Wie kann die Weltbevölkerung 2050 ernährt werden?

Eine Betrachtung der ökologischen Aspekte

25.01.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wie kann die Weltbevölkerung 2050 ernährt werden? (Quelle: © iStockphoto.com/Iain Sarjeant)

Wie kann die Weltbevölkerung 2050 ernährt werden? (Quelle: © iStockphoto.com/Iain Sarjeant)

Im Jahr 2050 werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben. Um diese ausreichend zu ernähren, muss sich die Nahrungsmittelproduktion auf der Erde laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen nahezu verdoppeln. Zwei große Studien haben sich in den letzten Monaten mit dem Ernährungsproblem der stetig wachsenden Weltbevölkerung auseinandergesetzt.

Diese Darstellung fokussiert auf die ökologischen Lösungsansätze zur Steigerung der Lebensmittelproduktion. Links zu den Erläuterungen der sozial-ökonomischen und klimatischen Aspekte finden Sie hier.

Im Juni 2009 fand in Rom ein Expertentreffen unter dem Titel „How to feed the world in 2050“ („Wie kann die Weltbevölkerung im Jahr 2050 ernährt werden“) statt. Dort präsentierte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), vertreten durch Jelle Bruinsma, ihre Studie. Sie führt auf, um wie viel Anbauflächen, Wassermenge und Erntenerträge in den nächsten 40 Jahren wachsen müssen, um die Lebensmittelproduktion der stetig wachsenden Weltbevölkerung anzupassen.

Im September 2009 erschien eine Studie der Deutschen Bank Forschung mit dem Titel „Lebensmittel – eine Welt voller Spannung“. Die Autorin Claire Schaffnit-Chatterjee erläutert darin sowohl ökologische, ökonomische als auch klimatische Lösungsansätze zur Steigerung der Lebensmittelproduktion. 

Bevölkerungswachstum bis zum Jahr 2050

Im Jahr 2005 zählte die Weltbevölkerung rund 6,5 Milliarden Menschen. In 40 Jahren, im Jahr 2050, werden es nach Schätzungen der FAO 9,1 Milliarden sein. Dabei wird das Bevölkerungswachstum fast ausschließlich in den Städten der Entwicklungsländer stattfinden. Das größte Wachstum wird mit 108 % für Afrika südlich der Sahara vorausgesagt. Ost- und Südostasien wird die geringste Wachstumsrate von 11 % prognostiziert. 

Steigender Nahrungsmittelbedarf der Weltbevölkerung

Der Nahrungsmittelbedarf wird laut der FAO nicht nur wegen des Bevölkerungswachstums steigen. Die Urbanisierung und der damit oft verbesserte Lebensstandard der Menschen werden mit veränderten Ernährungsgewohnheiten in Schwellen- und Entwicklungsländern einhergehen. Die Nachfrage nach Getreide und anderen traditionellen Grundnahrungsmitteln wird sich hin zu tierischen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten verschieben. Die Fleischproduktion verbraucht große Mengen an Getreide als Futtermittel. Außerdem erhöht die Produktion tierischer Nahrungsmittel den Wasserverbrauch erheblich: Die Herstellung von Rindfleisch z.B. verbraucht acht- bis zehnmal soviel Wasser wie die Produktion von Getreide (1). Die Welternährungsorganisation schätzt, dass die Menschen in den Entwicklungsländern 2050 72 % der produzierten Lebensmittel konsumieren werden. Heute sind es 58 %. 

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Die Essgewohnheiten verschieben sich mit wachsendem Wohlstand. Vor allem Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte spielen eine größere Rolle.

Die Essgewohnheiten verschieben sich mit wachsendem Wohlstand. Vor allem Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte spielen eine größere Rolle.

Bildquelle: © iStockphoto.com/Valentyn Volkov

Bereits Ende 2009 rechnet die FAO als Folge der Finanzkrise mit einer Milliarde hungernder Menschen – das entspricht einem Sechstel der Weltbevölkerung. Als hungernd gelten Menschen nach einer Definition der FAO dann, wenn sie ihren Tagesbedarf an Kalorien nicht decken können. Einem Erwachsenen sollten pro Tag 1800 Kalorien zur Verfügung stehen. 

