Unsichtbares Gift

Aus der Landwirtschaft freigesetztes Ammoniak bildet gefährliche Feinstäube

06.02.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Intensiv gedüngte Äcker setzen oftmals große Mengen Ammoniak frei. (Quelle: © iStockphoto.com/ handsomepictures)

Intensiv gedüngte Äcker setzen oftmals große Mengen Ammoniak frei. (Quelle: © iStockphoto.com/ handsomepictures)

Forscher berechnen die gesundheitlichen und finanziellen Auswirkungen von sekundären Feinstäuben im Zusammenhang mit Ammoniakemissionen in den USA.

Die Landwirtschaft in den USA ist auf Erfolgskurs. In der letzten Dekade haben sich die Lebensmittel-Exporte verdoppelt, begründet durch die steigende Nachfrage aus Asien, insbesondere China. Allerdings hat dieser Erfolg auch seine Schattenseiten: Intensivierter Ackerbau und größere Tierbestände lassen auch die Ammoniakfreisetzung in die Höhe schnellen. Nicht nur durch die Geruchsbelästigung, sondern durch einen anderen Wirkmechanismus haben diese Emissionen gesundheitliche Folgen. Denn ungünstigerweise geht Ammoniak gerne eine Koalition mit anderen Luftverschmutzern ein - zusammen mit Schwefel- und Stickoxiden bildet es Feinstäube, die bis in die Lungen eindringen können. Amerikanische Forscher haben jetzt die Auswirkungen auf die Gesundheit sowie die dadurch entstehenden Kosten berechnet.

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Der Dunst der Großstadt: Feinstäube entstehen unter anderem durch Autoabgase, Reifen- und Bremsenabrieb.

Der Dunst der Großstadt: Feinstäube entstehen unter anderem durch Autoabgase, Reifen- und Bremsenabrieb.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Travelster

Ammoniak, Stickoxide und Feinstaub

Ammoniak (NH3) ist ein unangenehm riechendes, farbloses und giftiges Gas, das Augen und Atemwege reizt. Ammoniak gilt als eine der am meisten produzierten Chemikalien der Welt und findet neben der Düngung Anwendung in technischen Prozessen oder als FCKW-freies Kühlmittel. Seine therapeutische Wirkung als Hustenlöser oder Salmiak wird von alters her genutzt. Neben der großtechnischen Gewinnung entstehen kleinere Mengen Ammoniak bei natürlichen Zersetzungsprozessen organischen Materials. Aber selbst im Weltraum konnte Ammoniak nachgewiesen werden. Durch seine toxische Wirkung gilt das Gas als Umweltgift und seine ätzende Wirkung macht Ammoniak gewässerökologisch bedenklich. In Deutschland wurden 2011 über 563 Gigagramm (563 x 106 Kilogramm) Ammoniak in die Atmosphäre abgegeben, etwa 95 Prozent davon stammten aus der Landwirtschaft. Weitere Quellen sind die Industrie (Düngerherstellung, Verwendung als Kühlmittel) und die Nutzung fossiler Brennstoffe. Ammoniak wird beim Abbau von Exkrementen freigesetzt, wenn Harnstoff chemisch zerlegt wird (Ammonifikation). Daher ist die intensive Tierhaltung eine der Hauptquellen. Auch nach dem Ausbringen von Düngern entweicht Ammoniak in die Atmosphäre. Im Boden führt ein Zuviel an Ammoniak zu Bodenversauerung und Überdüngung von Gewässern. In der Luft wird es zu Ammoniumsalzen umgesetzt, die als sekundäre Feinstäube weit transportiert werden können.

