Wie wir den Reis gleich zweimal zähmten

27.07.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bedeutendes Grundnahrungsmittel: Im Schnitt isst jeder Asiate etwa 1kg Reis pro Woche (Quelle: © Dieter Schütz / pixelio.de).

Bedeutendes Grundnahrungsmittel: Im Schnitt isst jeder Asiate etwa 1kg Reis pro Woche (Quelle: © Dieter Schütz / pixelio.de).

Bereits vor 13.500 Jahren begannen die Menschen Reis zu kultivieren. Über den genauen Ursprung und die Stammesgeschichte der modernen Reissorten herrscht jedoch bis heute Unklarheit. Eine Genomstudie zeigt, dass domestizierter Reis zweimal unabhängig voneinander entstand, und dass der Mensch den Kulturreis möglicherweise durch das Einführen von Domestikationsgenen verbreitete.

Den Länglichen isst man zum Curry, der Runde kocht im Risotto und der Klebrige hält die Sushirolle zusammen. Kaum eine Getreidepflanze bringt eine vergleichbare Sortenvielfalt hervor wie der Reis. Mehr als 120.000 Reissorten werden weltweit angebaut, die in einigen Ländern Asiens 80% des täglichen Nahrungsbedarfes der Menschen decken. 

Wie genau die menschliche Hand die wilde Reispflanze zähmte, darüber herrscht unter Wissenschaftlern allerdings immer noch Uneinigkeit. Neue Ergebnisse der chinesischen Sun Yat-Sen Universität in Guangzhou zeigen, dass es vermutlich nicht eine, sondern zwei Geburtsstunden der domestizierten Reispflanze gab. Die Genomforscher um Suhua Shi kommen somit zu einem anderen Schluss, als die kürzlich veröffentlichte Studie eines New Yorker Forscherteams. Entgegen der sogenannten Zwei-Ursprungs-Theorie ergaben die Resultate der US-Forscher, dass die domestizierte Reispflanze nur einen Ursprungsort hat und aus China kommt. 

Am Anfang stand der Wildreis, Oryza rufipogon, zumindest das haben beide Theorien gemein. Archäologische Funde aus China belegen, dass Wildreiskörner schon vor 13.500 Jahren im Jangtse-Tal gesammelt und gegessen wurden. Diese Jahreszahlen werden auch durch genetische Berechnungen nach der „molekularen“ Uhr gestützt, einer Anhäufung von Mutationen über die Zeit im Reisgenom. Aus dem Wildreis entwickelten sich schließlich die zwei Hauptunterarten des heutigen Reishandels, Oryza sativa japonica, der Rundkornreis und Oryza sativa indica, der auch als Langkornreis oder Basmatireis bezeichnet wird. 

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Alle heutigen Kulturreissorten wie Basmati-, Risotto- oder Milchreis sind Varianten der beiden Hauptunterarten Oryza sativa indica und Oryza sativa japonica.

Alle heutigen Kulturreissorten wie Basmati-, Risotto- oder Milchreis sind Varianten der beiden Hauptunterarten Oryza sativa indica und Oryza sativa japonica.

Bildquelle: © Dieter Schütz/ pixelio.de

Den neuen Daten der chinesischen Wissenschaftler zufolge, fand die Entstehung der beiden Unterarten allerdings unabhängig voneinander statt. Der indica und japonica Reis könnte demnach auch in zwei Regionen Asiens entstanden sein, in China und Indien, wie die klassische Zwei-Urspungs-Theorie postuliert. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, nutzten die Wissenschaftler zwei Sequenzierungsplattformen des Beijing Genomics Institutes, mit denen sich auch große Genome innerhalb weniger Tage entschlüsseln lassen. Mit Ultra-Hochdurchsatz-Sequenziermethoden decodierten sie das gesamte Erbmaterial von insgesamt 66 Reispopulationen der drei Taxa O. rufipogon, O. sativa indica und O. sativa japonicum

Dabei stießen sie auf zwei zunächst widersprüchliche Ergebnisse. Während Single Nukleotid Polymorphismus-Analysen (SNP-Analysen) des gesamten Genoms darauf schließen ließen, dass die beiden Arten zeitgleich und unabhängig voneinander entstanden, unterstützen die gleichen Analysen die Ein-Ursprungs-Hypothese, wenn nur bestimmte Regionen des Genoms miteinbezogen wurden. Bei diesen Genregionen handelt es sich um besonders variationsarme Genorte, in denen zufällig entstehende Mutationen der DNA-Sequenz nicht erhalten bleiben, da sich nur die ursprüngliche Genvariante im Laufe der Evolution erfolgreich durchsetzt. In diesen Regionen des Genoms, die japonica und indica vom Wildreis unterscheidet, entdeckten die Forscher für den Kulturreis wichtige Gene, wie beispielsweise ein Krankheitsresistenzgen oder das Gen YABBY, mit dem sich Unterschiede im Bau des domestizierten Reis im Vergleich zum Wildreis erklären lassen. 

Dass sich die beiden Unterarten in diesen typischen Domestikationsgenen so ähnlich sind, als seien sie direkte Nachfahren voneinander, erklären die Wissenschaftler jedoch mit der Einmischung des Menschen. Durch gezielte Auswahl vorteilhafter Eigenschaften und Kreuzung der beiden Unterarten miteinander, seien diese Gene vom Menschen in beide Unterarten eingeführt worden. Demnach war es der Mensch, der die genetische Ähnlichkeit der beiden Arten durch Züchtung herbeiführte und möglicherweise auf diese Weise den Kulturreis verbreitete.

Seit Jahrtausenden begleitet der Reis den Menschen bei seinen Wanderungen durch Asien. Die Entwicklungsgeschichte, die zu seiner Kultivierung geführt hat, ist auch für die Züchtung interessant. Denn um neue verbesserte Reissorten auf den Markt zu bringen ist es wichtig, den Ursprung von Domestikationsgenen zu verstehen.


Quelle

Z. He et al. (2011). Two Evolutionary Histories in the Genome of Rice: The roles of domestication genes. Plos Genetics 7(6): e1002100. doi:10.1371/journal.pgen.1002100. (Link).

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Titelbild: Bedeutendes Grundnahrungsmittel: Im Schnitt isst jeder Asiate etwa 1 kg Reis pro Woche (Quelle: © Dieter Schütz / pixelio.de).