Wie bekommen wir „10 Milliarden“ satt?

Neuer Film über Weltbevölkerung und Ernährungssicherung

16.04.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bis 2050 wird, Schätzungen zufolge, die Weltbevölkerung auf 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Wie muss unsere Landwirtschaft aussehen, wenn wir alle ernähren wollen? (Bildquelle: © iStock.com/SteveMcsweeny)

Bis 2050 wird, Schätzungen zufolge, die Weltbevölkerung auf 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Wie muss unsere Landwirtschaft aussehen, wenn wir alle ernähren wollen? (Bildquelle: © iStock.com/SteveMcsweeny)

Heute, am 16. April 2015,  läuft der Film „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ von Regisseur Valentin Thurn in den Kinos an. Der Film widmet sich einer wichtigen Problematik und beleuchtet unterschiedliche Lösungsansätze für das Problem, alle Menschen auf der Erde mit ausreichend gesunden Nahrungsmitteln zu versorgen – auch in Zukunft.

Der Film „10 Milliarden“ liefert keine fertige Lösung für das Problem, wie wir die wachsende Weltbevölkerung ernähren können, denn es ist sehr komplex und die Situation in Industrienationen wie Deutschland ist schwer mit der in Entwicklungsländern wie Afrika zu vergleichen. Dennoch scheint für Regisseur Valentin Thurn klar: So wie jetzt kann es nicht weitergehen.

Essen ist keine Ware wie jede andere

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Deutscher Trailer zum Film.
(Quelle: Prokino / youtube.com)

Der Film vergleicht konventionelle Landwirtschaft mit ökologischem Landbau, befragt die Agrarindustrie wie Saatgut- und Mineraldüngerhersteller, wirft einen Blick in Forschungslabore, in riesige Gewächshäuser innerhalb von Städten und reist in unterschiedliche Länder, darunter nach Afrika, Japan, Indien und in die USA.

Die Autoren vermeiden es, plakative Aussagen wie „esst kein Fleisch mehr“ oder „Bio ist die alleinige Lösung“ zu verbreiten. Und doch ist der Film nicht wertfrei. Valentin Thurn und Co-Autor Sebastian Stobbe positionieren sich direkt gegen den globalen Weltmarkt mit Nahrungsmitteln und lassen oft auch die Bildsprache für sich sprechen. Glückliche und sympathische Bio-Bauern, die ihre Kühe auf der Weide begrüßen und spielende Kinder auf dem Bauernhof, stehen eher steifen Wirtschaftsvertretern und Wissenschaftlern gegenüber, die nur einseitige Lösungen parat zu haben schienen. Ob diese Bilder eine allgemeingültige Realität wiedergeben, bleibt offen.

Eine Aufforderung des Films ist: Wir sollten lokal und nicht so sehr global denken. Ein Vorteil ist, dass regional erzeugtes Essen weniger Transport- und Lagerkosten verbraucht und somit Energie. Ein Teil der Lösung soll es laut dem Autoren-Team sein, im Fall der Grundversorgung weniger abhängig vom Weltmarkt zu werden. Hin zu regionaler Souveränität. Welche Folgen es hätte, wenn in einer globalisierten Welt mit globalen Märkten für Rohstoffe, Industriegüter, Konsumgütern und Technologien die landwirtschaftliche Produktion herausgenommen werden würden, wird dagegen nicht betrachtet. Verhaftet bleibt die in der Politik verbreitete Floskel, dass „Regional das neue Bio“ ist.  

Fleischverbot ist keine Lösung!

Auch das Thema Fleischkonsum spielte eine wichtige Rolle im Film. Zu Recht, denn den größten Flächenbedarf in der Landwirtschaft hat die Produktion von Futter. Die Quintesse im Film ist jedoch nicht, gar kein Fleisch mehr zu essen. Aber wir sollten unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren. Denn die für die Nutztiere benötigen Futterflächen können alternativ für den Anbau von Nahrungsmitteln für den direkten menschlichen Verzehr genutzt werden.

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Wir müssen unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren. Die Quintesse des Films ist jedoch nicht, gar kein Fleisch mehr zu essen.

Wir müssen unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren. Die Quintesse des Films ist jedoch nicht, gar kein Fleisch mehr zu essen.

Bildquelle: © heebyj - Fotolia.com

„Es gibt auch „gutes“ Fleisch“, betont Thurn bei der Filmpremiere in Berlin. Auf einigen Flächen können aus Standortgründen auch gar keine Nutzpflanzen für die Ernährung angebaut werden, diese eigenen sich als Weideflächen für Tiere. Und auch in der Landwirtschaft kann das Nebeneinander von Tieren und Nutzpflanzenflächen gewinnbringend sein. Fruchtfolgen, Agro-Biodiversität, Koppelnutzung sind wichtige Stichworte, die deutlich machen, dass Schwarz-Weiß zu kurz greift und die Landwirtschaft nicht als System begreift.