Nahrungsmittelproduktion muss nahezu verdoppelt werden

Die Studie der Deutschen Bank („Lebensmittel – eine Welt voller Spannung“, 2009), die sich mit der Ernährungssituation der Weltbevölkerung im Jahr 2050 befasst, hält es unter bestimmten Bedingungen für möglich, alle 9,1 Milliarden Menschen im Jahr 2050 ausreichend zu ernähren. Laut der FAO müsste beispielsweise die Getreideproduktion von derzeit 2,1 Milliarden Tonnen bis 2050 um knapp eine Milliarde Tonnen gesteigert werden, die Fleischproduktion um gut 200 Millionen Tonnen auf 470 Millionen Tonnen. 

Die Erzeugung von Lebensmitteln in verschiedenen Gebieten der Erde hängt von zahlreichen natürlichen und von Menschen verursachten Faktoren ab. Eine zentrale Rolle dabei spielen die Verfügbarkeit von Anbauflächen und Wasser, die Energieversorgung, der Klimawandel, neue agrarwissenschaftliche und technologische Entwicklungen und der Zugang zu Finanzmitteln. In dieser Zusammenfassung werden nur die ökologischen Aspekte der Studie näher betrachtet. 

Um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern, reicht es laut FAO nicht aus, den Ernteertrag dank effektiverer Anbaumethoden zu erhöhen. In den Entwicklungsländern müssten die Ackerflächen um etwa 120 Millionen Hektar wachsen. Dies sei vor allem in Afrika südlich der Sahara und in Lateinamerika möglich.

Maßnahmen zur Ernteertragssteigerung

In vielen Gebieten der Erde sind z.B. die Versorgung der Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen nicht ideal. Die Pflanzen sind nur unzureichend an ihr lokales Umfeld angepasst. Außerdem werden die Ernteerträge durch Schädlinge, Krankheiten oder Unkraut verringert. Ein Patentrezept für die Ernährung der Weltbevölkerung gibt es laut der Studie der Deutschen Bank Forschung nicht. Die Steigerung der Lebensmittelproduktion müsse an die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Region angepasst werden. Grundsätzlich kommen dafür laut der Deutschen Bank Forschung drei Ansätze in Frage: Ein biotechnologischer, ein gentechnischer und ein ökologisch integrierter Ansatz.

Der biotechnologische Ansatz

Bei einem biotechnologischen Ansatz zur Erhöhung der Lebensmittelproduktion müssen nicht zwangsläufig gentechnisch veränderte Pflanzen hergestellt werden. Zur Ertragssteigerung können sich Landwirte und Forscher auch biotechnologischer Techniken bedienen, wie z.B. der Zellkulturtechnik oder dem SMART Breeding.

  • Zellkulturtechnik

Mit Hilfe der Zellkulturtechnik könnten Sorten von Nutzpflanzen, deren Vermehrung langsam verläuft, (z.B. Maniok, Süßkartoffeln und Bananen) im Labor rasch vermehrt und anschließend verbreitet werden.

  • SMART Breeding

Eine weitere biotechnologische Technik ist das sog. „SMART Breeding“ bzw. die Präzisionszucht - (SMART = Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies, Selektion mit Markern und fortschrittlichen Reproduktionstechnologien). Bei der Auswahl der Pflanzen, die miteinander gekreuzt werden, verlassen sich die Forscher dabei nicht mehr nur auf äußere Merkmale. Das Erbgut der zu kreuzenden Pflanzen wird genau analysiert, um danach die passenden Kreuzungspartner auszuwählen.

Das SMART Breeding ermöglicht das Herauszüchten bestimmter Eigenschaften, die z.B. die Widerstandsfähigkeit der Pflanze gegenüber Trockenheit und Schädlingen erhöhen. Die Präzisionszucht basiert auf der gleichen Labortechnik, die auch bei der Herstellung gentechnisch veränderter Pflanzen zum Einsatz kommt, mit einem wichtigen Unterschied: Den Pflanzen werden am Ende keine artfremden Gene in ihr Erbgut eingebaut; es entstehen keine transgenen, also gentechnisch veränderten, Organismen.

Die Präzisionszucht stößt allerdings an ihre Grenzen, wenn artfremde Gene in eine Pflanze übertragen werden sollen. Dies geschieht z.B. bei der Herstellung funktioneller Lebensmittel für Menschen mit einem besonderen Ernährungsbedarf. Vitamin-A-Mangel führt in Entwicklungsländern häufig zur Erblindung und zum Tod von Kindern. Wissenschaftler fanden heraus, dass die Kindersterblichkeit dort durch die Anreicherung von für Kinder bestimmten Lebensmitteln mit Vitamin A und Zink deutlich gesenkt werden könnte (2). Auch der Kopenhagener Konsens wertete 2008 eine ergänzende Versorgung mit Mikronährstoffen aus über 40 Vorschlägen zur Verbesserung der Lage der Welt als wichtigstes Entwicklungsprojekt.

