Warum wilde Verwandte so nützlich sind

Reis widerstandsfähiger und ertragreicher machen

02.02.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein wilder Verwandter: Dies sind Körner von unkultiviertem wildem australischen Reis. (Bildquelle: © The University of Queensland)

Ein wilder Verwandter: Dies sind Körner von unkultiviertem wildem australischen Reis. (Bildquelle: © The University of Queensland)

Reis ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel weltweit. Ertragssteigerungen, die durch herkömmliche, züchterische Methoden zu erreichen sind, werden den rasant zunehmenden Bedarf an diesem Nahrungsmittel nicht decken können. Genomische Daten von wilden Reisverwandten können dabei helfen, modernen Kulturreis schneller als bisher widerstandsfähiger und ertragreicher zu machen. Unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen wurde dafür die Genome von sieben wilden Reisverwandten und zwei kultivierten Reis-Varietäten sequenziert.

Reis ernährt über die Hälfte der Menschheit. Damit das auch so bleibt, müssen die Eigenschaften der Reispflanze rasch züchterisch verbessert werden. Denn die Zeit drängt: Bereits im Jahr 2050 sollen Prognosen zufolge 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Gleichzeitig werden die klimatischen Verhältnisse in vielen heute noch gemäßigten Zonen extremer werden. Klimaforscher gehen von häufigeren Starkregenfällen, aber auch von längeren Hitze- und Trockenperioden aus. Das wiederum fördert die Verbreitung von Krankheitserregern und schwächt die Widerstandskraft der Pflanzen.

Klimakiller Reis

Der Reisanbau selbst fördert den Klimawandel. Unsere heutigen Reisfelder gehören zu den größten, vom Menschen verursachten Methanproduzenten weltweit: Steht das Wasser auf den Feldern, ist der Boden versiegelt. Zudem geben Reispflanzen Nährstoffe in den Boden ab, die das Wachstum von methanbildenden Bakterien begünstigen. Im versiegelten Boden bilden diese Bakterien unter den Reisfeldern jährlich 25 bis 100 Millionen Tonnen Methan, die schließlich in die Atmosphäre gelangen. Wird mehr Reis auf der Erde angebaut, um immer mehr Menschen zu ernähren, verschärft sich dieses Problem.

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Die wilden Verwandten unseres Reises beherbergen zahlreiche wertvolle Eigenschaften, mit denen sich der moderne Reis verbessern lässt.

Die wilden Verwandten unseres Reises beherbergen zahlreiche wertvolle Eigenschaften, mit denen sich der moderne Reis verbessern lässt.

Bildquelle: © International Rice Research Institute (IRRI)

Die Nahrungspflanze Reis steht in Zukunft vor zahlreichen Herausforderungen: Sie muss ertragreicher, widerstandsfähiger und klimafreundlicher werden. Wie lassen sich diese vielfältigen Anforderungen in die Praxis umsetzen?

Wilde Verwandte gut angepasst

Dieser Frage hat sich ein internationales Wissenschaftler-Team gewidmet. Basis der Forschungsarbeit sind die wilden Verwandten unseres heutigen Kulturreises. Diese sind zwar in den allermeisten Fällen weit weniger ertragreich, dafür aber sehr gut an verschiedene Standorte mit unterschiedlichen Klimaverhältnissen und Bedrohungen durch Krankheitserreger angepasst. Dank dieser Fähigkeiten bieten die wilden Reisverwandten ein wertvolles, genetisches Reservoir, mit dem sich auch unser heutiger Kulturreis „fit“ machen lässt.

Sieben wilde Reisverwandte sequenziert

Das Team aus Wissenschaftlern – unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen – hat in einer aktuellen Arbeit dazu die Genome von sieben wilden Reisverwandten und zwei kultivierten Reis-Varietäten (IR8 and N22) sequenziert. IR8 (IR steht für internationale Reisssorte) ist auch als „Wunderreis“ bekannt. Sie wurde vom Internationalen Reisforschungszentrum (IRRI) als Hochleistungssorte entwickelt und während der Grünen Revolution in den 1960er Jahren in Asien angebaut. Damals konnte dieser besonders ertragreiche Reis eine weltweite Hungersnot verhindern. Heute dient die Genomsequenz dieser Reissorte als Referenzsequenz, mit der sich die Genomsequenzen wilder Vorfahren vergleichen lassen.

Reispflanzen an die Bedürfnisse der Landwirte und der Verbraucher anpassen

Ruaraidh Hamilton leitet die Genbank des Internationalen Reisforschungszentrums. In der aktuellen Sequenzierungsarbeit sieht er großes Zukunftspotential: „Die genetischen Codes ermöglichen es den Reiszüchtern, Gene der wilden Reisverwandten zu nutzen, um ihre Reispflanzen an die Bedürfnisse der Landwirte und der Verbraucher anzupassen. Sie werden uns außerdem unserem Ziel ein Stück näherbringen, die Nahrungssicherheit und die Nährstoffversorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit Hilfe einer nachhaltigen Reisproduktion zu gewährleisten.“

Reis wurde zweimal unabhängig domestiziert

Reis ist einmalig in der Geschichte unserer Kulturpflanzen: Die 27 verschiedenen Oryza-Arten blicken auf eine etwa 15 Millionen jährige Evolution zurück. Daraus resultierten 11 verschiedene Genomtypen, wovon 6 Genomtypen diploid sind, also einen doppelten Chromosomensatz besitzen wie der Mensch. Zu dieser Gruppe gehört auch der heutige, kultivierte Reis. Der ursprüngliche, wilde Reis wurde zweimal unabhängig voneinander von Menschen domestiziert: Oryza sativa vor etwa 10.000 Jahren in Asien und Oryza glaberrima vor etwa 3.000 Jahren in Afrika.

Um die genetischen Ressourcen von wilden Reisverwandten schnell für die Verbesserung der heutigen Reisvarietäten nutzen zu können, brauchen Züchter unbedingt Informationen über die genomischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. „Die praktische Umsetzbarkeit unserer Sequenzdaten zeigte sich, als wir einen schon seit langer Zeit gesuchten Resistenzlocus für M. oryzae gefunden haben“, schreiben die Wissenschaftler. Mit diesen Daten könnte der Wettlauf gegen die Zeit und die rasant anwachsende Zahl an hungrigen Menschen auf der Erde gelingen.


Quelle:
Stein, J. C. et al. (2018): Genomes of 13 domesticated and wild rice relatives highlight genetic conservation, turnover and innovation across the genus Oryza. In: Nature Genetics, (22. Januar 2018), doi: 10.1038/s41588-018-0040-0.

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Titelbild: Ein wilder Verwandter: Dies sind Körner von unkultiviertem wildem australischen Reis. (Bildquelle: © The University of Queensland)