Stark wie Stahl

Forscher entwickeln neues Verfahren zur Herstellung extrem starker Cellulosefäden

13.06.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Visualisierung zeigt die Mikrofibrillen im Flow-Focusing-Channel. Während sie im Vordergrund noch ungeordnet sind, werden sie, angetrieben von zwei weiteren Wasserströmen, zu einem starken Cellulosefaden vernetzt.(Bildquelle: © DESY/ Eberhard Reimann)

Die Visualisierung zeigt die Mikrofibrillen im Flow-Focusing-Channel. Während sie im Vordergrund noch ungeordnet sind, werden sie, angetrieben von zwei weiteren Wasserströmen, zu einem starken Cellulosefaden vernetzt.(Bildquelle: © DESY/ Eberhard Reimann)

Mikrofibrillen sind wichtige Bestandteile der pflanzlichen Zellwand. Forscher haben ein neues Verfahren entwickelt, durch das aus den Nanometer feinen Fasern extrem belastbare Fäden für biobasierte Materialien hergestellt werden.

Mikrofibrillen sind wichtige faserförmige Bestandteile der pflanzlichen Zellmembran. Die nur wenige Nanometer dicken Fasern, die aus Cellulosemolekülen bestehen, sind ein wichtiger Baustoff der Zellwand. Sie verleihen dieser Stabilität, indem sie sich zu einem engmaschigen und elastischen Netz verbinden.

#####1#####
Um die extrem starken Cellulosefäden herzustellen, nutzten die Forscher Mikrofibrillen aus frischem Holz.

Um die extrem starken Cellulosefäden herzustellen, nutzten die Forscher Mikrofibrillen aus frischem Holz.

Bildquelle: © michaklootwijk/ iStock/ Thinkstock

Stärker als Stahl und Aluminium

Die winzigen Fasern spielen als Rohstoff für die Entwicklung und Herstellung von biobasierten Materialien und somit auch für die Bioökonomie eine wichtige Rolle. Zusammengefasst werden diese vernetzt und zu Cellulosefäden verarbeitet, welche anschließend als Ausgangsstoff für biobasierte Materialien, Kunststoffe oder Textilien dienen. Ein Forscherteam hat nun unter Beteiligung aus Deutschland ein neues Verfahren für die Verarbeitung der Mikrofibrillen zu extrem starken Zellulosefäden für industrielle Zwecke entwickelt. „In Relation zum Gewicht sind unsere Fäden stärker als Stahl und Aluminium“, erklärt der Hauptautor der Studie Prof. Frederik Lundell und betont, dass vor allem die Stabilität und das leichte Gewicht zugleich entscheidende Vorteile sind. Die Forscher verwendeten für ihren Versuch Mikrofibrillen aus frischem Holz.

Die Herausforderung für die Forscher bestand darin, Cellulosefäden von hoher Stabilität, Härte und Zugfestigkeit zugleich zu entwickeln, die für die Herstellung von Biomaterialien geeignet sind, die selbst extremen Anforderungen standhalten. Um diese Eigenschaften zu erreichen, konzentrierten sich die Forscher auf die Struktur bzw. die Ausrichtung der Mikrofibrillen. Ihr Ziel war es, die winzigen Fasern parallel auszurichten und zu fixieren und anschließend zu einem festen Garn zu verarbeiten.

Die Kraft der Strömung

Die Forscher kombinierten für ihr Verfahren verschiedene Methoden. Um die Mikrofibrillen zuerst einmal parallel auszurichten, setzten sie auf die Kraft des Wasser bzw. der Strömung. Sie spülten die Mikrofibrillen im Wasser durch einen Milimeter kleinen Kanal (flow-focusing-channel system), woraufhin sich die winzigen Fasern angetrieben von der Strömung in die gewünschte Richtung parallel ausrichteten.

Um die parallele Ausrichtung anschließend zu fixieren, speisten die Forscher zwei zusätzliche Wasserstrahlen von zwei Seiten ein. Diese stabilisierten nicht nur die Strömung und Ausrichtung der Mikrofibrillen, sondern enthielten zudem auch Natriumchlorid (NaCl). Das Natriumchlorid setzte in dem Kanal einen elektrochemischen Prozess in Gang (Sol-Gel-Prozess), der eine dreidimensionale Vernetzung der Mikrofibrillen untereinander herbeiführte und die neue Struktur der Mikofibrillen fixierte. Am Ende des Kanals kam schließlich ein Cellulose-Gelfaden zum Vorschein. Diesen ließen die Forscher an der Luft trocknen, wozu die Gelfäden, um gleichmäßig zu trockenen aufgehangen wurden.

#####2#####
Aufgrund der hohen Stabilität eignen sich die Cellulosefäden auch für die Herstellung biobasierter Materialien für extreme Anforderungen, wie zum Beispiel Rotorblätter von Windkraftanlagen.

Aufgrund der hohen Stabilität eignen sich die Cellulosefäden auch für die Herstellung biobasierter Materialien für extreme Anforderungen, wie zum Beispiel Rotorblätter von Windkraftanlagen.

Bildquelle: © Zoonar RF/ iStock/ Thinkstock

Von der Zellwand zum Rotorblatt

Dank des neuen Verfahrens könnten nun auch bald biobasierte Materialien für extreme Anforderungen und mit einer hohen Lebenszeit aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, was bisher nur in Einzelfällen und mit hohem Aufwand möglich war. Der Nachteil biobasierter Materialien bestand bisher darin, dass sie unter anderem leicht entflammbar und wenig belastbar waren. Die Forscher betonen, dass der in ihrem Verfahren hergestellte Cellulosefaden eine größere Stärke und Steifigkeit besitzt, als alle bisher entwickelten, und mit Glasfasern vergleichbar ist. Er eignet sich zum Beispiel sogar für die Herstellung von Rotorblättern von Windkraftanlagen, die nicht nur hohen Windgeschwindigkeiten, sondern auch anderen extremen Einflüssen wie Temperaturschwankungen oder Blitzeinschläge standhalten müssen.

Belastbar und biokompatibel

„Wir können im Prinzip sehr lange Fäden flechten“ blickt Lundell voraus, „Bis jetzt sind unsere längsten Probestücke ungefähr zehn Zentimeter lang, aber das ist mehr eine technische Frage und kein grundsätzliches Problem“. Der Forscher geht davon aus, dass man für das Verfahren auch Altpapier als Ausgangsstoff nutzen könnte, jedoch müsste die Technik genauer untersucht und angepasst werden. Das fertige Material ist aufgrund der natürlichen Struktur der Cellulosemoleküle in den Mikrofibrillen vollständig biokompatibel. Es ist somit biologisch abbaubar und verträgt sich darüber hinaus mit menschlichem Gewebe. Die Cellulosefäden eignen sich, so die Forscher, für alle Anwendungsgebiete, angefangen von der Textilproduktion hin bis zur Herstellung von biobasierten Materialien für extreme Anforderungen.


Quelle:
Lundell, F. et al. (2014): Hydrodynamic alignment and assembly of nanofibrils resulting in strong cellulose filaments. In: Nature Communications, 5 (4018), (2. Juni 2014), doi:10.1038/ncomms5018.

Weiterlesen auf Pflanzenforschung:

Titelbild: Die Visualisierung zeigt die Mikrofibrillen im Flow-Focusing-Channel. Während sie im Vordergrund noch ungeordnet sind, werden sie angetrieben von zwei weiteren Wasserströmen zu einem starken Cellulosefaden vernetzt.(Bildquelle: © DESY/ Eberhard Reimann)