Wo Gene zum Schweigen gebracht werden

Ort der Translationsunterdrückung der RNAi entdeckt

03.05.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die RNA-Interferenz wurde ursprünglich in Petunien (Petunia) entdeckt. (Quelle: © Maria Lanznaster/www.pixelio.de)

Die RNA-Interferenz wurde ursprünglich in Petunien (Petunia) entdeckt. (Quelle: © Maria Lanznaster/www.pixelio.de)

Die RNA-Interferenz ist ein Mechanismus eukaryotischer Zellen, mit dem Gene gezielt abgeschaltet werden können. Forscher konnten nun in Arabidopsis erstmals zeigen, dass ein Teil dieses Mechanismus am rauen Endoplastmatischen Retikulum stattfindet.

Vor etwa 25 Jahren wollte eine US-amerikanische Firma Petunien mit besonders violetten Blüten erzeugen. Nachdem die Forschergruppe um Richard Jorgensen ein Gen für purpurfarbene Blüten in die Pflanzen eingeschleust hatten, erlebten sie eine Überraschung: Anstatt einer satt violetten Pracht stießen die Forscher auch auf zahlreiche violett-weiße Blüten. Einige waren sogar ganz weiß. Die Wissenschaftler hatten unwissentlich das Gen für ein Enzym unterdrückt, das an der Bildung der violetten Farbe in den Blumen beteiligt ist. Was die Forscher damals vor ein großes Rätsel stellte, ist uns heute als RNA-Interferenz (kurz RNAi) bekannt.

Zwei Wege zur Genstilllegung

Die RNA-Interferenz ist ein natürlicher Mechanismus in den Zellen von Eukaryoten, mit dem Gene gezielt abgeschaltet werden können. Sie beruht auf einer Wechselwirkung kurzer Stücke von RNA, die als MicroRNA oder kurz miRNA bezeichnet werden, mit der Erbinformation-übertragenden mRNA unter Beteiligung mehrerer Enzymkomplexe. Als Folge wird die mRNA in mehrere Bruchstücke gespalten und die zu übertragende Information wird zerstört oder die Umschreibung in ein Protein verhindert. Eine wichtige Rolle bei der Verteidigung gegen Viren und bei der Regulierung der Expression von Genen spielen auch die siRNAs. siRNAs sind kurze, einzelsträngige oder doppelsträngige RNA-Moleküle. Die siRNA wird in vielen Zellen als eine Folge der Infektion mit einem RNA-Virus gebildet und spielt insbesondere bei Pflanzen bei der Verteidigung gegen fremde RNA eine wichtige Rolle. siRNA wird insbesondere in der Grundlagenforschung zur Aufklärung der noch unbekannten Funktion eines zu untersuchenden Gens und dessen kodierten Proteins mit Hilfe der RNA-Interferenz genutzt. Durch die gezielte Abschaltung des Gens mit Hilfe von siRNA kann die Funktion des von ihm kodierten Proteins abgeleitet werden.

Nobelpreis für Fire und Mello

Inzwischen hat sich die RNA-Interferenz auch als eine experimentelle Möglichkeit zur Stilllegung von Genen („Gen-Knockdown“) etabliert. Die beiden US-Forscher Andrew Z. Fire und Craig C. Mello entwickelten in den 1990er Jahren ein gentechnisches Verfahren, mit dem sich einzelne Gene gezielt stumm schalten lassen und wurden dafür im Jahr 2006 mit dem Nobelpreis für Medizin geehrt.

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Schematische Darstellung der RNAi - Die Hemmung der Translation durch miRNAs findet im rauen Endoplasmatischen Retikulum statt.

Schematische Darstellung der RNAi - Die Hemmung der Translation durch miRNAs findet im rauen Endoplasmatischen Retikulum statt.

