Wachsen oder Blühen?

Gibberelline geben den Ausschlag

10.01.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Damit leckere Erdeeren entstehen können, muss die Pflanze zunächst Blütenstände ausbilden. (Bildquelle: © inphotography3 / Fotolia.com)

Damit leckere Erdeeren entstehen können, muss die Pflanze zunächst Blütenstände ausbilden. (Bildquelle: © inphotography3 / Fotolia.com)

Pflanzen wie Erdbeeren müssen sich entscheiden: Sollen sie Blütenstände produzieren oder Ausläufer bilden, um sich schnell in ihrer Umgebung auszubreiten? Diese Entscheidung fällen Pflanzen abhängig von vielen Faktoren. Erdbeerbauern würden dies gerne beeinflussen, um möglichst viele Früchte ernten zu können. In den vergangenen Monaten haben mehrere Forschungsgruppen Licht in die komplexen Zusammenhänge gebracht: Im Zentrum steht das Phytohormon Gibberellin.

Wer einmal Erdbeerpflanzen im Garten hat, der muss nie wieder neue Pflanzen kaufen. Die Blüte ist noch nicht vorbei, da beginnen die Pflanzen mit der vegetativen Vermehrung. Sie entwickeln zahlreiche Ausläufer (Stolonen), die erst Wurzeln bilden und aus denen nach dem Absterben der verbindenden Sprossen genetisch identische Tochterpflanzen entstehen. Doch was den Hobbygärtner freut, hat für Erdbeerbauern enorme ökonomische Konsequenzen. Denn für jeden Ausläufer verzichtet die Pflanze darauf, weitere Blütenstände und damit Früchte zu bilden. Wie diese Entscheidung reguliert ist, beginnt die Forschung jetzt langsam zu verstehen.

Ohne GA20-Oxidase keine Stolonen

Die Entscheidung zwischen Stolonen und Blütenständen wird durch eine Gibberellin-20-Oxidase beeinflusst. Gibberelline, abgekürzt GAs, sind Phytohormone, die in eine Vielzahl von Wachstumsprozessen eingreifen. An der Biosynthese der Gibberelline sind insgesamt sechs Enzyme beteiligt, darunter die GA20-Oxidase. Ist diese Oxidase durch eine Mutation inaktiv, ruht die Sprossachse und die Pflanze bildet zusätzliche Blütenstände, aber keine Stolonen mehr.

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Die Erdbeerpflanze links bildet nach rechts Ausläufer.

Die Erdbeerpflanze links bildet nach rechts Ausläufer.

Bildquelle: © Dr U/ wikimedia.org/ gemeinfrei

Ohne DELLA-Proteine nur noch Stolonen

Umgekehrt hat sich gezeigt, dass eine Mutation in einem DELLA-Gen die ausläuferlosen Pflanzen der Sorte „Yellow Wonder“ wieder dazu bringt, Stolonen zu bilden. Die DELLA-Proteine sind ebenfalls regulatorische Proteine und Gegenspieler der Gibberelline. Ohne aktive DELLA-Proteine entfalteten die Gibberelline ihre volle Wirkung und die Pflanzen entwickeln durchgängig neue Ausläufer.

Während die GA20-Oxidase vor allem in der Sprossachse gebildet wird, sind die DELLA-Proteine in der gesamten Pflanze präsent. Die Forscher gehen heute davon aus, dass das Konzentrationsverhältnis von Gibberellinen und DELLA-Proteinen darüber bestimmt, ob eine Pflanze Stolonen oder Blüten bildet. Den Gibberellinen dürfte bei diesem Regulationsprozess auch die Übermittler-Funktion von Umwelt- und pflanzeninternen Signalen zukommen.

Komplex regulierte Gibberelline

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Die Entscheidung zwischen Ausläufern oder Blütenständen wird durch ein Phytohormon, Gibberellin-20-Oxidase, beeinflusst.

Die Entscheidung zwischen Ausläufern oder Blütenständen wird durch ein Phytohormon, Gibberellin-20-Oxidase, beeinflusst.

Bildquelle: © pixabay/CC0

Die Regulation der Gibberelline gestaltet sich dabei äußerst komplex. Die Phytohormone regulieren DELLA-abhängig ihre Biosynthese selbst. Liegen sie in höheren Konzentrationen vor, kommt es zu einer chemischen Modifikation der DELLA-Proteine (Ubiquitinierung). Dadurch wird der Abbau der DELLA-Proteine eingeleitet. Gleichzeitig werden die Enzyme zur Produktion von neuen Gibberellinen - GA20-Oxidase und GA3-Oxidase – herunterreguliert und die GA2-Oxidase zum Abbau der Phytohormone hochreguliert. Bei niedrigen Gibberellin-Konzentrationen kommt es zu gegenteiligen Effekten.

DELLA-Proteine regulieren Genaktivitäten nicht durch direkte DNA-Bindung, sondern über deren Bindung an Transkriptionsfaktoren wie GAF1. 

Ohne aktive Gibberelline bildet sich der DELLA-GAF1-Komplex, der Wachstumsgene inhibiert. Dazu zählt auch die GA20-Oxidase, weshalb die Produktion der Gibberelline sinkt. Zusätzlich kann sich dann der sogenannte DELLA-PIF/BZR-Komplex formieren, der abhängig von der GA-Konzentration als Aktivator oder Inhibitor an unterschiedliche Promoterregionen bindet. Darüber beeinflusst die Gibberellinkonzentration auch die Keimung und das Wurzelwachstum.

Ergänzend zum eigenen komplexen regulatorischen Pfad wird die Aktivität der Gibberelline durch ihre Lokalisation in der Pflanze und durch Umweltfaktoren beeinflusst. Auch eine Interaktion mit Phytochromen (Photorezeptoren) wird vermutet.

Neue Wege für mehr Ertrag?

Viele Nutzpflanzen sind von Inzuchtdepression betroffen und müssen zur Ertragsstabiliserung vegetativ vermehrt werden. Oder die Erträge sollen durch mehr Blütenbildung wie bei der Erdbeere gesteigert werden. Sind die Gibberellin-Regulationswege in Zukunft noch besser verstanden, eröffnen sich neue maßgeschneiderte Züchtungsansätze für diese Ziele, so die Hoffnung der Wissenschaftler.


Quelle:
Martins, A.O. et al. (2018): To bring flowers or do a runner - Gibberellins make the decision. In: Molecular Plant, (14. Dezember 2017), doi: 10.1016/j.molp.2017.12.005.

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Titelbild: Damit leckere Erdeeren entstehen können, muss die Pflanze zunächst Blütenstände ausbilden. (Bildquelle: © inphotography3 / Fotolia.com)