Schlüssel zur Verzweigung und Blattentwicklung

Das Trifoliate Gen

06.02.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In Trifoliates-Mutanten ist die Blattfiederung stark reduziert. (Quelle: © Ali Ahmad Naz/ MPI Köln)

In Trifoliates-Mutanten ist die Blattfiederung stark reduziert. (Quelle: © Ali Ahmad Naz/ MPI Köln)

Ein Traum für Tomatenzüchter: Tomatenpflanzen ohne lästige Seitentriebe, die mühsam und kostspielig von Hand entfernt werden müssen, um die Ernte nicht zu schmälern? Wissenschaftler charakterisierten nun ein Gen, das sowohl die Sprossverzweigung als auch die Blattentwicklung steuert.

Blattentwicklung und Sprossverzweigung benutzen offenbar ähnliche genetische Programme. „Das hat man vor zwei bis drei Jahren noch nicht vermutet“, erklärt Prof. Dr. Klaus Theres, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. „Uns interessiert vor allem, welche Faktoren dafür ausschlaggebend sind, dass eine Zelle die Fähigkeit besitzt, undifferenziert zu bleiben, und damit Ausgangspunkt für neue Entwicklungsvorgänge sein kann“, so Theres weiter. Undifferenzierte Zellen werden auch als pluripotent bezeichnet. Diese Zellen besitzen das Potential sich zu jeder spezialisierten Zelle eines Organismus auszubilden.

Veränderte Blätter und weniger Seitetriebe

Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, untersuchten die Wissenschaftler um Theres Tomaten-Pflanzen, die in einem bestimmten Gen names Trifoliate (Tf) mutiert waren. „Trifoliate-Mutanten sind in ihrer Blattfiederung stark reduziert“, fasst Theres den veränderten Phänotyp zusammen. Derart mutierte Tomatenpflanzen verfügen über zwei für die Wissenschaftler interessante phänotypische Aspekte: Zum einen weisen die Pflanzen veränderte Blätter auf. In Tomaten bilden solche Pflanzen statt der stark gefiederten Blätter nur drei Blättchen (sog. leaflets) aus. Anstatt der sonst üblichen drei bis vier Paare an lateralen Blättchen gibt es bei der Mutante nur das endständige und ein Paar der lateralen Blättchen. Zudem bildet die Tf-Mutante auch deutlich weniger Seitentriebe als unmutierte Tomatenpflanzen aus.

Transkriptionsfaktor

Das Trifoliate-Gen codiert für einen sogenannten MYB-Transkriptionsfaktor. MYB-Transkriptionsfaktoren spielen sowohl bei Tieren, als auch bei Pflanzen eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Entwicklungsvorgängen, aber auch bei anderen Stoffwechselvorgängen.
Um das Tf-Gen näher zu untersuchen, kartierten die Forscher um Prof. Theres zunächst das Gen auf der Chromosomenkarte der Tomate. Dann überprüften sie ihr Kandidaten-Gen, indem sie es zurück in die Mutante einführten. So konnten sie den normalen Phänotyp, zumindest teilweise, wieder herstellen und sich außerdem sicher sein, das richtige Gen, dessen Ausfall für den beschriebenen Phänotyp verantwortlich ist, gefunden zu haben.

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Der Transkriptionsfaktor

Der Transkriptionsfaktor "Trifoliates" sorgt normalerweise dafür, dass in den Blattachseln von Tomaten kleine Blättchen angelegt werden.

Bildquelle: © Mayanan/ pixelio.de

Pluripotente Zellen

Weitere Versuche der Wissenschaftler zeigten, dass das Tf-Gen im Blattprimordium, wo die Blättchen, die später das gefiederte Blatt der Tomatenpflanze bilden angelegt werden, aktiviert wird.  Außerdem wird Tf in den Achseln der Blätter in frühen Stadien der Entwicklung exprimiert. Genau dieser Prozess, das Ausbilden neuer morphologischer Strukturen, interessiert die Pflanzenforscher vom MPI in Köln besonders. „Man nimmt an, dass diese neuen, morphologischen Strukturen von pluripotenten Zellen ausgehen, d.h. von Zellen, die noch undifferenziert sind“, so Theres. Solche Zellen findet man beispielsweise in der Sprossspitze, dem sog. Apikalmeristem. „Die Vorstellung geht dahin, dass solche Zellgruppen letztendlich vom ursprünglichen Apikalmeristem abgegliedert werden und in der Blattachsel, aber auch im Blattprimordium erhalten bleiben“, erklärt der Forscher. Diese Gruppen von undifferenzierten Zellen stellen den Ausgangspunkt zur Bildung der neuen morphologischen Strukturen dar.

