Scannen will gelernt sein

Wie Maschinen lernen, unsere Umwelt zu analysieren

19.12.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Smartphones sind wahre Alleskönner. In nicht allzu ferner Zukunft könnten sie uns Auskunft über den Reifegrad von Früchten geben oder unsichtbare Gase identifizieren. (Bildquelle: © LDProd/ iStock/ Thinkstock)

Smartphones sind wahre Alleskönner. In nicht allzu ferner Zukunft könnten sie uns Auskunft über den Reifegrad von Früchten geben oder unsichtbare Gase identifizieren. (Bildquelle: © LDProd/ iStock/ Thinkstock)

Scanner und Sensoren lassen uns Informationen über unsere Umwelt quasi in Echtzeit abrufen. Voraussetzung ist, dass diese überhaupt erfasst und verarbeitet werden. Zwei aktuelle Studien zeigen, wie Wissenschaftler es schaffen, mit einem Laserscanner den Reifegrad von Früchten zu messen oder unsichtbare Gase mit einem Smartphone zu identifizieren.

Die Selbstverständlichkeit, mit der moderne Technologien und Anwendungen in unser Leben vordringen, führt dazu, dass die Frage nach dem Nutzen häufiger im Vordergrund steht, als die technischen Grundlagen. Zwei kürzlich vorgestellte Studien zeigen, dass am Anfang jeder technischen Innovation ein Team aus kreativen Menschen steht, das einer Maschine oder einer Software „beibringt“, die Umgebung wahrzunehmen und zu analysieren und biologische oder physikalische Vorgänge und Prozesse zu „verstehen“.

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Trifft ein Laserstrahl auf eine raue Oberfläche entsteht ein körniges Specklemuster. Durch das Verfahren können selbst kleinste Verformungen und Veränderungen erfasst werden, was z. B. in der Materialforschung eine große Rolle spielt.

Trifft ein Laserstrahl auf eine raue Oberfläche entsteht ein körniges Specklemuster. Durch das Verfahren können selbst kleinste Verformungen und Veränderungen erfasst werden, was z. B. in der Materialforschung eine große Rolle spielt.

Bildquelle: © FlickreviewR/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.0

Für die richtige Reife ist Timing gefragt

Äpfel (Malus), Birnen (Pyrus) und Tomaten (Solanum lycopersicum) gehören zu den sogenannten nachreifenden (klimakterischen) Früchten. Sie brauchen nach dem Erreichen der Pflückreife und der Ernte eine gewisse Zeit, bis sie den Zeitpunkt erreicht haben, an dem sie ihr volles Aroma entfaltet haben und genussreif sind. Damit der Verbraucher aus einer Fülle von leckeren und verzehrfertigen Früchten wählen kann, ist also Timing gefragt. Während es für den Landwirt darum geht, den optimalen Zeitpunkt für die Ernte zu bestimmen, geht es für den Groß- und Einzelhandel darum, zu wissen, ob und wie lange die Früchte noch zum Verzehr geeignet sind.

Beim Reifen verändern Früchte ihr Äußeres

Ein Team aus Wissenschaftlern hat nun im Rahmen einer Studie ein neues Verfahren entwickelt, mit dem Landwirte, Händler und vielleicht sogar auch die Verbraucher mit Hilfe eines Lasers den Reifegrad von Früchten in Zukunft messen könnten. Das neu entwickelte Verfahren baut auf dem Standardverfahren zur Erfassung des Reifegrads auf, die Messung der abgegebenen Menge an Ethylen. Das gasförmige Pflanzenhormon spielt im Reifeprozess von Früchten eine wichtige Rolle, unter anderem wenn die aus Pektinen bestehenden Mittellammellen zwischen den Zellwänden abgebaut werden, infolgedessen Früchte weich werden und sich auch die Oberflächenstruktur der Schale verändert. Die süßlich riechende organische Verbindung wird im Laufe der Reifeperiode zunehmend abgegeben und dient als Indikator für die Reife.

Reifeprüfung mittels Laser-Scanner

Der Ansatzpunkt der Forscher bestand darin, die sich verändernde Oberflächenstruktur der Schale als neuen Indikator für den Reifegrad zu nutzen. Diese wurde mit Hilfe eines Lasers und einer hochauflösenden Kamera im Rahmen einer Speckle-Analyse erfasst. Das englische Wort „speckle“ bedeutet übersetzt Sprenkel oder Fleck, und bezieht sich auf die grobkörnige Streuung des Laserstrahls, die entsteht, wenn er auf eine raue Oberfläche trifft. Parallel zu der Speckle-Analyse erfassten die Forscher die Menge des abgegebenen Ethylens, um die Streuungsmuster den jeweiligen Ethylenwerten zuzuordnen. Sie stellten dabei fest, dass sich der Durchmesser der einzelnen „speckles“ verkleinert, je reifer die Frucht wird bzw. je mehr Ethylen nachweislich abgegeben wird.

Für die Praxis bedeutet das, dass in Zukunft darauf verzichtet werden könnte, die Ethylen-Konzentration zu messen, und es ausreicht, einen Laserstrahl auf die zu Frucht zu richten. Eine Software kann das erfasste Speckle-Muster einem Ethylen-Wert zuordnen und den Reifegrad berechnen.

Unsichtbare Gase mit dem Smartphone erkennen

Das nächste Beispiel zeigt, dass dank moderner Technologien nicht nur sichtbare und handhabbare Gegenstände analysiert, sondern auch unsichtbare und zum Teil nicht wahrnehmbare Stoffe erfasst und identifiziert werden können. Dies spielt vor allem dann eine Rolle, wenn diese eine Gefahr für den Menschen darstellen, zum Beispiel wenn es sich um ein geruchloses giftiges Gase handelt oder um chemische Verbindungen, die im Zusammenhang mit Sprengstoff stehen, wie im vorliegenden Fall Wasserstoffperoxid (H2O2), Ammoniak (NH3) und Cyclohexan (C6H10O).

