Vom Versuch, den Reis zu entgiften

Ein Transporter bringt das giftige Arsen in den zellulären Mülleimer

31.10.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In Teilen Bangladeschs und Indiens sind Boden und Wasser stark mit Arsen belastet. Der giftige Stoff findet seinen Weg auch in die Reiskörner und dadurch in die weltweite Nahrungskette. (Bildquelle: © iStock.com/ Studio1one)

In Teilen Bangladeschs und Indiens sind Boden und Wasser stark mit Arsen belastet. Der giftige Stoff findet seinen Weg auch in die Reiskörner und dadurch in die weltweite Nahrungskette. (Bildquelle: © iStock.com/ Studio1one)

Reiskörner können große Mengen giftiges Arsen enthalten. Besonders wenn die Pflanzen in verseuchtem Wasser wachsen, wie in Teilen Indiens und Bangladeschs, ist die Arsenbelastung hoch. Wissenschaftler wollen deshalb Reissorten züchten, die das Arsen entgiften, entsorgen und von den Körnern fernhalten. Einen ersten wichtigen Angriffspunkt kennen sie jetzt.

Arsen steht in den Top Ten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt das giftige Halbmetall in ihrer Liste der „Chemikalien mit großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit“. Die meiste Sorge bereitet der WHO arsenverseuchtes Wasser, das viele Menschen regelmäßig trinken. Doch auch von Reis (Oryza sativa) ist in dem Zusammenhang immer wieder die Rede. Denn mitunter enthalten die weißen Körner, immerhin Grundnahrungsmittel für die halbe Erdbevölkerung, gewaltige Mengen des krebserregenden Stoffes.

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Reis ist besonders oft mit Arsen belastet, weil sich im Wasser gelöstes Arsenit über Aquaporine ganz einfach in die Zellen schmuggeln kann. 

Reis ist besonders oft mit Arsen belastet, weil sich im Wasser gelöstes Arsenit über Aquaporine ganz einfach in die Zellen schmuggeln kann. 

Bildquelle: © Leo Michels/ wikimedia.org/ CC0

Auch für Pflanzen ist Arsen toxisch, der Reis nimmt es nur unbeabsichtigt auf. Durch Kanäle, die eigentlich für Kieselsäure gedacht sind, schlüpft Arsenit in die Zellen. Arsenat schmuggelt sich über Phosphat-Transporter ein. In den Zellen angekommen, stören die Arsenverbindungen die Reparatur der DNA und den Energiestoffwechsel der Zelle. Auf der Suche nach arsenfreiem Reis sind Wissenschaftler jetzt einen Schritt weiter. Sie haben den Transporter gefunden, der die giftigen Arsenverbindungen in die Vakuolen verfrachtet, eine Art Mülleimer der Pflanzenzelle.

Ein Teil des Arsens entwischt dem Mülltrennungssystem

Während bei herkömmlichen Reispflanzen dank des Transporters OsABCC1 nur etwa 3,4 Prozent des gesamten aufgenommenen Arsens in die Körner vordringt, sind es bei Reispflanzen ohne den Transporter 20 bis 24 Prozent. „Wenn Pflanzen in den vegetativen Organen wie Wurzeln oder Stängel extrem viele dieser Transporter herstellen, dann könnte es sein, dass das Arsen dort abgezweigt wird und nie bis in die Körner gelangt“, sagt Enrico Martinoia, einer der Autoren der Studie.

„Das ist zwar eine plausible Vermutung, aber bisher eben nur eine Vermutung“, kommentiert Ute Krämer, Professorin für Pflanzenphysiologie an der Ruhr-Universität Bochum, die nicht an der Studie beteiligt war. Zwar zeigen die Experimente, dass ein Ausfall des Transporters die zelluläre Müllabfuhr erlahmen lässt und wesentlich mehr Arsen in den Reiskörnern landet. Doch dass im Umkehrschluss überproportional viele Transporter die Arsenkonzentration im Reiskorn senken, das gäben die Daten in dieser Form nicht her.

Neben den Transportern spielen auch Phytochelatine eine wichtige Rolle

Auch Martinoia streitet nicht ab, dass noch ein langer Weg vor ihm und seinen Kollegen aus Korea und Japan liegt, bis eines Tages vielleicht wirklich arsenfreier Reis auf dem Speiseplan steht. Der Professor für Molekulare Pflanzenphysiologie von der Universität Zürich verkauft nicht gern halbfertige Sachen und spuckt keine großen Töne, sondern formuliert lieber realistische Zeitpläne. „Eine Machbarkeitsstudie könnte in ein bis zwei Jahren fertig sein, doch bis über konventionelle Züchtung tatsächlich neue Sorten entstehen, dauert es sechs bis zehn Jahre“, erklärt er.

Denn OsABCC1 ist nur ein Mitarbeiter bei der Unschädlichmachung von Arsen. Mindestens ebenso wichtig sind die Phytochelatine, die alle Pflanzen als Reaktion auf schädliche Schwermetalle bilden. Die Phytochelatine umklammern die giftigen Stoffe wie Greifarme und schirmen sie somit von der Umgebung ab. Erst dann wird der Phytochelatin-Arsen-Komplex in die Vakuole transportiert. „Bei Arabidopsis (Arabidopsis thaliana)haben wir bereits gesehen, dass die Arsentoleranz der Pflanzen erst dann steigt, wenn sie sowohl viele Transporter als auch viele Phytochelatine haben“, berichtet Martinoia.

Studienleiter Jian Feng Ma, Professor für Pflanzenstress-Physiologie an der Okayama Universität in Japan, sagte gegenüber dem Magazin „The Scientist“, dass er und seine Mitarbeiter jetzt sowohl nach Reislinien mit hohen OsABCC1-Werten als auch nach weiteren, bisher unbekannten Arsentransportern suchen. „Vielleicht gibt es in unterschiedlichen Zelltypen verschiedene Transporter, die wir kombinieren müssen, um arsenfreien Reis zu erhalten“, so Ma.

Bei nahezu jedem zweiten Menschen kommt täglich Reis auf den Tisch. Das Getreide ist Grundnahrungsmittel in weiten Teilen Süd- und Südostasiens und auch in vielen anderen Gegenden der Welt verbreitet. Wenn arsenfreier Reis den Sprung vom Labor aufs Feld schafft, wäre das eine Sorge weniger.


Quelle:

Song, W. et al. (2014): A rice ABC transporter, OsABCC1, reduces arsenic accumulation in the grain. In: PNAS Early Edition (20. Oktober 2014), doi:10.1073/pnas.1414968111

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Titelbild: In Teilen Bangladeschs und Indiens sind Boden und Wasser stark mit Arsen belastet. Der giftige Stoff findet seinen Weg auch in die Reiskörner und dadurch in die weltweite Nahrungskette. (Bildquelle: © iStock.com/ Studio1one)