi besteht allerdings darin, die Sequenz der RNA so zu verändern, dass keine Off-Target Effekte auftreten und so Resistenzen vermieden werden.

Kaum Alternativen vorhanden

Doch gerade bei einem Virusbefall könnte ein RNA-Spray nützlich sein, denn hier gibt es bisher kaum Alternativen. Bisher müssen Landwirte entweder auf resistente Pflanzen zurückgreifen, wenn vorhanden, oder gegen die Organismen vorgehen, die die Viren verbreiten, wie beispielsweise Blattläuse.

Kostenhürde

Die größte Hürde, die neue Technologie flächendeckend einzusetzen, sind bisher allerdings noch die Kosten. Während die Lehmplättchen günstig herzustellen sind, ist die Produktion von RNA bisher noch zu kostspielig für einen kommerziellen Einsatz. Doch auch in diesem Punkt sind die Forscher zuversichtlich. Während die Herstellung eines Gramms RNA vor wenigen Jahren noch um die 100.000 US $ kostete, berichten Start-ups bereits von Herstellungskosten von unter 2 US $ pro Gramm RNA.

Ob die neue Technik auf gesellschaftliche Akzeptanz stoßen wird, ist trotz ihrer zahlreichen Vorteile ungewiss.


Quelle:
Mitter, N. et al. (2017): Clay nanosheets for topical delivery of RNAi for sustained protection against plant viruses. In: Nat Plants, 3:16207, (09. Januar 2017), doi: 10.1038/nplants.2016.207.

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Titelbild: Dass das Spray seine Funktion erfüllt, konnte das Team um Prof. Neena Mitter an der Versuchspflanze Tabak zeigen. (Bildquelle: © Annamartha / pixelio.de)