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Die Antenne des Transponders verläuft um den Chip herum, mit dem sie verbunden ist und auf dem die Informationen codiert sind. Wird an einem Punkt des Stromkreislaufs nun ein chemiesensibles Bauteil eingesetzt, wird das Signal solange unterbunden, bis das betreffende Bauteil durch eine chemische Reaktion leitfähig wird.

Die Antenne des Transponders verläuft um den Chip herum, mit dem sie verbunden ist und auf dem die Informationen codiert sind. Wird an einem Punkt des Stromkreislaufs nun ein chemiesensibles Bauteil eingesetzt, wird das Signal solange unterbunden, bis das betreffende Bauteil durch eine chemische Reaktion leitfähig wird.

Bildquelle: © jopelka/ iStock/ Thinkstock

Einem Forscherteam ist es gelungen, eine Technologie zur Identifikation dieser Gase zu nutzen, die normalerweise beim bargeldlosen Zahlen oder kontaktlosen Datenaustausch angewendet wird, die Near-Field-Communication (NFC), zu Deutsch „Nahfeld-Kommunikation“. Grundlage für die Nahfeld-Kommunikation ist ein RFID-System (Radio-Frequency Identification-System), bei dem ein Transponder (Absender) Informationen in Form von Radiowellen an einen Empfänger bzw. ein Lesegerät überträgt, sobald sich dieser in seiner Nähe befindet. Die Informationsübertragung wird gestartet, sobald der Transponder von den elektromagentischen Wellen, die von dem Empfänger bzw. dem Smartphone ausgehen, aktiviert wird.

Chemiesensible Bauteile reagieren auf Gasmoleküle in der Luft

Das Ziel der Entwickler bestand darin, den Transponder erst dann ein Signal senden zu lassen, wenn sich die Moleküle der oben genannten Gase in der Umgebung des Transponders befinden. Um dies zu bewerkstelligen, modifizierten die Forscher den Transponder, indem sie in den Schaltkreis ein chemiesensibles Bauteil bestehend aus winzigen Kohlenstoff-Nanoröhren einbauten, welches erst dann leitfähig wird, wenn es mit den jeweiligen Gasmolekülen in Kontakt kam und reagierte. Erst als auf diese Weise der Stromkreis geschlossen wurde, wurde auch das entsprechende Warnsignal an den Empfänger bzw. das Smartphone übermittelt.

Anwendungsmöglichkeiten in der Pflanzenforschung und Landwirtschaft

Nachdem die Tests erfolgreich waren, ist es denkbar, das neue Verfahren auch im Zusammenhang mit anderen Verbindungen eizusetzen und auf andere Bereichen auszudehnen. Grüne Blattduftstoffe werden beispielsweise von Pflanzen abgeben, wenn sie von Pilzen, Bakterien oder Fressfeinden attackiert werden, um sich gegen diese zur Wehr zu setzen. Für Pflanzenforscher und Landwirte würde sich nun die Gelegenheit bieten, die Freisetzung dieser flüchtigen Verbindungen zu nutzen, um frühzeitig und gezielt Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Grüne Blattduftstoffe sind dabei nur ein Beispiel unter vielen, da sich auch weitere flüchtige organische Verbindungen mittels speziell modifizierten Transpondern identifizieren lassen könnten, z. B. Duftstoffe zum Anlocken von Bestäuberinsekten. Aber auch bei der Bewertung von Nahrungsmitteln durch Käufer. Beim Händler könnten diese z. B. detektieren, ob geringste Mengen an Pflanzenschutzmittelrückständen nachweisbar sind , wenn diese eigentlich unbehandelt sein sollten. Was im Sinne der Verbraucher wäre und Stichprobenanalysen unterstützen könnte.

Welche Technologie sich durchsetzt hängt von vielen Faktoren ab

Beide Studien lassen erahnen das, dass technologische Innovationen in Zukunft nicht mehr in Form von neuen Geräten oder Maschinen daherkommen, sondern zunehmend auch in bestehende Systeme eingebettet und integriert werden. Statt also gänzlich neue Geräte zu designen und zu entwickeln, können bereits bestehende Technologien, wie z. B. das Smartphone, genutzt und erweitert werden.

Ob eine Technologie sich durchsetzen wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen zum Beispiel die Entwicklungs-, Produktions- und Anschaffungskosten sowie die Implementierung in bestehende Systeme und die Bedienung. In diesem Zusammenhang könnte es sich, wie die Entwickler des betonen, als ein große Vorteil erweisen, dass derzeit bereits über 500 Millionen NFC-fähige Smartphones im Umlauf sind, mit deren Umgang wir bestens vertraut sind.


Quellen:

  • Nassif, R. et al. (2014): Detection of Golden apples climacteric peak by laser biospeckle measurements. In: Applied Optics, Vol. 53, Issue 35, (5. Dezember 2014), doi.org/10.1364/AO.53.008276
  • Azzarelli, J. et al. (2014): Wireless gas detection with a smartphone via rf communication. In: PNAS, (8. Dezember 2014), doi: 10.1073/pnas.1415403111

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Titelbild: Smartphones sind wahre Alleskönner. In nicht allzu ferner Zukunft könnten sie uns Auskunft über den Reifegrad von Früchten geben oder unsichtbare Gase identifizieren. (Bildquelle: © LDProd/ iStock/ Thinkstock)