Wie entstehen Arten?

Evolution und Artbildung

16.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Emmer entstand aus einer Kreuzung zwischen dem wilden Einkorn und einem Wildgras (Aegilops speltoides). (Quelle: © Janine Fretz Weber-Fotolia.com)

Emmer entstand aus einer Kreuzung zwischen dem wilden Einkorn und einem Wildgras (Aegilops speltoides). (Quelle: © Janine Fretz Weber-Fotolia.com)

Neue Arten entstehen gewissermaßen durch zufällige, genetische Veränderungen. Bringt sie im herrschenden Ökosystem Vorteile kann sie sich als erfolgreiche, neu erworbene Eigenschaft durchsetzen. Die Isolation vom Rest der Population sorgt schließlich dafür, dass sich eine ganz neue Art entwickelt.

Die Artbildung ist eng mit dem verbunden, was wir heute unter Evolution verstehen.

Evolution bedeutet, dass sich bestimmte Merkmale von Lebewesen einer Art, die in einer Population zusammenleben, über mehrere Generationen verändern können. Das geschieht über verschiedene Mechanismen, die über einen langen Zeitraum hinweg die Veränderung dieser Gruppe von Lebewesen bewirken und ihre Anpassung an eine sich verändernde Umwelt ermöglichen. Diese charakteristischen Merkmale definieren schließlich eine spezielle Art. Mit fortschreitender Evolution bilden sich so Gruppen ähnlicher Arten heraus, die eine vergleichbare Entwicklung durchlaufen, sich aber in einigen Merkmalen unterscheiden, so dass man sie nicht mehr als eine Art zusammenfassen kann. Sie stellen somit Gattungen oder Familien dar. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist, dass sich Individuen verschiedener Arten nicht mehr untereinander fortpflanzen können.

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Was ist eine Art?

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Bildquelle: © Dreamdan/wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Arten erhalten sich durch den ständigen Austausch von Genmaterial innerhalb ihres Genpools bei der sexuellen Fortpflanzung. Durch diese permanente Rekombination von Erbmaterial entstehen ständig neue Gen- und somit auch Merkmalskombinationen. Ebenso werden durch Rekombination zufällig entstandene Mutationen (Allele) weitergegeben. Dadurch entsteht beispielsweise durch geringfügige Änderungen der Basenabfolge eines Gens eine Änderung der Blütenfarbe. Zudem kommt neue Erbinformation aus anderen Populationen dazu, bei Pflanzen zum Beispiel durch den Eintrag von Pollen durch wandernde Insekten (Genfluss).

Keine Anpassung ohne genetische Variabilität

Alle Mechanismen zusammen ergeben die genetische Variabilität innerhalb einer Population, die es ihr ermöglicht, sich an die Umwelt anzupassen, wobei die günstigsten Merkmalskombinationen auch die besten Überlebenschancen haben und dementsprechend oft weitergegeben werden, während weniger günstige wieder verschwinden (natürliche Selektion). Dabei gilt: Je höher die genetische Variabilität, desto anpassungsfähiger ist die Population gegenüber Veränderungen. Die Individuen stehen dabei mit ihren individuellen Merkmalskombinationen in Konkurrenz zu anderen Individuen mit speziellen Kombinationen. Diejenigen mit günstigen Merkmalskombinationen, haben oftmals einen höheren Reproduktionserfolg, können sich also häufiger fortpflanzen. Die Konkurrenz innerhalb einer Population testet damit gewissermaßen die Tauglichkeit der aktuellen Merkmale und stellt sicher, dass die besten weitergegeben werden.

Ein weiterer Faktor, der einen starken Einfluss auf die Evolution einer Art hat, ist die sogenannte Gendrift. Sie besagt, dass Mutationen bei der Fortpflanzung zufällig weitergegeben werden. Ein neues Gen muss also nicht zwangsläufig an die nachfolgende Generation vererbt werden, auch wenn es ein wichtiges Merkmal codiert. Besonders bei kleinen Populationen, die nur einen kleinen Bereich der genetischen Variabilität zur Verfügung haben, kann dieser Zufallsfaktor große Auswirkungen haben, da driftende Gene  auch aus einer kleinen Population verschwinden können und damit die genetische Vielfalt dieser Population verringern (genetischer Flaschenhals).

Gendrift und natürliche Selektion sind die beiden entscheidenden Evolutionsfaktoren bei der Entstehung und Entwicklung von Arten. Sobald sich die Frequenz eines Gens innerhalb eines Genpools durch Selektion oder Gendrift ändert, spricht man von Evolution.

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Individuen einer Population können vor oder nach der Fortpflanzung genetisch isoliert werden. Vor der Fortpflanzung geschieht dies z.B. durch die räumliche Trennung durch eine Bergkette.
Pre-zygotische (= vor der Fortpflanzung stattfindende) Isolationsmechanismen der Artbildung:

räumliche Trennung (Habitatisolation),
unterschiedliche Fortpflanzungszeiten (zeitliche Isolation),
anatomische Inkompatibilität (mechanische Isolation) oder
nicht mehr zueinander passende Fortpflanzungszellen (gametische Isolation).

