Stickstoffsensor entdeckt

Modellpflanze fällt aus dem Rahmen

25.11.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Landwirte regen durch Stickstoffdüngung das pflanzliche Wachstum an und steigern so ihre Erträge. (© iStock.com/ Singkham)

Landwirte regen durch Stickstoffdüngung das pflanzliche Wachstum an und steigern so ihre Erträge. (© iStock.com/ Singkham)

Stickstoff ist lebenswichtig für alle Pflanzen. Wissenschaftler konnten zeigen, dass die allermeisten Pflanzen über einen Sensor prüfen, wieviel Stickstoff ihnen bereits zur Verfügung steht. Nur die Kreuzblütler und unter ihnen die Modellpflanze Arabidopsis thaliana fallen dabei aus dem Rahmen.

Ohne Stickstoff können Pflanzen nicht wachsen, denn Stickstoff ist ein unverzichtbarer Baustein pflanzlicher Zellen. Nicht umsonst düngen Landwirte ihre Felder unter anderem mit Stickstoff, um das Wachstum ihrer Pflanzen anzuregen. In höheren Pflanzen ist die Stickstofffixierung sehr komplex aufgebaut und auf Signale von Hormonen, Nitraten, Zuckern, organischen Säuren und Aminosäuren angewiesen. Nimmt eine Pflanze das lebenswichtige Element auf, baut sie es zunächst in Form von Glutamin in ihren Chloroplasten ein. Glutamin wiederum ist Ausgangspunkt verschiedener Stoffwechselwege, in denen der Stickstoff benötigt wird.

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An der einzelligen Grünalge Chlamydomonas konnten Wissenschaftler zeigen, dass PII-Proteine nur dann die Herstellung verschiedener anderer Aminosäuren ankurbeln, wenn ausreichend Glutamin vorhanden ist.

An der einzelligen Grünalge Chlamydomonas konnten Wissenschaftler zeigen, dass PII-Proteine nur dann die Herstellung verschiedener anderer Aminosäuren ankurbeln, wenn ausreichend Glutamin vorhanden ist.

Bildquelle: © Environmental Protection Agency/ wikimedia.org/ CC0

Stoffwechsel läuft nur, wenn genügend Glutamin vorhanden ist

Als die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen in internationaler Zusammenarbeit die zentrale Einspeisestelle in den pflanzlichen Organismus genauer untersuchten, stellten sie fest, dass Pflanzen sogar kontrolliert Stickstoff aufnehmen. Sie verfügen über einen Sensor, der den Stickstoffgehalt in ihrem Organismus überprüft. Das geschieht, indem Glutamin an die sogenannten PII-Signalproteine bindet. In Bakterien sind PII-Proteine bereits als Stoffwechselregulatoren bekannt. Doch bei Pflanzen scheint es eine kleine Besonderheit zu geben: Untersuchungen der Wissenschaftler an der einzelligen Grünalge Chlamydomonas zeigten, dass PII-Proteine nur dann die Herstellung verschiedener anderer Aminosäuren ankurbeln, wenn ausreichend Glutamin vorhanden ist.

Q-Loop macht den Unterschied

Als die Wissenschaftler die räumliche Struktur der PII-Proteine untersuchten, fanden sie den Grund dafür. Im Gegensatz zu den bakteriellen PII-Proteinen besitzen Grünalgen-PII-Proteine einen kleinen Fortsatz. Diesen benannten die Wissenschaftler seiner Form entsprechend als “Q-Loop“, weil er das Glutamin umschließt. „Nur wenn dieser Fortsatz mit Glutamin beladen ist und dadurch das PII-Protein in die richtige Form bringt, kann es die weiteren Schritte im Stoffwechsel aktivieren“, erklärt Studienautorin Vasuki Chellamuthu.

Q-Loop weit verbreitet

Nützliche Eigenschaften setzen sich durch, das ist eines der Grundprinzipien der Evolution. Eine solche nützliche Eigenschaft scheint der Stickstoffsensor PII zu sein, wie die Wissenschaftler mit Hilfe bioinformatischer Analysen zeigen konnten. Vor vielen Millionen Jahren haben Vorläufer der heutigen Pflanzen Cyanobakterien dauerhaft ins Zellinnere aufgenommen. Diese Cyanobakterien verfügten aber nur über ein einfaches PII-System ohne Q-Loop. Erst als die sich entwickelnden Pflanzen darauf angewiesen waren, den Stickstoffgehalt in ihrem Organismus zu messen, wurde der Q-Loop angehängt und dieses System an nachfolgende Generationen weitergegeben.

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Wie andere Kreuzblütler auch besitzt die Modellpflanze Arabidosis thaliana keinen vollständig ausgebildeten Stickstoff-Sensor.

Wie andere Kreuzblütler auch besitzt die Modellpflanze Arabidosis thaliana keinen vollständig ausgebildeten Stickstoff-Sensor.

Bildquelle: © Sui-setz/ wikimedia.org/ CC BY-SA 3.0

Offenbar sehr erfolgreich, denn ein Datenbank-Abgleich der Wissenschaftler zeigte, dass der zur Bindung von Glutamin notwendige Q-Loop bei nahezu allen pflanzlichen PII-Proteinen vorkommt – mit einer Ausnahme: die Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae). Bei ihnen ist der Q-Loop verkürzt. „Kurioserweise gehört die Modellpflanze Arabidopsis thaliana damit zu den Ausnahmen“, schreiben die Forscher. Laborversuche bestätigten, was über die Datenbankanalyse bereits vorhersehbar war: Das PII-Protein in Arabidopsis thaliana funktioniert Glutamin-unabhängig. Als Gegenbeweis setzten die Forscher das fehlende Stück aus dem PII-Algenprotein in Arabidopsis ein. Daraufhin reagierte auch Arabidopsis auf Glutamin.

Bei der Bedeutung ihrer Entdeckung zeigen sich die Wissenschaftler bescheiden. Ob der Nachweis des Stickstoffsensors für die Pflanzenzüchtung bedeutsam sei, müsse sich erst noch zeigen. Möglicherweise ließen sich über den Glutamin-Sensor das Wachstum und damit der Ertrag von Nutzpflanzen beeinflussen. Bis aber mögliche Stellschrauben identifiziert sind, ist es noch ein weiter Weg.

Andererseits beweist das Sensorsystem auch, dass viel nicht immer hilfreich ist. Wird zu viel Stickstoffdünger auf das Feld ausgebracht, kann dieser ab einer bestimmten Sättigung der Pflanzen nicht genutzt werden. Er geht verloren, was der Umwelt und dem Geldbeutel schadet. Somit hilft das grundlegende Verständnis über die Vorgänge in der Pflanze agronomischen Maßnahmen zu optimieren.


Quelle: 
Chellamuthu, VR. et al. (2014): A Widespread Glutamine-Sensing Mechanism in the Plant Kingdom. In: Cell, Volume 159, Issue 5, (20. November 2014), doi.org/10.1016/j.cell.2014.10.015.

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Titelbild: Landwirte regen durch Stickstoffdüngung das pflanzliche Wachstum an und steigern so ihre Erträge. (© iStock.com/ Singkham)