Schalter für systemisch erworbene Resistenz identifiziert

Ist das Molekül NHP ein neues Pflanzenstärkungsmittel?

13.04.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Erstautor der Studie Dr. Michael Hartmann (links) und Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Jürgen Zeier diskutieren mögliche Anwendungen der Ergebnisse ihrer Studie für den Pflanzenschutz. (Bildquelle: Stefan Schreiber/Institut MÖdP)

Erstautor der Studie Dr. Michael Hartmann (links) und Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Jürgen Zeier diskutieren mögliche Anwendungen der Ergebnisse ihrer Studie für den Pflanzenschutz. (Bildquelle: Stefan Schreiber/Institut MÖdP)

Wenn einzelne Pflanzenorgane von Bakterien oder Pilzen infiziert werden, muss das nicht zwangsläufig eine Erkrankung der gesamten Pflanze nach sich ziehen. Dafür sorgt die sogenannte systemisch erworbene Resistenz. Forscher haben jetzt herausgefunden, welches Molekül dabei eine kritische Rolle spielt. Die Erkenntnisse haben Anwendungspotential im natürlichen Pflanzenschutz.

Auch Pflanzen werden mal krank. Ihr Leiden erkennt man an fleckigen oder ausgeblichenen Blättern, absterbenden Wurzeln oder vertrocknenden Blüten. Wenn pathogene Bakterien oder Pilze sich auf Nahrungspflanzen wie Weizen, Mais oder Reis stürzen, ist das für den Menschen besonders dramatisch. Daher hat die Erforschung von Pflanzenkrankheiten und der pflanzlichen Verteidigungsmechanismen seit langem eine hohe Priorität.

Wissenschaftler um Professor Jürgen Zeier von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben jetzt einen kleinen, aber bedeutsamen Baustein identifiziert, der bei der Immunabwehr der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) eine wichtige Rolle spielt. Die Rede ist vom Molekül N-Hydroxypipecolinsäure (NHP). NHP ist dafür verantwortlich, die systemische erworbene Abwehr (SAR) von Pflanzen zu aktivieren.

Der Stoffwechselweg geht noch weiter

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Durch Gabe von N-Hydroxypipecolinsäure (Bild rechts) kann die systemisch erworbene Resistenz der Ackerschmalwand stimuliert werden, so dass sie immun gegen verschiedene Pflanzenpathogene wie die Blattflecken-Erreger oder den falschen Mehltau gemacht werden.

Durch Gabe von N-Hydroxypipecolinsäure (Bild rechts) kann die systemisch erworbene Resistenz der Ackerschmalwand stimuliert werden, so dass sie immun gegen verschiedene Pflanzenpathogene wie die Blattflecken-Erreger oder den falschen Mehltau gemacht werden.

Bildquelle: Jürgen Zeier

Wann immer die Pflanze eine lokale Infektion durch einen Pathogen bemerkt, passiert Folgendes: Als erstes wird die Aminosäure Lysin in das Molekül Pipecolinsäure (Pip) umgewandelt. Dieses Molekül, so dachte man lange, sei dafür verantwortlich, zahlreiche Verteidigungsmechanismen zu aktivieren. Nicht nur am Ort der Infektion, sondern im gesamten Organismus, also systemisch.

Die neuen Ergebnisse zeigen hingegen, dass der Stoffwechselweg beim Pip noch nicht zu Ende ist. Denn nun kommt das Enzym Flavinabhängige-Monooxygenase 1 (FMO1) zum Einsatz und verwandelt Pip in das Derivat N-Hydroxy-Pipecolinsäure (NHP). „Alle Funktionen, die wir bisher der Pipecolinsäure zugeschrieben haben, werden in Wirklichkeit von ihrem Derivat NHP ausgelöst“, fasst Jürgen Zeier zusammen.

Ohne NHP keine systemische erworbene Immunabwehr

Pflanzen, die keine FMO1 besitzen und folglich auch kein NHP produzieren können, sind den Angriffen von Pathogenen schutzlos ausgeliefert. In Experimenten konnten die Forscher aufdecken, dass FMO1-defizitäre Arabidopsis-Pflanzen bereits 60 Stunden nach einer Infektion mit dem Erreger des Falschen Mehltaus (Hyaloperonospora arabidopsidis) großflächig weiße Flecken auf ihren Blättern zeigten. Wildtyp-Pflanzen wiesen ähnliche, aber wesentlich mildere Symptome auf. Ihre Abwehr hinderte die Erreger an der unkontrollierten Ausbreitung. Ein weiteres Experiment zeigte: Die externe Gabe von NHP reicht aus, um den FMO1-Mutanten ihre Resistenz zurückzugeben.

NHP als Pflanzenschutzmittel?

Und selbst bei Wildtyp-Pflanzen mit intakter Abwehr hat zusätzliches NHP einen Nutzen. 60 Stunden nach einer Infektion mit dem Erreger des Falschen Mehltaus waren die Blätter dicht von intrazellulären Hyphen des Pilzes durchzogen. Rund 500 Millimeter betrug die Länge der Hyphen pro Quadratzentimeter Blattfläche nach sieben Tage. Auch die Ausbreitung des Pilzes über Sporen war bereits im vollen Gang. Auf den Blattoberflächen bildeten sich Sporangienträger und die meisten Blätter waren dicht von Oosporen (befruchtete Zygoten) bedeckt. Infizierte man NHP-vorbehandelte Arabidopsis-Pflanzen mit dem Erreger des Falschen Mehltaus, so verläuft die Infektion nahezu symptomlos. Die Länge der Hyphen bewegte sich im einstelligen Millimeter-Bereich. Vermutlich reagieren diese Pflanzen wesentlich empfindlicher auf eindringende Oomyzeten und lassen die betroffenen Zellen sofort absterben. Somit verhindern sie, dass der Erreger überhaupt eindringen und sich in der Pflanze ausbreiten kann.

Das Molekül Pipecolinsäure ist in Pflanzen ubiquitär und FMO1-Orthologe konnten bereits in verschiedenen Nutzpflanzen identifiziert werden. Das deutet darauf hin, dass es sich hierbei um einen grundsätzlichen pflanzlichen Verteidigungsmechanismus handelt. Kann NHP also dazu genutzt werden, das Abwehrsystem von wichtigen Nahrungspflanzen zu stärken? „Wir gehen stark davon aus, dass NHP auch bei Nutzpflanzen die Funktion eines Pflanzenstärkungsmittels einnehmen kann“, sagt Zeier.


Quelle:
Hartmann, M. et al. (2018): Flavin monooxygenase-generated N-hydroxypipecolic acid is a critical element of plant systemic immunity. In: Cell, (23. März 2018), doi: 10.1016/j.cell.2018.02.049.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Erstautor der Studie Dr. Michael Hartmann (links) und Arbeitsgruppenleiter Prof. Dr. Jürgen Zeier diskutieren mögliche Anwendungen der Ergebnisse ihrer Studie für den Pflanzenschutz. (Bildquelle: Stefan Schreiber / Institut für Molekulare Ökophysiologie der Pflanzen)