Bildquelle: © Richard Robinson / PLoS

Zentraler Mechanismus in allen Eukaryoten

Seit ihrer Entdeckung sind miRNAs und die RNAi Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Heute weiß man, dass miRNAs in nahezu jeder eukaryotischen Zelle vorkommen. Jedes dieser winzigen Moleküle kann zehn bis hundert Gene beeinflussen und deren Expression verhindern bzw. unterdrücken. Alle Details, wie und wo in der Zelle miRNAs die Expression der Zielgene unterdrücken, waren bisher jedoch noch nicht bekannt.

Zellorganelle identifiziert: ER

Einem Team aus Wissenschaftlern gelang es nun, den Ort innerhalb der Zellen, an dem die Unterdrückung der Proteinzusammensetzung in der Modellpflanze Arabidopsis stattfindet, zu identifizieren – nämlich im Endoplastmatischen Retikulum (ER). Endoplasmatisches Retikulum könnte man treffend mit einem im Cytoplasma befindlichen Wurfnetz übersetzen, denn bei dieser Zellorganelle handelt es sich um ein reich verzweigtes Kanalsystem flächiger Hohlräume, das von Membranen umschlossen ist. Man findet das ER mit Ausnahme von ausgereiften Erythrozyten in allen eukaryotischen Zellen.

Raues ER unerlässlich

Je nach Aufbau unterscheidet man zwischen dem rauen und dem glatten ER. Das glatte ER spielt eine wichtige Rolle in mehreren metabolischen Prozessen wie beispielsweise bei der Synthese von verschiedenen Lipiden und beim Kohlenhydratstoffwechsel. Das raue ER hat zwei Funktionen: die Proteinbiosynthese und die Membranproduktion. Seinen Namen hat es von den Ribosomen, die auf seinen Membranoberflächen sitzen und unerlässlich für die Proteinbiosynthese sind.

AMP1: Neu entdecktes Protein bei RNAi

Wissenschaftler gehen davon aus, dass miRNA in der Zelle auf zwei unterschiedlichen Wegen abgebaut wird: Entweder gebunden an das Protein Argonaute1 vermutlich im Cytosol, wo die RNA zerstückelt wird, Oder an einem neu entdeckten Ort, allerdings ohne Zerstückelung der RNA: „Unsere Studie zeigt erstmals, dass die Unterdrückung der Translation durch miRNAs am Endoplasmatischen Retikulum stattfindet“, so Studienleiterin Xuemei Chen. „Wenn wir verstehen wollen, wie genau miRNAs die Zielgen-Expression unterdrücken, müssen wir wissen, wo mikroRNAs in der Zelle agieren. Bisher war nicht bekannt, dass dazu Membranen von essentieller Bedeutung sind. Unsere Arbeit zeigt, dass ein integrales Membranprotein, AMP1, unerlässlich für die miRNA vermittelte Genstilllegung ist. Da es bei Tieren auch entsprechende Gegenstücke zu AMP1 gibt, vermuten wir, dass unsere Erkenntnisse in Arabidopsis weitreichende Bedeutung haben“, so die Wissenschaftlerin.

Das Protein AMP1 (ALTERED MERISTEM PROGRAM1) ist im rauen Endoplasmatischen Retikulum verankert. Bei Pflanzen, in denen dieses Protein fehlt, funktioniert die RNAi nicht mehr korrekt. Da Wissenschaftler nun wissen, wo ein Teil der RNA-Interferenz stattfindet, wollen sie nun die Details der Genstilllegung durch miRNAs erforschen. Dabei interessiert sie besonders, wie die miRNAs ihren Weg zum rauen ER finden.


Quelle:

Li, S. et al. (2013): MicroRNAs Inhibit the Translation of Target mRNAs on the Endoplasmic Reticulum in Arabidopsi. In: Cell, Volume 153, Issue 3, 562-574, 25. April 2013, doi:10.1016/j.cell.2013.04.005.

Interview mit der Studienautorin (englisch) (rechts oben den gelben Bereich anklicken)
http://www.cell.com/abstract/S0092-8674%2813%2900404-2

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Titelbild: Die RNA-Interferenz wurde ursprünglich in Petunien (Petunia) entdeckt. (Quelle: © Maria Lanznaster/www.pixelio.de)