Wurzelverschwendung?

Blattverlust durch Herbivoren führt zu mehr Wurzelmasse

07.08.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Kleiner Knabberer: Heuschrecken ernähren sich hauptsächlich von Gräsern. (Bildquelle: © Heiko Stein/Pixabay/CC0)

Kleiner Knabberer: Heuschrecken ernähren sich hauptsächlich von Gräsern. (Bildquelle: © Heiko Stein/Pixabay/CC0)

Fressen Schädlinge die Blätter einer Pflanze, reagiert sie umgehend mit verstärktem Wurzelwachstum und veränderter Wurzelmorphologie, fanden Forscher heraus. Vermutlich wird dadurch die Nährstoff- und Wasseraufnahme optimiert, um dem Blattverlust zeitweise entgegenzuwirken. Das hatte bislang noch niemand untersucht. Diese Erkenntnis könnte auch Pflanzenzüchter interessieren.

Pflanzen haben tagtäglich mit Schäden durch Herbivoren zu kämpfen. Sie müssen mit entsprechenden Taktiken darauf reagieren. Eine Studie des Institutes für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam zeigt eine Anpassungsreaktion der Pflanzen, die bislang noch niemand so recht untersucht hatte.

Geschädigte Blätter, mehr Wurzeln

Die Arbeitsgruppe wollte wissen, ob Fraßschäden an Blättern auch Auswirkungen auf die Wurzeln haben. Getestet wurde das an 20 in Deutschland heimischen Wildpflanzenarten, darunter Gräser. Das Ergebnis war eindeutig: Die Wurzelmasse, -oberfläche und -länge geschädigter Pflanzen nahmen gegenüber den Kontrollpflanzen signifikant zu. Im Gegensatz dazu reduzierte sich die Dichte des Wurzelgewebes und der Wurzeldurchmesser.

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Es wurde untersucht, ob Fraßschäden an Blättern auch Auswirkungen auf die Wurzeln haben. Getestet wurde das an 20 in Deutschland heimischen Wildpflanzenarten, darunter Gräser wie Bromus hordeaceus.

Es wurde untersucht, ob Fraßschäden an Blättern auch Auswirkungen auf die Wurzeln haben. Getestet wurde das an 20 in Deutschland heimischen Wildpflanzenarten, darunter Gräser wie Bromus hordeaceus.

Bildquelle: © iStock.com/seven75

Die Zunahme von Wurzellänge und -oberfläche bei den geschädigten Pflanzen könnte mit einem erhöhten Aufnahmepotenzial von Nährstoffen und Wasser in Zusammenhang stehen, vermutet Johannes Heinze, der Autor der Studie. Die Pflanze versucht auf diesem Weg vermutlich, den oberirischen Biomasseverlust auszugleichen, die Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Pflanzen zu stärken und gegebenenfalls noch mehr Abwehrstoffe gegen die Schädlinge zu produzieren. Auch die Abnahme des durchschnittlichen Wurzeldurchmessers könnte in diese Richtung weisen. Dies sind jedoch bislang nur Hypothesen.

Eine Tür öffnet sich

Die Studie gibt nur erste Hinweise auf einen zusätzlichen und bisher wenig beachteten Anpassungsmechanismus von Pflanzen bei Herbivoren-Befall – aber er könnte für die Pflanzenzüchtung interessant sein. Denn schon bei anderen pflanzlichen Regelsystemen wurde beobachtet, dass allzu schnelle Reaktionen von Kulturpflanzen auf ihre Umwelt auf Kosten des Ertragspotentials gehen können.

Im hier untersuchten Fall investiert die Pflanze Ressourcen für den Wurzelaufbau und -umbau bei gleichzeitig abnehmender Photosyntheseleistung aufgrund der Blattschäden. Wären die entsprechenden molekularen Regelmechanismen bekannt, könnten Züchter die Geschwindigkeit oder das Ausmaß des stressinduzierten Wurzelumbaus bei Kulturpflanzen gezielt verändern. Idealerweise müsste dann die Pflanzen noch mit einem verbesserten und direkten Abwehrmechanismus gegen Herbivoren ausgestattet werden, um auf chemische Pflanzenschutzmaßnahmen verzichten zu können.

Auch die Frage bleibt derzeit noch offen, über welchen Zeitraum der durch Herbivorenbefall ausgelöste Wurzelumbau noch keine signifikante Ertragsdepression verursacht, aber gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der Pflanze durch verbesserte Nährstoff- und Wasseraufnahme erhöht. Ziel ist es zu verstehen, wie Regelmechanismen und Stoffwechselleistungen von ober- und unterirdischen Pflanzenteilen optimal aufeinander abgestimmt werden können. Somit gibt es noch viel Raum für weitere Forschungsarbeiten.


Quelle:
Heinze, J. (2020): Herbivory by aboveground insects impacts plant root morphological traits. In: Plant Ecology (2020), 221: 725 – 732, (August 2020), doi: 10.1007/s11258-020-01045-w.

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Titelbild: Kleiner Knabberer: Heuschrecken ernähren sich hauptsächlich von Gräsern. (Bildquelle: © Heiko Stein/Pixabay/CC0)