„Weizen ist der Popstar unter den Getreiden!“

Interview mit Dr. Klaus Mayer

18.07.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Analyse des Weizengenoms erfordert eine Speicherkapazität von rund 100 Terrabyte oder 100.000 Gigabyte. (Bildquelle: © Rainer Sturm/ pixelio.de)

Die Analyse des Weizengenoms erfordert eine Speicherkapazität von rund 100 Terrabyte oder 100.000 Gigabyte. (Bildquelle: © Rainer Sturm/ pixelio.de)

Klaus Mayer arbeitet am Helmholtz Zentrum in München und leitet die Arbeitsgruppe Pflanzengenome und Systembiologie. Im Gespräch mit Pflanzenforschung.de spricht er über Fluch und Segen von interdisziplinären Konsortien und warum wir eine nachhaltige Dateninfrastruktur brauchen.

Pflanzenforschung.de: Herr Mayer, Sie haben Biologie studiert und sind dann in die Bioinformatik abgedriftet. Wie kam es dazu?

Klaus Mayer: Zu meiner Zeit war Bioinformatik noch gar kein eigenständiges Studienfach. Als die Sequenzierung des Genoms von Arabidopsis thaliana begann, hatte ich gerade meine Promotion zu dieser Pflanze abgeschlossen. Durch mein Wissen über Arabidopsis bin ich in das Projekt und die Genombiologie an sich hineingerutscht.

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Dr. Klaus Mayer arbeitet am Helmholtz Zentrum in München und leitet die Arbeitsgruppe Pflanzengenome und Systembiologie.

Dr. Klaus Mayer arbeitet am Helmholtz Zentrum in München und leitet die Arbeitsgruppe Pflanzengenome und Systembiologie.

Bildquelle: © Klaus Mayer

Pflanzenforschung.de: Sind solche Quereinstiege auch heute noch denkbar?

Klaus Mayer: Ich denke nicht, die Bioinformatik hat sich einfach zu schnell entwickelt. Inzwischen braucht man sehr viel Spezialwissen, man muss bestimmte Programmiersprachen können und sich mit Datenbanksystemen auskennen, auch maschinelles Lernen ist gefragt. Ich finde es aber sehr wichtig und hilfreich, bei großen Projekten in interdisziplinären Konsortien zusammenzuarbeiten.

Pflanzenfoschung.de: Gilt das auch für ihr Labor?

Klaus Mayer: Ja, wir sind eine Mischung aus Biologen, BioinformatikerInnen und Informatikern. Die Herausforderung besteht vor allem in der Verständigung zwischen den Kulturen. Man muss eine gemeinsame Sprache finden, das ist nicht immer ganz einfach. Trotzdem  glaube ich, dass die Ergebnisse dadurch breiter und besser werden. Wir brauchen einerseits Leute mit einem großen Wissen über einzelne Pflanzen wie Weizen oder Gerste. Andererseits auch Menschen wie mich, die viel Erfahrung darin haben, aus großen Datenmengen Informationen herauszuholen und in einem biologisch sinnvollen Kontext zu interpretieren.

Pflanzenforschung.de: Sie generieren bei der Analyse von Genomen Unmengen von Daten. Was verursacht dabei die meisten Probleme?

Klaus Mayer: Unser größtes Problem ist zurzeit die Nachhaltigkeit. Die Fördergelder fließen meist nur für drei bis vier Jahre. In der Zeit werden Daten generiert, ausgewertet und veröffentlicht. Aber dann läuft das Projekt aus und die Frage ist, was dann mit den Daten geschieht. Schließlich stecken da noch viele Informationen drin, die in der kurzen Zeit nicht analysiert werden konnten. Bei klassischen Laborexperimenten stellt man nach Ablauf eines Projekts einfach sein Laborbuch ins Regal, in dem alle Experimente beschrieben und dokumentiert sind. Aber in der Bioinformatik ist das anders. Wir brauchen riesige Speicher.

