„Zwischen-Pflanzliches“

Phytohormone - eine Lingua franca zwischen parasitären Pflanzen und ihren Wirten

19.05.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de in Zusammenarbeit mit Dr. Thomas Spallek

Misteln sind sogenannte Halbschmarotzer - sie parasitieren Wirtspflanzen und leben teilweise von ihnen. (Bildquelle: © unicusx/Fotolia.com)

Misteln sind sogenannte Halbschmarotzer - sie parasitieren Wirtspflanzen und leben teilweise von ihnen. (Bildquelle: © unicusx/Fotolia.com)

Parasitäre Pflanzen entziehen ihren Wirtspflanzen nicht nur Wasser und Nährstoffe, sie sind einer Studie zufolge auch in der Lage, dass pflanzliche Hormon Cytokinin auf ihre Wirte zu übertragen. Dies macht deutlich, dass sich auch Parasiten der universellen „Sprache“ der Phytohormone bedienen. Ein besseres Verständnis dieses Signalaustauschs könnte zukünftig helfen, wirtschaftlich bedeutende Pflanzen gezielt vor Parasiten zu schützen.

Die immergrüne Mistel ist allseits bekannt. Sie ist eine von mehr als 4.500 Schmarotzerpflanzen. Einer Gruppe von Pflanzen, die immerhin etwa 1 Prozent der weltweit bekannten Pflanzenarten ausmachen. Die Mistel versorgt sich aber über die Wirtspflanze hauptsächlich mit Wasser und mineralischen Nährstoffen. Nur wenige Schmarotzerpflanzen, etwa 10 Prozent, lassen sich auch noch mit Zuckern von der Wirtspflanze versorgt.

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Rafflesien sind Vollschmarotzer, die gänzlich auf Kosten ihrer Wirte leben. Sie haben durch diese Lebensweise im Laufe der Evolution viele Merkmale und Funktionen eingebüßt.

Rafflesien sind Vollschmarotzer, die gänzlich auf Kosten ihrer Wirte leben. Sie haben durch diese Lebensweise im Laufe der Evolution viele Merkmale und Funktionen eingebüßt.

Bildquelle: © iStock.com/hugy

Vollschmarotzer leben ausschließlich auf Kosten der Wirte

Diese sogenannten Holoparasiten – auch Vollschmarotzer genannt – haben im Laufe der Evolution viele Merkmale und Funktionen „normaler“ Pflanzen verloren, darunter oft auch die Fähigkeit zur Photosynthese und mit ihr ihre grüne Farbe. Das führte häufig zur Entstehung fremdartig wirkender Pflanzen, wie zum Beispiel Pflanzen aus der Gattung Rafflesia, in der einige Arten Blüten mit mehr als einem Meter Durchmesser ausbilden, oder die Malteserschwämme, die man noch bis ins achtzehnte Jahrhundert für Pilze hielt.

Halbschmarotzer sind in der Überzahl

Die Mehrzahl der parasitären Pflanzenarten dagegen ist, wie auch die Mistel, noch in der Lage zumindest in Teilen ihre eigenen Zucker herzustellen und hat auch darüber hinaus vieles mit ganz „normalen“ Pflanzen gemein. Man nennt diese Arten deshalb auch Hemiparasiten oder Halbschmarotzer.

Die meisten parasitären Pflanzenarten parasitieren ihre Wirte unterirdisch über die Wurzeln. Das gilt auch für die Sommerwurzen (Orobanche sp.) und die Gattung Striga, für die auch die Bezeichnung „Hexenkraut“ (witch weed) geläufig ist. Diese Pflanzenarten gehören zu der größten Familie parasitärer Pflanzen, den Sommerwurzgewächsen (Orobanchaceae), und sind darüber hinaus bedeutende Pflanzenschädlinge.

Schmarotzer übertragen Phytohormone

Wissenschaftler konnten nun mit Hilfe einer in Ostasien beheimaten Orobanchaceae-Art namens Phtheirospermum japonicum zeigen, dass parasitäre Pflanzen ihren Wirtspflanzen nicht nur Wasser und Nährstoffe entziehen, sondern auch in der Lage sind, das pflanzliche Hormon Cytokinin auf ihre Wirtspflanzen zu übertragen.

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Die parasitäre Pflanze Phtheriospermum japonicum.

Die parasitäre Pflanze Phtheriospermum japonicum.

Bildquelle: © Thomas Spallek

Cytokinine sind universelle Pflanzenhormone, die eine Reihe verschiedener Prozesse in Pflanzen steuern, darunter auch die Zellteilung und das Wachstum. Da sich die Cytokinine der Wirtspflanze chemische nicht von denen des Parasiten unterscheiden, bedienten die Wissenschaftler sich einiger genetischer Tricks, um deren Ursprung festzustellen.

