Speedbreeding – schneller züchten

Die Weltraumforschung stand Pate

12.01.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Im Speedbreeding-Gewächshaus können sechs Generationen Weizen pro Jahr heranwachsen. Das beschleunigt bisherige Züchtungsprozesse um das Dreifache. (Bildquelle: The University of Queensland)

Im Speedbreeding-Gewächshaus können sechs Generationen Weizen pro Jahr heranwachsen. Das beschleunigt bisherige Züchtungsprozesse um das Dreifache. (Bildquelle: The University of Queensland)

„Vom Samen bis zum Samen braucht Weizen hier gerade einmal acht Wochen

„Vom Samen bis zum Samen braucht Weizen hier gerade einmal acht Wochen", erklärt Hickey. (Bildquelle: The University of Queensland)

Mit herkömmlichen züchterischen Methoden lassen sich Ertrag und Widerstandsfähigkeit unserer Nutzpflanzen zwar kontinuierlich optimieren, aber das kostet oft zu viel Zeit. Wissenschaftler haben nun das sogenannte Speedbreeding etabliert, mit dem Pflanzen mit positiven Eigenschaften bis zu dreimal schneller als bisher gezüchtet werden können. Das System lässt sich außerdem problemlos mit Genomeditierungsmethoden wie CRISPR kombinieren.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. In etwa 30 Jahren werden auf der Erde 10 Milliarden Menschen leben – so die Prognosen. Gleichzeitig wird der Klimawandel für immer extremere Wetterbedingungen sorgen. In den nächsten drei Jahrzehnten müssen unsere Nahrungspflanzen so optimiert werden, dass sie unter schwierigeren klimatischen Bedingungen ertragreicher sind als heute. „Eine neue Nahrungspflanzen-Variante zu züchten dauert bis zu 20 Jahre. Das ist viel zu lang“, so Dr. Lee Hickey von der Universität Queensland in Brisbane, Australien. „Wenn wir diesen Prozess nicht beschleunigen, wird uns die Zeit davonlaufen!“

Vom Weltall ins Gewächshaus

Die Idee des Speedbreedings stammt eigentlich von der NASA. Sie versuchte, für lange Missionen Getreide im Weltraum anzubauen. „Die Astronauten haben die Pflanzen im All unter kontinuierlicher Beleuchtung und gleichbleibender Temperatur wachsen lassen“, so Hickey, „wir dachten uns: das könnte doch auch auf der Erde funktionieren!“ Zu Beginn ihres Projektes stießen die Wissenschaftler auf viel Skepsis. „Doch wir wären ja keine Wissenschaftler, wenn wir es nicht trotzdem ausprobiert hätten“, so Hickey.

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Dr. Lee Hickey (rechts) von der University of Queensland in Brisbane, Australien, entwickelte mit seinem Team das innovative Speedbreeding, das sich problemlos mit Geneditierungsmethoden wie CRISPR kombinieren lässt.

Dr. Lee Hickey (rechts) von der University of Queensland in Brisbane, Australien, entwickelte mit seinem Team das innovative Speedbreeding, das sich problemlos mit Geneditierungsmethoden wie CRISPR kombinieren lässt.

Bildquelle: The University of Queensland

Der ambitionierte Projektstart gestaltete sich jedoch zunächst schwierig: Zu Beginn hatten die Forscher mit schlecht wachsenden Pflanzen zu kämpfen, die die Nährstoffe im Boden nicht in ausreichenden Mengen aufnehmen konnten. „Dann haben wir das System Schritt für Schritt optimiert. Wir haben auch viele Fehler gemacht – aber, und das ist ja das Wichtigste: Wir haben aus ihnen gelernt!“, so Hickey.

Heute blickt der Pflanzenforscher stolz auf sein Werk, das gerade erst in „Nature Plants“ publiziert wurde. In seinem Gewächshaus für Speed-Züchtung wächst eine Weizengeneration dreimal so schnell heran wie auf dem Feld. „Vom Samen bis zum Samen braucht Weizen hier gerade einmal acht Wochen. Pro Jahr wachsen so sechs Weizengenerationen heran“, so Hickey, und weiter: „Die Pflanzen sehen gut aus, genauso wie die auf dem Feld.“

Der Aufbau des Speedbreeding-Systems

Das Speedbreeding-System besteht aus nahezu dauerhaft (22 Stunden pro Tag) beleuchteten Gewächshäusern, deren Innentemperatur sich auf ein Grad genau festlegen lässt. Die kostenintensiven Hochdruck-Natriumdampf-Lampen können inzwischen durch energiesparende LED-Lampen ersetzt werden. Da die Pflanzen unter diesen Bedingungen so schnell wachsen, sind sie im Speedbreeding-Gewächshaus  auf schnell verfügbare Nährstoffe in Form von flüssigem Dünger angewiesen. Etwa elf bis vierzehn Tage nach der Blüte sind die Samenkörner von Weizen reif für die Ernte. Um das Auskeimen der Samen zu induzieren, trocknen die Forscher die noch grünen Samenkörner zunächst bei 35 °C für sieben Tage. Im Anschluss werden die Samen vier Tage lang auf 4 °C heruntergekühlt. „Durch diese Behandlung erhalten wir eine Auskeimrate von etwa 90 Prozent“, so Hickey.

