Verlorene Schätze wiederentdeckt – Detektivarbeit im Weinberg

18.12.2009 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

(Quelle: © iStockphoto.com/ ene)

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Wie ein "Jäger nach dem verlorenen Schatz" begibt sich ein Weindetektiv auch die Suche nach verlorenen Weinsorten. Weinliebhaber dürfen gespannt sein, welche Schätze aus dem 11. Jahrhundert bald wieder trinkbar sein werden.

Weindetektiv Andreas Jung hat sich auf die Suche nach verlorenen Schätzen begeben und Dutzende alter Reben in Deutschland, darunter auch Wärme liebende, spät reifende Sorten des Mittelalters wiederentdeckt. Man glaubte viele alte Rebsorten als verloren, da insbesondere die Reblaus Mitte des 19. Jahrhunderts dafür sorgte, dass heute nur noch 25 Rebsorten von ursprünglich 400 in Deutschland kommerziell angebaut werden. Der Rebzüchtung steht damit eine Erweiterung des Genpools zur Verfügung. Auf dieser Basis können auch in Zukunft heimische Sorten weiterentwickelt und der Weinbau auch in einem möglichen Klimawandel wirtschaftlich durchgeführt werden.

Wurzelechte Reben sind selten geworden

Als im 19. Jahrhundert die amerikanische Reblaus nach Europa eingeschleppt wurde, bedeutete dies das Ende vieler der etwa 400 traditionellen Rebsorten. Von dem Schädling an der Wurzel befallene Reben kümmerten vor sich hin und hatten kaum noch Ertrag. Durch Pfropfung einheimischer Triebe auf die Unterlage Reblaus-resistenter amerikanischer Rebsorten konnte der Weinbau zwar wirtschaftlich gerettet werden, viele Sorten blieben aber verschwunden. In mehr als dreijähriger Detektivarbeit hat der Experte Andreas Jung inzwischen 215 alte Rebsorten, darunter mehr als 30 ausgestorbene oder nie in Deutschland registrierte Weine wiederentdeckt. Weil sie teilweise in Randlagen der Weinbaugebiete, teils in alten, gerodeten Weinbergen oder auf für die Reblaus ungünstigen Lagen standen, haben bei diese alten Reben – im Gegensatz zu kommerziell angebauten Sorten –auch die originären Wurzelstöcke überlebt.

Verborgene Schätze für die Zukunft

Unter den neu- und wiederentdeckten Sorten konnten auch spät reifende, wärmeliebende Rebsorten aus der Zeit Hildegard von Bingens identifiziert werden. Diese Sorten können in Zukunft möglicherweise eine Renaissance erleben, denn zum Zeitpunkt ihrer Züchtung im 11. Jahrhundert war das Klima in Deutschland wärmer. Für die deutschen Winzer stehen somit auch in Zeiten des Klimawandels weitere Sorten zur Verfügung. Diese können als Spezialitäten direkt angebaut werden, da ähnliche Eigenschaften wie aus wärmeren Gegenden importiere Sorten aufweisen, sich im Gegensatz zu diesen aber über Jahrhunderte an die regionalen Standorte angepasst haben. Oder die Rebzüchter können auf Basis dieser alten Schätze beliebte Rebsorten für den Anbau in wärmerem Klima weiter entwickeln.


Quelle:
Berliner Zeitung, Nr. 241, Freitag, 16. Oktober 2009