Wenn man selbst zum Feind wird

Pflanzliches Immunsystem bekämpft spezielle eigene Proteine

05.12.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Obere und untere Reihe: Arabidopsis Stämme aus verschiedenen Regionen der Welt. Die jeweiligen Hybride befinden sich in der Mitte. (Bildquelle: © E. Chea, MPI für Entwicklungsbiologie)

Obere und untere Reihe: Arabidopsis Stämme aus verschiedenen Regionen der Welt. Die jeweiligen Hybride befinden sich in der Mitte. (Bildquelle: © E. Chea, MPI für Entwicklungsbiologie)

Auch Pflanzen können an Autoimmunreaktionen leiden. Wie beim Menschen, richtet sich dann die Abwehr gegen eigenes Gewebe, das versehentlich als fremd und schädlich eingestuft wird. Das Phänomen tritt häufiger bei Kreuzungen von genetisch unterschiedlichen Eltern auf. Tübinger Forscher haben nun entdeckt, dass oft Proteine bestimmter Immungene bekämpft werden.

Da Pflanzen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Krankheitserreger in Berührung kommen, ist ein starkes Immunsystem überlebensnotwenig. Doch jede Pflanzenpopulation hat eine unterschiedliche Ausstattung an Immungenen, um sich gegen die Feinde zur Wehr zu setzen.

Im Normalfall läuft die Abwehrreaktion so ab, dass die Pflanze bei einem Angriff von Krankheitserregern, die es bereits ins Innere der Zelle geschafft haben, die Gefahr über spezielle Immunrezeptoren erkennt. Diese sind eine Art molekularer Schalter, die Schutzmechanismen in Gang setzen. Die meisten Immunrezeptoren zählen zur Familie der sogenannten Nukleotid-bindenden und Leucin-reichen (NB-LRR-) Proteine. Diese Bezeichnung bezieht sich auf die strukturellen Eigenschaften der Proteine. Um sich nun gegen eine Vielzahl von unterschiedlichen Krankheitserregern zur Wehr zu setzen, benötigt die Pflanze auch viele dieser Resistenzproteine.

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„Bemerkenswerterweise stammten die verantwortlichen Eiweiße fast immer von nur einer kleinen Anzahl hochvariabler Immungene, obwohl es von diesen Genen über hundert in der Pflanze gibt“, sagt Eunyoung Chae, die Erstautorin der Studie.

„Bemerkenswerterweise stammten die verantwortlichen Eiweiße fast immer von nur einer kleinen Anzahl hochvariabler Immungene, obwohl es von diesen Genen über hundert in der Pflanze gibt“, sagt Eunyoung Chae, die Erstautorin der Studie.

Bildquelle: © MPI für Entwicklungsbiologie

Bei Kreuzungen genetisch verschiedener Eltern (Hybride), kommt es jedoch auch vor, dass zwei Immunsysteme in den Nachkommen zusammentreffen, die kombiniert eher Schaden anrichten. Autoimmunität ist die Folge: Die Abwehr richtet sich dann gegen pflanzeneigenes Gewebe. Das kann das Wachstum beeinträchtigen oder gar zum Tod der Pflanze führen.

Genetische Grundlagen untersucht

Um die zugrundeliegenden Ursachen dieses Phänomens zu erforschen, haben Wissenschaftler vom Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie über 6.400 Kreuzungen der Art Arabidopsis thaliana systematisch untersucht. Die verwendeten Elternlinien deckten fast die gesamte genetische Bandbreite der Art ab.

Dabei entdeckten sie, dass der „Bauplan“ für die fälschlicherweise als Fremdkörper angesehenen Proteine meist von nur wenigen Genen kommt: „Bemerkenswerterweise stammten die verantwortlichen Eiweiße fast immer von nur einer kleinen Anzahl hochvariabler Immungene, obwohl es von diesen Genen über hundert in der Pflanze gibt“, sagt Eunyoung Chae, die Erstautorin der Studie. Dabei spielte sehr oft ein Gencluster von NB-LRR-Genen namens DANGEROUS MIX 2 (DM2) eine Rolle, so die Forscher.

Wissen kann helfen, inkompatible Kreuzungen zu vermeiden

Bestimmte Kombinationen von Immungenen waren oft sogar tödlich für die Pflanzen. Treten diese Immungene einzeln auf, müssen diese höchstwahrscheinlich einen Vorteil in der pflanzlichen Abwehr haben, so dass dieses sich evolutionär gesehen, im Genom der Pflanzenart erhalten haben. Dadurch wird auch eine Grenze der Pflanzenzüchtung aufgezeigt. Denn nicht alles, was vorteilhaft beim Kampf gegen ein Pathogen ist, lässt sich beliebig kombinieren. Deshalb versuchen Züchter mit ihrem Know-how Vorhersagen zu treffen, wie sich bestimmte Gene am Besten kombinieren lassen, um eine vorteilhafte Wirkung zu erzielen. Sie bezeichnen dies als „Combining Ability“.

Weiß man welche Gen-Kombinationen sich für die Pflanze schädlich auswirken, kann man gezielt inkompatible Kreuzungen vermeiden. Es ist nun noch weitere Forschung notwendig, um zu identifizieren, welche Immungene besonders gefährlich sind. Das Wissen kann dann nicht nur bei der Modellpflanze Arabidopsis angewendet werden, sondern auch bei anderen Nutzpflanzen. Hier werden Hybriden geschätzt, da sie auch oft leistungsfähiger sind als Ihre Eltern, dies wird auch Heterosis-Effekt genannt. Hat man mehr Wissen darüber, ob auch die Immunsysteme der Eltern miteinander kombinierbar sind, kann man das auch das Risiko von kleinen und kraftlosen Pflanzen senken. Denn auch wenn die Inkompatibilität sich nicht tödlich auswirkt oder die Pflanze offensichtlich geschädigt ist, kann die Entwicklung und das Wachstum eingeschränkt sein.


Quelle:

Chae, E. et al. (2014): Species-wide Genetic Incompatibility Analysis Identifies Immune Genes as Hot Spots of Deleterious Epistasis. In: Cell, (online 20. November 2014), doi: 10.1016/j.cell.2014.10.049.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Obere und untere Reihe: Arabidopsis Stämme aus verschiedenen Regionen der Welt. Die jeweiligen Hybride befinden sich in der Mitte. (Bildquelle: © E. Chea, MPI für Entwicklungsbiologie)