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Reis, der Provitamin A (Beta-Carotin) enthält wird auch Goldener Reis genannt. Im Vergleich zu konventionellem Reis sind die Reiskörner hier gelb bis orange gefärbt. Beta-Carotin ist die Vorstufe von Vitamin A und wird daher auch als Provitamin A bezeichnet. (Quelle: International Rice Research Institute (IRRI)/ CC BY-NC-SA 2.0)

Reis, der Provitamin A (Beta-Carotin) enthält wird auch Goldener Reis genannt. Im Vergleich zu konventionellem Reis sind die Reiskörner hier gelb bis orange gefärbt. Beta-Carotin ist die Vorstufe von Vitamin A und wird daher auch als Provitamin A bezeichnet. (Quelle: International Rice Research Institute (IRRI)/ CC BY-NC-SA 2.0)

Der Ansatz mit gentechnisch veränderten Pflanzen

Zur Herstellung funktioneller Lebensmittel, wie z.B. mit Vitamin A angereichertem Reis, stellen Wissenschaftler gentechnisch veränderte Pflanzen her. Sie fügen z.B. der Reispflanze ein „Vitamin-A-Gen“ zu ihrem Erbgut hinzu, das sie dazu befähigt, das Vitamin selbst zu produzieren. 

Pflanzen können in vielfältiger Hinsicht gentechnisch verändert werden. Für die nächste Generation gentechnisch veränderter Nutzpflanzen konzentriert sich die Forschung auf Eigenschaften, die es den Pflanzen ermöglichen, mit zu viel oder zu wenig Wasser, extremen Temperaturen und versalzenen oder übersäuerten Böden fertig zu werden. Diese Maßnahmen können einerseits die Widerstandsfähigkeit von Pflanzen gegenüber dem Klimawandel und der Bodendegradation stärken, und andererseits die Nachhaltigkeit ihres Anbaus erhöhen, z.B. durch einen geringeren Wasserverbrauch.

Die Studie der Deutschen Bank Forschung verweist aber auch auf mögliche Risiken, die von gentechnisch veränderten Pflanzen ausgehen könnten: Langfristige Auswirkungen auf die Umwelt seien noch nicht vollständig abzusehen. Der Anbau von Gentechnik-Pflanzen berge außerdem das Risiko einer beschleunigten Resistenzbildung von Schädlingen und Unkräutern durch eine zu einseitige Anwendung ein und desselben Pflanzenschutzmittels. Auch auf sozio-ökonomische Aspekte, wie eine zunehmende Abhängigkeit armer Bauern von Saatgutfirmen, die durch Eigentumsrechte an gentechnisch veränderten Pflanzen entstehen oder durch diese verstärkt werden könnten, weist die Studien der Deutschen Bank Forschung hin.

Der ökologisch integrierte Ansatz

Großes Potential, die weltweite Lebensmittelproduktion umweltverträglich zu steigern, sieht die Deutsche Bank Forschung in der Konzentration auf ganze Systeme anstatt auf einzelne Pflanzen. Die Nachhaltigkeit in einer gewinnorientierten Landwirtschaft könne durch die Integration natürlicher und biologischer Ansätze gelingen. Zu ihnen zählen z.B. die Schädlingsbekämpfung durch natürliche Fressfeinde und Parasiten, die Verbesserung der Fruchtbarkeit des Bodens durch kombinierten Einsatz chemischer und organischer Dünger wie Kompost, Gülle und stickstoffbindender Pflanzen, schonender Ackerbau durch sinnvolle Fruchtfolgen und sparsamer Wassereinsatz. Alle diese Maßnahmen sollten individuell an die jeweilige Region und ihre Bedürfnisse angepasst werden. So könne der Bioanbau z.B. in Afrika genauso produktiv sein wie die konventionelle Landwirtschaft, aber sehr viel nachhaltiger.

Bioanbau erfordere zwar mehr Arbeitseinsatz, dessen Kosten könnten aber beim Kauf von Stickstoffdünger, Insektiziden und Herbiziden wieder eingespart werden. Das würde vor allem in Afrika, wo Arbeit billig und Kapital rar ist, netto zu Einsparungen führen und eine produktive, aber dennoch nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen.

(1) United Nations World Development Report (2009). Water in a Changing World. UNESCO. Paris and Earthscan. London.

(2) Horton, Sue, F. Begin, A. Greig und A. Lakshman (2008). Micronutrient supplements for child survival. Best practice paper. Copenhagen. Consensus Center.