Eine Modellpflanze als Wirt

Zunächst testete das Forschungsteam, ob Phtheirospermum in der Lage ist, auch eine Modellpflanze wie die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) zu parasitieren – was ihnen erlauben würde, eine Vielzahl verschiedener etablierter genetischer und molekularbiologischer Methoden anzuwenden. Der Versuch gelang. Sie stellten dabei fest, dass Phtheirospermum, wie bei anderen Wirt-Parasit-Interaktionen, deutlich besser wächst, wenn es über Haustorien - die Infektionsorgane parasitärer Pflanzen - mit Arabidopsis-Wurzeln verbunden ist. Im Gegenzug wurden dann die Arabidopsis-Pflanzen deutlich in ihrem Wachstum gehemmt.

Mittels fluoreszierender Markierungsstoffe konnten die Wissenschaftler den Stofftransport von Wirt zu Parasit am Mikroskop direkt sichtbar machen. In ihren Untersuchungen entdeckten sie auch, dass sich durch den Parasitismus das Gewebe des Wirts Arabidopsis oberhalb der Haustorien nachhaltig veränderte: Eine deutliche Schwellung und Gewebszunahme, eine sogenannte Hypertrophie, entwickelte sich - ähnlich wie es auch bei anderen Wirtspflanzen beobachtet wurde.

Hypertrophie auslösende Cytokinine werden in den Parasiten produziert

Um dies genauer zu untersuchen, experimentierte die Arbeitsgruppe mit Arabidopsis-Mutanten:  Arabidopsis-Rezeptormutanten, die nicht mehr auf Cytokinine reagieren können und Cytokinin-Biosynthesemutanten, die selbst nicht in der Lage sind, hinreichend Cytokinine herzustellen. Damit konnte der Verdacht erhärtet werden, dass die Hypertrophie durch Cytokinine des Parasiten verursacht wird und völlig unabhängig von der Cytokinin-Synthese in der Wirtspflanze ist.

Um dies zu bestätigen, veränderten die Wissenschaftler Wurzeln von Phtheirospermum genetisch dahingehend, dass Cytokinine bereits dort abgebaut werden. Diese genetisch veränderten Wurzeln waren zwar nun weiterhin in der Lage, Arabidopsis-Pflanzen zu infizieren, lösten jedoch keine Hypertrophie in der Wirtspflanze mehr aus. Da in den Experimenten Wildtyp-Wirte mit Hypertrophie kleiner waren als untersuchte Mutanten-Wirte, die resistent gegen Hypertrophie waren, deutet das den Forschern zufolge daraufhin, dass die Hypertrophie den Parasiten ermöglicht, den Wirt effizienter zu parasitieren.

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Phtheriospermum japonicum (rechts) wächst besser, wenn sie eine Wirtspflanze wie Arabidopsis thaliana (links) parasitieren kann (mitte).

Phtheriospermum japonicum (rechts) wächst besser, wenn sie eine Wirtspflanze wie Arabidopsis thaliana (links) parasitieren kann (mitte).

Bildquelle: © Thomas Spallek

Die universelle Sprache der Pflanzenhormone

Mit ihren Versuchen konnte das Forscherteam zeigen, dass Parasitismus keine Einbahnstraße ist: Nährstoffe gelangen von der Wirtspflanze in den Parasiten und umgekehrt überträgt der Parasit Hypertrophie-auslösende Signalmoleküle in die Wurzeln der Wirtspflanze.

Damit bedient sich Phtheirospermum - und wahrscheinlich auch andere parasitäre Pflanzen - der universellen „Sprache“ der Pflanzenhormone. Und auch Pathogene, wie einige Bakterien, Pilze und Nematoden, verwenden Cytokinine, um auf ihre pflanzlichen Wirte einzuwirken.

Diese Beobachtungen zieht die Frage nach sich, ob noch andere Moleküle von parasitären Pflanzen auf ihre Wirte übertragen werden. Ein besseres Verständnis über den molekularen Signalaustausch zwischen Parasit und Wirt kann auf jeden Fall in Zukunft dazu beitragen, wirtschaftlich bedeutende Kulturpflanzen von den negativen Folgen des Parasitismus besser zu schützen.


Quellen:

  • Spallek, T., Melnyk C. W., et al. (2017): Interspecies hormonal control of host root morphology by parasitic plants. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, (1. Mai 2017), doi: 10.1073/pnas.1619078114.
  • Heide-Jørgensen, H.S. (2008): Parasitic Flowering Plants. Brill.

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Titelbild: Misteln sind sogenannte Halbschmarotzer - sie parasitieren Wirtspflanzen und leben teilweise von ihnen. (Bildquelle: © unicusx/Fotolia.com)