Die Umwelt darf dabei nicht vergessen werden

Darüber hinaus ist es Thurn wichtig, auf einen Fakt aufmerksam zu machen: „Landwirtschaft kann auch CO2-negativ sein, also Kohlendioxid binden“. Wir müssen mit den verfügbaren Ressourcen gut umgehen. Die Umwelt und unsere globale Biodiversität dürfen nicht unter unserer Nahrungsmittelerzeugung leiden, so das Credo. Vielfalt bewahren und nachhaltig agieren sind dafür der Schlüssel.

Angewandte Bildung ist wichtig

Eine Szene des Films spielt in Afrika. Eine Kleinbäuerin erwähnt nebensächlich, dass sie eine Schulung erhalten hat, um nun Gemüse anzubauen. „Ja, Bildung ist wichtig“, erklärt Thurn, aber er sagt auch klar, dass es nur sinnvoll ist, wenn Ziele und Strategien mit den Kleinbauern zusammen erarbeitet werden. So hat die angewandte Bildung auch langfristig positive Effekte.

Neben der Bildung und Beratung von Bauern zur Wissensvermittlung, ist auch Forschung entscheidend. Denn ohne Forschung wäre die Landwirtschaft mit ihren heute gebräuchlichen Technologien, Methoden und Produktionsmitteln nicht möglich. Und wir kommen an Grenzen, Grenzen des Möglichen und Machbaren. Forschung und Innovationen sind nötig, um eine Landwirtschaft zu entwickeln, die produktiv und nachhaltig ist.

Der Film beleuchtet auch neue Entwicklungen und komplett neues Denken. Einige der im Film vorgestellten Projekte stellen völlig neue Produktionsmethoden vor. Beispielsweise die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen in Hochhäusern in den urbanen Ballungsräumen, den Mega-Cities, die schon allein aufgrund ihrer Flächenausdehnung und Konzentration an Menschen nicht mehr ökologisch und ökonomisch sinnvoll ernährt werden können. Landwirtschaft in die Höhe gedacht, erschließt neue vor allem aber zusätzliche Produktionsflächen. Vertical- oder Sky-Farming sind die Begriffe für diese Form der Landwirtschaft, für die ein hoher Forschungs-, Entwicklungs- und Investitionsbedarf besteht.  

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Ohne Forschung und Innovationen werden wir nicht weit kommen.

Ohne Forschung und Innovationen werden wir nicht weit kommen.

Bildquelle: © iStock.com/borzywoj

Ein anderes Zukunftsthema ist die Idee, Nahrungsmittel in ihren molekularen Strukturen im Labor oder im 3D-Drucker wachsen zu lassen. Auch dies kennt man aus anderen Filmen, aus Science-Fiction. In der Grundlagenforschung versucht man im Moment, das Konzept zu prüfen. Erste Fachpublikationen gibt es bereits. Im vergangenen Jahr sorgte ein Hamburger aus dem Labor für mediale Furore – auch das künstlich erzeugte Fleisch wird im Film porträtiert. Die Botschaft hinter diesen Forschungen ist, dass 10 Milliarden Menschen nicht mit den derzeitigen Methoden ausreichend und gesund ernährt werden können. Umdenken ist nötig, auch bzw. vor allem was die Investitionen in die Landwirtschaft, die Forschung und Entwicklung angeht und zwar weltweit.

Soll kein Nischenthema bleiben

So ein Film ist nicht von heute auf morgen gemacht. Drei Jahre hat es von der Idee zum fertigen Film gedauert, sagt Thurn. Das beinhaltet viel Recherche, Dreharbeiten an vielen Orten der Erde und der anschließende Schnitt des Filmmaterials. Das Ergebnis soll nicht nur für ein Fachpublikum sein. Der Film ist daher nicht nur auf Deutsch, sondern auch als Englische Version verfügbar und öffnet sich so einem breiteren Publikum. Dennoch bleibt es selbst für ein populäres Medium wie einen Kinofilm schwer, Menschen zu erreichen, die sich mit dem Thema nicht ohnehin schon beschäftigen. Allerdings trifft der Film einen Nerv der Zeit. Viele Menschen beginnen sich mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen und stellen sich die Frage „Wo kommen unsere Nahrungsmittel her und wie werden diese produziert?“.

Der Film ist politisch und will es auch sein. Er könnte einen öffentlichen Diskurs unterstützen. Die übergeordnete Botschaft ist klar: Jeder kann handeln und der eigene Konsum kann einen Wandel herbeiführen. Die Redaktion von Pflanzenforschung empfiehlt: ansehen und gerne an dieser Stelle kommentieren.