Ähnlich Stammzellen bei Säugetieren

Häufig würden diese Zellen auch mit Stammzellen bei Säugern verglichen. „Dieser Vergleich ist nicht zu 100 Prozent korrekt, aber die Vorgänge sind durchaus ähnlich“, erklärt er. Undifferenzierte Zellen werden in einer Umgebung sich differenzierender Zellen konserviert. „Die Tatsache, dass diese undifferenzierten Zellen sich noch zu allen möglichen anderen Zelltypen entwickeln können, ist die Voraussetzung dafür, dass etwas später in der pflanzlichen Entwicklung die neuen Strukturen aus diesen Zellen gebildet werden können“, so Theres. Scheinbar sei dafür ein besonderes Programm notwendig, das sicherstelle, dass die pluripotenten Zellen als solche erhalten blieben. Wenn diese Zellgruppen durch Mutationen in bestimmten Genen selbst ausdifferenzieren, verliert die Pflanze die Fähigkeit, bestimmte neue morphologische Strukturen auszubilden. Wie z.B. beim Phänotyp der Tf-Mutante.

Nur ein Puzzleteil von vielen

Trifoliate ist nur einer von wahrscheinlich zahlreichen Faktoren, die an der Steuerung dieser Prozesse beteiligt sind. Das Team um Prof. Theres wird in Zukunft versuchen, weitere Parameter dieser komplexen Signalkaskaden aufzuklären. Bei den Säugetieren können die Wissenschaftler dabei nicht nach Hinweisen suchen: „Es gibt offenbar keine orthologen Gene bei Säugern, die uns hier von Nutzen sein könnten“, so Theres.

Unverzweigte Tomatenpflanzen

Zunächst geht es Prof. Theres` Team um Grundlagenforschung. Aber auch eine praktische Anwendung der Erkenntnisse wäre denkbar: TF könnte ein Schalter sein, um bei Nutzpflanzen die Verzweigung zu kontrollieren. Zierpflanzen sollen meist möglichst viele Verzweigungen aufweisen und einen buschigen Phänotyp mit vielen Blüten ausbilden.
„Bei Nutzpflanzen hingegen ist eine reduzierte Seitenverzweigung erwünscht“, erklärt Theres.

Der größte Kostenfaktor im kommerziellen Tomatenanbau sei nach wie vor das sog. Ausgeizen der Seitentriebe, denn dieser Vorgang kann bisher nur von Hand durchgeführt werden. Das Entfernen der Seitentriebe, die sich aus den Achselmeristemen entwickeln, vom Hauptstamm ist notwendig, um eine Konzentration der pflanzlichen Ressourcen in den Fruchtständen des Haupttriebes zu erreichen. „Dadurch bekommt man größere Früchte und letztendlich eine ertragreichere Pflanze“, fasst Theres die Vorteile zusammen.

Einfach auf Mutanten zurückgreifen, die wie die Tf-Mutante keine Seitentriebe mehr ausbilden, können Tomatenzüchter jedoch nicht. „Alle bisher bekannten Mutanten dieser Art gehen auch mit einem verminderten Ernteertrag einher“, erklärt Theres die pleiotropen Wirkungen dieser Gene.

Prozesse verstehen, um sie zu beeinflussen

Deshalb sei es auch so wichtig, die Vorgänge richtig zu verstehen. Bei der Sonnenblume beispielsweise wird eine natürliche Verzweigungsmutante für kommerzielle Zwecke eingesetzt. Denn normalerweise bilden Sonnenblumen aus jeder Blattachse heraus einen Seitentrieb aus, der wiederum einen Blütenkopf trägt. Bei der Sonnenblumenmutante, die wir heute auf den Feldern sehen, ist nicht die Bildung der Meristeme gestört, sondern deren Auswachsen. „Wenn wir verstehen, wie die Sprossverzweigung genetisch kontrolliert wird, werden wir vermutlich in der Lage sein, diesen Vorgang so zu beeinflussen, dass es für die Züchtung interessant ist“, fasst Theres zusammen.


Quelle:
Naz, AA., et al. (2013): Trifoliate encodes an MYB transcription factor that modulates leaf and shoot architecture in tomato. Proc Natl Acad Sci., (22. Januar 2013),doi: 10.1073/pnas.1214300110.

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