Von der Zelle zur Wurzel

Zusammenspiel verschiedener Transkriptionsfaktoren bei der Entwicklung von Wurzelzellen untersucht

03.11.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wurzel der Modellpflanze Arabidopsis thaliana unterm Mikroskop. (Bildquelle: © iStock.com/defun)

Wurzel der Modellpflanze Arabidopsis thaliana unterm Mikroskop. (Bildquelle: © iStock.com/defun)

Damit aus einer pflanzlichen Stammzelle eine voll funktionsfähige Wurzelzelle hervorgeht, setzt die Pflanze ein ausgeklügeltes Netzwerk von Transkriptionsfaktoren in Gang.

Die Entwicklung von Pflanzen ist ein wichtiges Gebiet der Forschung. Von besonderem Interesse sind hierbei die pflanzlichen Stammzellen, die sich innerhalb von Meristemen - also teilungsfähigem, undifferenziertem Gewebe - befinden. Aus Meristemen bilden sich mit Hilfe von genregulatorischen Prozessen die verschiedenen Zelltypen heraus. Eine wichtige Rolle spielen Transkriptionsfaktoren, die die entsprechenden Gene aktivieren oder unterdrücken. In einer neuen Studie haben Forscher in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana neue Transkriptionsfaktoren identifiziert und das Zusammenspiel verschiedener dieser Faktoren für die Ausdifferenzierung von Wurzelzellen näher untersucht.

Teilung ohne Ende

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In einer neuen Studie haben Forscher in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana das Zusammenspiel verschiedener Transkriptionsfaktoren für die Ausdifferenzierung von Wurzelzellen näher untersucht.

In einer neuen Studie haben Forscher in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana das Zusammenspiel verschiedener Transkriptionsfaktoren für die Ausdifferenzierung von Wurzelzellen näher untersucht.

Bildquelle: © iStock.com/Jia He

Meristeme enthalten teilungsfähige, aber undifferenzierte (keiner speziellen Funktion zugewiesene) Zellen. Sie befinden sich bei Pflanzen an der Spitze der Sprossachse (Apikalmeristem), an Seitentrieben (Subkutalmeristem) sowie an der Wurzelspitze (Wurzelapikalmeristem). Kurz nach der Keimung einer Pflanze bilden sich in der Wurzel die primären Meristeme: Das Prokambium, das Protoderm und das Grundmeristem. Hier liegen sogenannte Initialzellen, die im Gegensatz zu ausdifferenzierten Zellen immer teilungsfähig bleiben. Aus diesen sich langsam teilenden Zellen entstehen Tochterzellen, die eine deutlich höhere Teilungsrate aufweisen und sich zu unterschiedlichen Gewebezellen weiter entwickeln.

Die hier untersuchten Initialzellen (bezeichnet als „Cortex Endodermis Initial Stem Cells“ oder CEIs) und ihre Tochterzellen („Cortex Endodermis Initial Daughter Cells“ oder CEIDs) differenzieren sich in Endodermis- und Wurzelrindenzellen und bilden so das Grundgewebe der Wurzel. Die Frage ist: Woher weiß die einzelne Zelle, dass sie sich zum Beispiel zu einer Endodermiszelle weiterentwickeln soll? Hier kommen die Transkriptionsfaktoren ins Spiel: Sie aktivieren die entsprechenden Gene und steuern die Teilung und die weitere Entwicklung der Meristemzellen, damit aus ihnen letztlich organisierte Wurzelzellen werden und kein undefinierter Zellhaufen.

Auftritt der „Vögel“

Soll eine Meristemzelle sich teilen und ausdifferenzieren („reifen“), kommen verschiedene Transkriptionsfaktoren zum Einsatz: SHORT-ROOT (SHR, „kurze Wurzel“), ein mobiler Transkriptionsfaktor, wird mit Unterstützung der Transkriptionsfaktoren SCARECROW (SCR, „Vogelscheuche“) und JACKDAW (JDW, „Dohle“) vom Leitbündel in den Nukleus transportiert und reguliert hier die korrekte Zellteilung. Fehlt SHR, wird keine Endodermis gebildet. Für die korrekte Teilung und Ausdifferenzierung der Meristemzellen sind aber noch andere Transkriptionsfaktoren nötig: So hilft der Transkriptionsfaktor BALD-IBIS („Waldrapp“) bei der Speicherung von SHR im Kern. MAGPIE (MGP, „Elster“) und NUTCRACKER (NUC, „Tannenhäher“) unterstützen die Zelle bei der korrekten Ausdifferenzierung.