Postzygotische (= nach der Fortpflanzung stattfindende) Isolationsmechanismen der Artbildung:

nicht lebensfähige oder lebensschwache Nachkommen (Bastardsterblichkeit)
sterile Nachkommen (Bastardsterilität) oder
die Folgegeneration (F2) ist nicht lebensfähig (F2-Zusammenbruch).

Individuen einer Population können vor oder nach der Fortpflanzung genetisch isoliert werden. Vor der Fortpflanzung geschieht dies z.B. durch die räumliche Trennung durch eine Bergkette.

Pre-zygotische (= vor der Fortpflanzung stattfindende) Isolationsmechanismen der Artbildung:

  • räumliche Trennung (Habitatisolation),
  • unterschiedliche Fortpflanzungszeiten (zeitliche Isolation),
  • anatomische Inkompatibilität (mechanische Isolation) oder
  • nicht mehr zueinander passende Fortpflanzungszellen (gametische Isolation).

Postzygotische (= nach der Fortpflanzung stattfindende) Isolationsmechanismen der Artbildung:

  • nicht lebensfähige oder lebensschwache Nachkommen (Bastardsterblichkeit)
  • sterile Nachkommen (Bastardsterilität) oder
  • die Folgegeneration (F2) ist nicht lebensfähig (F2-Zusammenbruch).

Bildquelle: © iStockphoto.com/ WL Davies

Neue Arten entstehen durch Isolation

Der Prozess der Artbildung ist auch heute noch in vollem Gange. Neue Arten entstehen zum Beispiel, wenn der Genfluss zwischen Populationen behindert wird, so dass kein Austausch von Genmaterial mehr stattfinden kann. Eine mögliche Ursache ist die Besiedlung von räumlich voneinander getrennten Arealen. Diese Trennung kann geologische Ursachen haben (Erdbeben, Vulkanausbruch) oder durch das Abwandern einer Population (z. B. durch Nahrungsmangel) bewirkt werden.

Ob sich aus den getrennten Populationen tatsächlich getrennte Arten entwickeln, zeigt sich in der Regel erst, wenn Individuen dieser Arten wieder aufeinander treffen. Sind sie nach wie vor untereinander fortpflanzungsfähig, ist noch keine eigene Art entstanden, sondern es wurden nur unterschiedliche Variationsbreiten eines Merkmals ausgebildet, die der jeweiligen Umwelt entsprechen. Sind sie aber nicht mehr miteinander kompatibel, hat die Bildung neuer Arten begonnen. Ursache hierfür sind die sogenannten Isolationsmechanismen. Sie bewirken, dass die Mitglieder der beiden Arten nicht mehr auf der „gleichen Wellenlänge“ funken, dass sie zum Beispiel unterschiedliche Blühzeiten entwickelt haben oder unterschiedliche Bestäuber anlocken, so dass es nicht zur Fortpflanzung kommen kann. In Fällen, wo es doch Nachkommen (Hybriden) gibt, sind diese oftmals nicht lebensfähig oder nicht fortpflanzungsfähig. Man unterscheidet diese Isolationsmechanismen in präzygotische (= vor der Fortpflanzung stattfindende) und postzygotische (= nach der Fortpflanzung stattfindende). Bei der ersteren kann es sich beispielsweise um eine räumliche Trennung handeln. Eine postzygotische Isolation tritt beispielsweise ein, wenn die Nachkommen steril sind.

Polyploidie

Die Entstehung von Hybriden (Tochtergeneration aus der Mischung zweier verschiedener Arten) kann vor allem bei Pflanzen auch noch zu einem anderen Effekt führen. Durch eine nicht durchgeführte Trennung der Chromosomenpaare in den normalerweise haploiden Pollen und /oder Eisackzellen der Elternteile kann es bei der Kreuzung zu einer Verdopplung des Chromosomensatzes kommen (Polyploidie). Sind die Chromosomensätze beider Elternteile hinreichend unterschiedlich, können sie sich untereinander kreuzen, so dass der Nachfahre fruchtbar ist. Es entsteht eine sogenannte „Bastardart“. Fertile Nachkommen sind normalerweise bei der Paarung unterschiedlicher Arten nicht üblich, so dass Polyploidie zur Entstehung neuer, oft genetisch fitter Arten führen kann. Polyploidie kann durch Stoffwechselprobleme aber auch durch Umwelteinflüsse (z. B. Strahlung) ausgelöst werden. Jenseits dieser natürlichen Prozesse können erbgutverändernde Chemikalien (Mitose-Hemmstoffe) wie Colchicin zur Bildung von Polyploiden Arten führen. Colchicin wurde aus einer Pflanze, der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), gewonnen und für medizinische Zwecke eingesetzt.


Zum Weiterlesen:

Titelbild: Emmer entstand aus einer Kreuzung zwischen dem wilden Einkorn und einem Wildgras (Aegilops speltoides). (Quelle: © Janine Fretz Weber-Fotolia.com)