Wie Pflanzen unsichtbares Licht wahrnehmen

29.03.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Spezialisierte UV-Lichtrezeptoren leiten in Pflanzen die Bildung von Schutzfaktoren ein. (Quelle: © Gerd Altmann/ pixelio.de)

Spezialisierte UV-Lichtrezeptoren leiten in Pflanzen die Bildung von Schutzfaktoren ein. (Quelle: © Gerd Altmann/ pixelio.de)

Mit spezialisierten Photorezeptoren können Pflanzen Licht nutzen, das für uns unsichtbar ist. Strukturanalysen des kürzlich entdeckten UVR8-Rezeptors zeigen, wie ultraviolette Lichtsignale zum Umbau des Lichtrezeptors führen. Auf diese Weise gibt die Pflanze das Signal zur Einleitung eines wichtigen Schutzprogramms.

Über die Wahrnehmung von Licht steuern Pflanzen Wachstum, Keimung, Blütenbildung und die Kontrolle über ihren Tages- und Nachtrhythmus. Damit Pflanzen Licht auch tatsächlich „sehen“ können, besitzen sie auf unterschiedliche Lichtspektren spezialisierte Lichtrezeptoren. Die bekanntesten Photorezeptoren sind die sogenannten Phytochrome, die das Verhältnis zwischen hell- und dunkelrotem Licht messen. Sie steuern wichtige Entwicklungsvorgänge von Pflanzen, wie beispielsweise die Samenkeimung und das Ergrünen von Pflanzenteilen.

Pflanzen können jedoch auch für uns unsichtbares Licht wahrnehmen. Studien in den 70er Jahren zeigten bereits, dass Pflanzen bei Bestrahlung mit ultraviolettem (UV) Licht Sonnencreme-ähnliche Schutzfaktoren produzieren. Sie sind Teil des sogenannten UV-B Signalweges, mit dem sich die Pflanze vor der schädlichen Wirkung von UV-Strahlung schützt. Zu diesen negativen Effekten gehören beispielsweise DNA-Schäden und eine geringere Photosyntheseleistung. Lange waren die Lichtrezeptoren, die den UV-B Signalweg auslösen nicht bekannt. Erst vor Kurzem wurde der UV-Rezeptor UVR8 als Teil dieser Signalleitung entdeckt. Allerdings blieb unklar wie genau der Rezeptor das UV-Licht aufnimmt und das Signal an die Zelle weiterleiten.

Mit der Strukturanalysen des UVR8-Rezeptors von Arabidopsis thaliana brachten Wissenschaftler jetzt  Licht in das Dunkel um die Frage, wie UVR8 als UV-Sensor funktioniert. In Pflanzenzellen liegen UVR8-Rezeptoren in zwei strukturellen Zuständen vor: Einer Licht- und einer Dunkelform. Bei Dunkelheit geht das ringförmige UVR8-Molekül mit einem zweiten UVR8-Molekül eine Verbindung ein. Die beiden Doughnut-artigen Moleküle werden durch Salzbrücken und aromatische Aminosäuren wie ein Sandwich zusammengehalten. Wird die Pflanze mit UV-Licht bestrahlt, zerfällt das Doughnut-Sandwich wieder in zwei Einzelmoleküle. Diese sind daraufhin frei, um mit anderen Proteinpartnern eine Bindung einzugehen. Im Falle von UVR8 bindet der Faktor COP1, der für die Einleitung des genetischen Schutzprogramms zuständig ist.

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Auch ursprüngliche Pflanzen, wie beispielsweise Moose, besitzen den UV-Rezeptor UVR8. Er leitet das genetisches Schutzprogramm ein, mit dem sich Pflanzen vor den schädlichen UV-Strahlen schützen.

Auch ursprüngliche Pflanzen, wie beispielsweise Moose, besitzen den UV-Rezeptor UVR8. Er leitet das genetisches Schutzprogramm ein, mit dem sich Pflanzen vor den schädlichen UV-Strahlen schützen.

Bildquelle: © Sabine Nüsch/ pixelio.de

Das Hin- und Herschalten zwischen dem einfachen und dem Doppelmolekül wird beim UVR8-Rezeptor durch ein besonderes strukturelles Merkmal möglich, das UVR8 von allen anderen bisher bekannten Photorezeptoren unterscheidet: Statt der für Photorezeptoren typischen Chromophor-Struktur, besitzt es auf seiner Kontaktfläche eine Aminosäuren-Pyramide, die aus Tryptophan-Resten besteht. Durch einen UV-Lichtreiz, werden die Elektronen dieser Aminosäuren angeregt und auf benachbarte Aminosäuren übertragen. Auf diese Weise werden Ladungen neutralisiert, die die beiden Moleküle zusammenhalten und die UVR8-Moleküle trennen sich. Die Tryptophan-Pyramide ist demnach der entscheidende UV-Lichtsensor, der das Licht einfängt und die absorbierte Lichtenergie weiterleitet.

UVR8 ist auch in ursprünglichen Pflanzen, wie beispielsweise Moosen und Algen zu finden. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass der Rezeptor Pflanzen schon in der frühen Erdgeschichte geholfen hat zu überleben, als die Erde noch größeren Strahlenmengen ultravioletten Lichts ausgesetzt war.

Der durch Lichtsignale ausgelöste Strukturumbau des Rezeptors könnte auch Biotechnologen zu neuen Werkzeugen inspirieren. Proteine, deren Architektur gezielt durch Lichteinstrahlung gesteuert wird, sind mittlerweile wertvolle Instrumente der zellbiologischen Forschung. Mit photoschaltbaren Molekülen lassen sich Prozesse in lebenden Zellen verfolgen und bestimmten Organen zuordnen. Wie die Experimente der Forscher zeigen lässt sich durch Mutationen der Tryptophan-Pyramide, sogar das Absorptionspektrum von UVR8  verschieben.


Quellen:

  • J. M. Christie (2012): Plant UVR8 Photoreceptor Senses UV-B by Tryptophan-Mediated Disruption of Cross-Dimer Salt Bridges. In: Science. Online Publikation, März 2012, DOI: 10.1105/tpc.112.240311
  • K. H. Gardner and F. Correa (2012): How Plants See the Invisible. In: Science. Online Publikation, März 2012, DOI: 10.1126/science.1220248

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Anregungen zum Weiterlesen:
J. E. Toettcher et al. (2012): The promise of optogenetics in cell biology: interrogating molecular circuits in space and time, In: Nature Methods, März 2012, DOI: 10.1038/nmeth.f.326

Titelbild: Spezialisierte UV-Lichtrezeptoren leiten in Pflanzen die Bildung von Schutzfaktoren ein. (Quelle: © Gerd Altmann/ pixelio.de)