Diese Gruppe von Transkriptionsfaktoren, auch genannt „The BIRDs“ („Die Vögel“), gehört zur Klasse der Zinkfingerproteine (so genannt, weil sie eine verlängerte Bindungsdomäne mit einem Zinkion haben, mit der sie an die DNA binden). Die Forscher konnten jetzt weitere BIRD-Proteine identifizieren, die sie in ihrer neuen Studie vorstellen: Die neuen Mitglieder der BIRD-Familie heißen BUEJAY (BLJ, „Blauhäher“) und IMPERIAL EAGLE (IME, „Kaiseradler“) und sind ebenfalls an der Zelldifferenzierung beteiligt.

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An der Zelldifferenzierung sind eine Gruppe von Transkriptionsfaktoren beteiligt, die auch „The BIRDs“ („Die Vögel“) genannt werden. Forscher konnten jetzt weitere BIRD-Proteine identifizieren, einer davon wurde BLUEJAY („Blauhäher“) getauft.

An der Zelldifferenzierung sind eine Gruppe von Transkriptionsfaktoren beteiligt, die auch „The BIRDs“ („Die Vögel“) genannt werden. Forscher konnten jetzt weitere BIRD-Proteine identifizieren, einer davon wurde BLUEJAY („Blauhäher“) getauft.

Bildquelle: © Dawn Huczek/flickr;CC BY 2.0

Gut vernetzt

Zusammen bilden die BIRDs ein ordnendes Netzwerk, das für eine korrekte Teilung und Ausdifferenzierung der Zellen zuständig ist. Die Forscher konnten zeigen, dass die BIRDs zusammen mit SCARECROW für die Weiterentwicklung der Meristemzellen in Endodermis- und Wurzelrindenzellen sorgen. Sie sind essentiell für den Transkriptionsfaktor SHORT-ROOT, der die Zelldifferenzierung koordiniert und regulieren anscheinend auch andere Gene, die nicht direkt mit dem von SHORT-ROOT eingeleiteten Weg in Verbindung stehen, aber offenbar Einfluss auf die weitere Ausdifferenzierung der Zellen haben. Die BIRDs und SCARECROW können auch spezielle Gene der Endodermis aktivieren, die für die Ausbildung des Casparischen Streifens wichtig sind. Letztlich stellen die BIRDs und SCARECROW alle nötigen Informationen zur Verfügung, damit sich ein vollständiges Grundgewebe bilden kann. Sie sind damit wichtige Zutaten, die die Zellen für ihre Entwicklung benötigen.

Transkriptionsfaktoren wie die BIRDs regeln die Geschicke sämtlicher Zellen und sind damit entscheidend für die Entwicklung von speziellen Gewebetypen und Organen. Durch ihre Aktivität oder Passivität und die Interaktionen untereinander formt sich ein ausgeklügelter Mechanismus für die Festlegung zukünftiger Zellfunktionen in vielzelligen Organismen heraus. Das bessere Verständnis dieser Vorgänge ist wichtig für die Erforschung der Art und Weise, wie undifferenzierte Zellen sich weiter entwickeln, um ihre spätere Aufgabe erfüllen zu können. Transkriptionsfaktoren sind die Schaltzentralen für die Entwicklung und die Differenzierung eines Organismus. Somit kann es genügen, ein einzelnes oder einige wenige Gene zu variieren, um eine große Wirkung zu erzielen. Dies macht Transkriptionsfaktoren als „Master-Gene“ nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für die Pflanzenzüchtung interessant.


Quelle:
Moreno-Risueno, M. A. et al. (2015): Transcriptional control of tissue formation throughout root-development. In: Science, Vol 350, (23. Oktober 2015), doi: 10.1126/science.aad1171.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Wurzel der Modellpflanze Arabidopsis thaliana unterm Mikroskop. (Bildquelle: © iStock.com/defun)