Schnelles Wachstum mit gezielter Selektion verbinden

Bereits während der ersten Wachstumsversuche im Speedbreeding-Gewächshaus nutzten die Forscher die Gelegenheit, die Pflanzen nach besonders wertvollen Eigenschaften zu selektieren. „Dabei ging es uns hauptsächlich um Krankheitsresistenzen, da diese Eigenschaft für Landwirte besonders wichtig ist“, berichtet Hickey.

Als der Pflanzenforscher eine Brauerei in Südamerika besuchte, wurde ihm bewusst: Die Gerste mit den besten Braueigenschaften war anfällig für eine ganze Reihe von Krankheiten. „So kam mir die Idee, diese ausgesprochen gute Braugerste mit Hilfe des Speedbreeding-Systems genetisch resistenter gegen Krankheitserreger zu machen“, so Hickey. In nur 18 Monaten war das Projekt erfolgreich abgeschlossen und die südamerikanischen Brauer freuten sich über die krankheitsresistentere Gerste. Sobald die Forscher die relevanten Gene aufgespürt haben, kann diese Information unmittelbar im Speedbreeding-System umgesetzt werden, um neue resistente Variationen in kurzer Zeit zu züchten.

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Video zum Thema (in englischer Sprache)

(Quelle: The University of Queensland/youtube)

Vier von sechs Weizenzuchtfirmen in Australien nutzen bereits Speedbreeding

Hickeys Hochgeschwindigkeitszüchtung hat bereits den Sprung aus den wissenschaftlichen Laboren in die praktische Anwendung geschafft. „Vier der sechs Weizenzuchtfirmen in Australien nutzen bereits diese Technologie. Zwei arbeiten direkt mit uns zusammen, die anderen beiden haben ihre eigene Methode etabliert“, so Hickey. Bereits vier Jahre nachdem Hickey die ersten Versuche unternahmen, landeten die ersten so gezüchteten Samen auf den Feldern von australischen Landwirten.

Schnelle Verbesserung von Kulturpflanzen

Hickey ist sich sicher: „Speedbreeding wird die Art, wie wir Pflanzen züchten, komplett verändern.“ Auch Co-Studienleiter Dr. Brande Wulff vom John Innes Centre in Norwich teilt diese Ansicht: „In meiner Vision wird es in zehn Jahren so weit sein, dass wir auf den Feldern auch die Pflanzen finden werden, die mit dieser Technologie entwickelt wurden.“

Speedbreeding funktioniert nicht nur bei Weizen und Gerste, sondern wurde auch bereits für Erdnüsse, Raps, Erbsen, Kichererbsen und Hirse erprobt. Auch neue Gene von Landrassen können mit diesem System schnell eingekreuzt werden. „Die Technik kann außerdem problemlos mit Gen-Editierungsmethoden wie CRISPR kombiniert werden, um die Resultate schneller als bisher zu erhalten“, so Hickey.

Fit für die Zukunft - offen für Neues

Einen Haken hat die neue Technik jedoch: Die optimierten Bedingungen in Hickeys Speedbreeding-Gewächshaus sind kostenintensiv, denn die gleichbleibenden Klima- und Lichtverhältnisse sind Stromfresser, die Gewächshäuser haben zudem einen hohen Anschaffungspreis. Der Speedbreeding-Pionier zeigt sich jedoch pragmatisch: „Man braucht nicht unbedingt ein teures Glasgewächshaus. Aussortierte Schiffscontainer sind eine kostengünstige Alternative, Pflanzen zu züchten. Man bekommt einen voll isolierten und klimatisierten Container bei uns bereits ab 3.000 australische Dollar. Wenn man sich einen weiten Arbeitsweg ersparen will, kauft man gleich zwei: In einem züchtet man Pflanzen, in den anderen zieht man selbst ein!“


Quelle:
Watson, A. et al. (2018): Speed breeding is a powerful tool to accelerate crop research and breeding. In: Nature Plants 4, 23–29, (1. Januar 2018), doi: 10.1038/s41477-017-0083-8.

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Titelbild: Im Speedbreeding-Gewächshaus können sechs Generationen Weizen pro Jahr heranwachsen. Das beschleunigt bisherige Züchtungsprozesse um das Dreifache. (Bildquelle: The University of Queensland)