Wo es begann

Die Landwirtschaft entwickelte sich gleich an mehreren Orten

12.07.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ausgrabungsplätze im „Fruchtbaren Halbmond“, an der Fundstelle Chogha Golan (1 - östlich von Baghdad) arbeiten die Tübinger Wissenschaftler. (Abbildung: © Simone Riehl)

Ausgrabungsplätze im „Fruchtbaren Halbmond“, an der Fundstelle Chogha Golan (1 - östlich von Baghdad) arbeiten die Tübinger Wissenschaftler. (Abbildung: © Simone Riehl)

Ein deutsch-iranisches Forscherteam entdeckte im östlichen Teil des „Fruchtbaren Halbmondes“, im heutigen Iran, fast 10.000 Jahre alte Überreste von domestiziertem Getreide. Die neuen Funde untermauern die These, dass sich die Landwirtschaft nicht an einem einzigen Ort, sondern an mehreren fast zeitglich entwickelte.

Vor rund 11.000 Jahren begann der Mensch Pflanzen gezielt anzubauen. Aus Wildpflanzen wurden allmählich Pflanzen, die sich äußerlich und genetisch von ihren wilden Vorfahren unterschieden. Der Ursprung unserer modernen Landwirtschaft liegt in einem Gebiet, das als „Fruchtbarer Halbmond“ bezeichnet wird – einer regenreichen Region, die geeignete Bedingung für die Domestikation von Pflanzen bot. Das Gebiet im Norden der arabischen Halbinsel umfasst Teile der heutigen Türkei, Israel, Iran, Irak, Syrien und Saudi-Arabien.  

Aus Jägern und Sammlern wurden Bauern

Der Ackerbau entwickelte sich in der Jungsteinzeit (auch Neolithikum genannt). Der Menschheitsepoche, die dafür bekannt ist, dass aus Jägern und Sammlern sesshafte Bauern wurden, die begannen ihre Nahrung selbst anzubauen. Ackerbau und Viehzucht ermöglichten es langfristig, den damaligen Menschen ihre Nahrungsversorgung zu sichern. Sie waren nun nicht mehr auf das Ergebnis der Jagd nach wilden Tieren oder das Sammeln von Wildpflanzen angewiesen. Sie gaben die nomadische Lebensweise auf und wurden zu sesshaften Gruppen, die Dörfer errichteten und Werkzeuge erfanden, die ihnen das Leben erleichterten.

Die Ursprünge der Landwirtschaft

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Archäobotanische Funde von wildem (B) und domestizierten Emmer (D), die modernen Samen gegenüber gestellt werden (A und C). (Abbildung: © Simone Riehl)

Archäobotanische Funde von wildem (B) und domestizierten Emmer (D), die modernen Samen gegenüber gestellt werden (A und C). (Abbildung: © Simone Riehl)

Umstritten war bisher jedoch, ob sich die Landwirtschaft in einem einzigen Zentrum entwickelte und von dort aus weiter verbreitete oder ob Menschen an mehreren Orten mit dem Ackerbau begannen. Forschungsergebnisse legen nahe, dass im nördlichen und vor allem westlichen Teil des Fruchtbaren Halbmondes die Ursprünge liegen.

Deutsche  Forscher der Universität Tübingen, des Tübinger Senckenberg-Zentrums für Menschliche Evolution und Paläoökologie und des Iranischen Zentrums für Archäologische Forschung (Iranian Center for Archaeological Research) fanden nun im östlichen Teil des Fruchtbaren Halbmondes – im heutigen Iran – Belege, die die These einer multiplen Entstehungsgeschichte untermauern. Sie fanden dort Nachweise von domestiziertem Emmer in einer rund 10.000 Jahre alten Sedimentschicht. Emmer ist eine Getreideart, die zur Gattung des Weizens zählt und als eine der ältesten kultivierten Getreidearten gilt.

Die Funde deuten darauf hin, dass neben dem Norden und Westen, auch der Osten des Fruchtbaren Halbmonds ein Schlüsselgebiet der Domestikation von Pflanzen gewesen ist und die Landwirtschaft an mehreren Orten unabhängig voneinander „erfunden“ wurde. Ob die Menschen auch damals schon in Verbindung standen und so der Transfer erfolgte oder nicht, wurde in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht. Von anderen Kulturkreisen weiß man jedoch, dass bereits unsere Vorfahren mobil waren.

Pflanzenreste und Werkzeuge als Zeitzeugen

Im Rahmen des Forschungsprojektes „Tübingen-Iranian Stone Age Research Project“ (TISARP) fanden in den Jahren 2009 und 2010 Ausgrabungen in einer Siedlung  am Fuße des Zagros-Gebirges im heutigen Iran statt. Neben Überresten von Gebäuden, Kunsthandwerk wie Tonfiguren und Gefäße sowie  Steinwerkzeugen wie Mahlsteine und Mörser förderten sie auch Pflanzenreste (Samen und Spreu) zutage. Das rund drei Hektar große Gebiet lieferte den Forschern mehr als 21.000 Pflanzenreste aus über 2.000 Jahren Menschheitsgeschichte. Bereits in den ältesten Schichten, die auf fast 12.000 Jahre datiert werden, fanden die Wissenschaftler Überreste von wilden Vorfahren unserer heutigen Kulturpflanzen, darunter Wildgerste und Linsen.

75 verschiedene Verwandtschaftsgruppen (Taxa) konnten die Forscher in ihren Proben finden. Die Funde ließen einen Übergang von wilden zu domestizierten Pflanzen erkennen. Dabei begannen die Steinzeitmenschen Pflanzen mit nützlichen Eigenschaften (z.B. größere Getreidekörner) gezielt weiter anzubauen. Durch diese menschliche Selektion konnte schließlich domestiziertes Getreide entstehen, das die Nahrungsbedürfnisse der damaligen Siedlungsbewohner noch effizienter befriedigte und so den Weg zu unseren modernen Pflanzensorten ebnete.  


Quelle:
Riehl, S. et al. (2013): Emergence of Agriculture in the Foothills of the Zagros Mountains of Iran. In: Science, Vol. 341 no. 6141 pp. 65-67, (05. Juli 2013), doi: 10.1126/science.1236743.  

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Ausgrabungsplätze im „Fruchtbaren Halbmond“, an der Fundstelle Chogha Golan (1 - östlich von Baghdad) arbeiten die Tübinger Wissenschaftler. (Abbildung: © Simone Riehl)