Pflanzenforschung.de: Von welcher Größenordnung sprechen wir denn ungefähr?

Klaus Mayer: Allein die Analyse des Weizengenoms generiert locker 100 Terabyte. Zwar kann ich immer neue Speicherkapazitäten zukaufen, aber das ist noch keine nachhaltige Dateninfrastruktur. Die Speicher müssen auch gepflegt werden, damit ich die Daten nach zwei, drei oder vier Jahren noch nutzen kann.

Pflanzenforschung.de: Ist das ein Problem der deutschen Forschungslandschaft?

Klaus Mayer: Oh nein, dass betrifft weltweit wirklich jeden. Oft behelfen die Wissenschaftler sich damit, zumindest die Sequenzdaten einfach bei GenBank abzulegen, aber damit kann niemand etwas anfangen. Denn die Sequenz allein sagt mir noch gar nichts, ich brauche auch die Genannotation um die Analysen anderer Forschungsgruppen nachvollziehen zu können. Wenn ich aber diese Daten nicht bekomme und deshalb Ergebnisse nicht nachvollziehen kann, kann ich auch nicht darauf aufbauend tiefergehende Analysen durchführen und eine Fragestellung weiter verfolgen. Daneben, und das halte ich für äußerst problematisch, öffnet beschränkte Verfügbarkeit dem Missbrauch Tür und Tor.

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Klaus Mayer forscht im Rahmen des PLANT 2030-Projekts TRITEX an Triticeae-Genomen. Mehr zum Projekt ...

Klaus Mayer forscht im Rahmen des PLANT 2030-Projekts TRITEX an Triticeae-Genomen.
Mehr zum Projekt ...

Pflanzenforschung.de: Warum wird so wenig Energie in den Aufbau einer guten Dateninfrastruktur gesteckt?

Klaus Mayer: Das hängt sicher auch mit dem Wissenschaftssystem zusammen. Artikel zu Datenbanksystemen und Datenkollektionen lassen sich schlecht publizieren, dadurch ist dieses Forschungsfeld nicht sehr attraktiv.

Pflanzenforschung.de: Sollten alle Daten aus Forschungsprojekten generell für jeden frei zugänglich sein?

Klaus Mayer: Die allgemein anerkannte Philosophie ist schon, dass die Veröffentlichung von Daten einen Mehrwert generiert. Eine Gruppe alleine könnte unmöglich alles auswerten. Es gibt immer Forscher, die sich zum Beispiel besonders für einzelne Gene oder Stoffwechselwege interessieren und dann tiefergehende Analysen vornehmen. Ab und zu gibt es jedoch berechtigte Ängste der Wissenschaftler, dass ihnen die Butter vom Brot genommen wird, wenn sie ihre Daten zu früh veröffentlichen. Dass also eine andere Gruppe schneller bei der Auswertung ist und als erste ein tolles Paper publizieren kann.Aber Forschungsprojekte werden zum großen Teil aus Steuergeldern finanziert, deshalb sollten die Daten generell frei zugänglich sein. Nur wann genau das passieren muss, darüber besteht nicht immer Konsens.

Pflanzenforschung.de: Sie sind Mitglied im internationalen Weizen-Sequenzierkonsortium (IWGSC), forschen aber auch an anderen Getreiden wie Gerste. Gibt es da Synergie-Effekte?

Klaus Mayer: Auf jeden Fall! Weizen ist zwar der Popstar unter den Getreiden und Gerste dagegen steht nicht so sehr im Rampenlicht. Aber viel Wissen und immenses technologisches Know-how wurde zuerst in Gerste entwickelt und dann auch beim Weizen angewendet.

Pflanzenforschung.de: Herr Mayer, wir danken Ihnen für das Gespräch!


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Titelbild: Die Analyse des Weizengenoms erfordert eine Speicherkapazität von rund 100 Terrabyte oder 100.000 Gigabyte, erklärt Klaus Mayer im Interview. (Bildquelle: © Rainer Sturm/ pixelio.de)

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