Ein giftiger Cocktail

Treffen nun ammoniakhaltige Gase aus der intensiven Landwirtschaft mit Stickoxiden oder Schwefeloxiden aus Industrie und Verkehr zusammen, bilden sie sogenannte „sekundäre Feinstaub-Partikel“ mit einer Größe unter 2,5 µm. Sie bestehen zu einem großen Teil aus Ammoniumnitrat (NH4NO3) oder NH4HSO4 (Ammoniumhydrogensulfat). Aufgrund ihrer geringen Größe können die Feinstaubartikel bis in die Lungenbläschen vordringen. Sie erhöhen dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Asthma und Lungenkrebs. Die Forscher schätzen, dass allein durch die intensive Nahrungsmittelproduktion die Bevölkerung in den USA einer zusätzlichen Belastung von 0,36 µg Feinstaub pro Kubikmeter ausgesetzt ist. Diese zusätzliche Belastung verursacht laut Berechnung der Wissenschaftler jährlich Mehrkosten von 36 Milliarden Dollar im Gesundheitswesen (kalkuliert für das Jahr 2006) und könnte für 5.100 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich sein.

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Die zusätzliche Feinstaubbelastung ist da punktuell besonders hoch, wo in der Nähe von Kohlekraftwerken intensive Landwirtschaft betrieben wird und sich dementsprechend viele Partikel bilden können.

Die zusätzliche Feinstaubbelastung ist da punktuell besonders hoch, wo in der Nähe von Kohlekraftwerken intensive Landwirtschaft betrieben wird und sich dementsprechend viele Partikel bilden können.

Bildquelle: © Vogone / wikimedia.org (CC BY-SA 3.0)

Gewinner und Verlierer

Um zu modellieren, wie stark die Ammoniakemission durch für den Export produzierte Lebensmittel zugenommen hat, nutzten die Wissenschaftler ein Berechnungsmodell, das die Ammoniakfreisetzung beim Anbau von 19 verschiedenen Feldfrüchten sowie sieben verschiedenen Nutztierarten simulieren kann. Die Ergebnisse stellten sie den aktuellen Exportzahlen für die entsprechenden Güter gegenüber. Anschließend ermittelten sie, wo die Belastung durch sekundäre Feinstäube besonders hoch ist.

Demnach gehen rund 13 Prozent der gesamten Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft auf das Konto der für den Export bestimmten Lebensmittel. Die zusätzliche Feinstaubbelastung ist da punktuell besonders hoch, wo in der Nähe von Kohlekraftwerken intensive Landwirtschaft betrieben wird und sich dementsprechend viele Partikel bilden können. Aber auch in den industrie- und verkehrsreichen Ballungsräumen im Nordosten der USA, wo mit den Westwinden erhöhte Ammoniakemissionen aus den ländlichen Regionen ankommen, ist die Belastung hoch, während sie in den ländlichen Gebieten mit wenig Industrie und Autoverkehr vergleichsweise niedrig liegt. Unter dem Strich profitieren die ländlichen Gebiete also von den steigenden Exportzahlen, während die Ballungsräume die Kosten für Erkrankungen durch die höhere Feinstaubbelastung tragen müssen.

Vorbild Europa

Um diese Probleme zu lösen, verweisen die Wissenschaftler vor dem Hintergrund steigender landwirtschaftlicher Produktion auf eine strikte Trennung von Bereichen mit intensiver Landwirtschaft und Ballungsräumen sowie auf eine Senkung der durch Industrie und Verkehr freigesetzten Stickoxide. Sie empfehlen auch einen Blick über den großen Teich: Laut Erhebungen des CEIP (Centre on Emission Inventories and Projections), des Luftschadstoff-Service-Zentrums der Europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (UNECE) hat sich in Europa die Ammoniakfreisetzung unter anderem durch Verwendung verbesserter Düngerarten sowie durch effektives „Mist-Management“ zwischen 1990 und 2010 um nahezu 30 Prozent reduziert. Es gibt also noch einiges zu tun.


Quelle:

Paulot, F. et al. (2013): Hidden cost of U.S. Agricultural exports: Particulate matter from ammonia emissions. In: Environmental Science & Technology 2014, Vol 48., doi.org/10.1021/es4034793.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung:

Titelbild: Intensiv gedüngte Äcker setzen oftmals große Mengen Ammoniak frei. (Quelle: © iStockphoto.com/ handsomepictures)