Genetische Spielwiese

Genomduplikationen machen den Weg frei für morphologische Vielfalt

15.10.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Viele unserer Kulturpflanzen gehören zu den Kreuzblütlern. Genomduplikationen haben ihre Vielfalt ermöglicht. (Bildquelle: © iStock.com/Nachteule)

Viele unserer Kulturpflanzen gehören zu den Kreuzblütlern. Genomduplikationen haben ihre Vielfalt ermöglicht. (Bildquelle: © iStock.com/Nachteule)

Die morphologische Vielfalt unserer Pflanzenwelt ist das Resultat von Umweltfaktoren und deren Einflüsse auf den pflanzlichen Organismus. Doch welche Vorgänge spielen sich dabei auf genetischer Ebene ab? Ein Forscherteam der Universität Heidelberg verglich dazu die morphologischen Charakteristika aller 4 000 Arten der Kreuzblütlerfamilie und erstellte einen genetischen Stammbaum auf Gattungsebene. Dabei zeigte sich, dass insbesondere Genomduplikationen zu genetischer Vielfalt führen und dadurch die Entwicklung diverser Formen und Strukturen vorangetrieben wurde.

In der Evolution gibt es unterschiedliche Wege, wie Gene neue Funktionen übernehmen können: Ein wichtiger Mechanismus ist die Duplikation von Genen oder sogar von ganzen Genomen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die Idee: Die Kopie eines Gens hat quasi die Freiheit, neue Funktionen zu übernehmen und das schafft für den Organismus einen evolutionären Vorteil. Es wird vermutet, dass viele große Übergänge in der Evolution – etwa der Übergang vom Einzeller zum Mehrzeller – von einer Vergrößerung des Erbguts begleitet wurde.

Frühere Untersuchungen haben bereits angedeutet, dass Genomduplikationen auch für die Diversifizierung von Bedecktsamern eine maßgebliche Rolle gespielt haben könnten. Ob das auch für die Familie der Kreuzblütler (Kohlgewächse) zutrifft, untersuchte die neuste Studie der ForscherInnen am Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg.

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Genomduplikationen stellen bei den Landpflanzen einen herausragenden Prozess dar, um zusätzliche genetische Variabilität zur Verfügung zu stellen.

Genomduplikationen stellen bei den Landpflanzen einen herausragenden Prozess dar, um zusätzliche genetische Variabilität zur Verfügung zu stellen.

Bildquelle: © Marcus Koch / Universität Heidelberg

Über 4 000 Arten in komplexer Analyse erfasst

Um die Zusammenhänge zwischen Morphologie und Evolution zu entschlüsseln, musste das Team zunächst Charakteristika und bereits bekannte Verwandtschaftsbeziehungen von allen 4 000 Arten erfassen. Wie sich diese Arten evolutionär voneinander abgespalten haben, rekonstruierten die ForscherInnen mithilfe von Genomanalysen. Aus allen gesammelten Informationen entstand ein Stammbaum der unterschiedlichen Gattungen. Dabei bestätigte sich die Annahme, dass die Entwicklung vieler Merkmalsausprägungen im Zusammenhang mit Genomduplikationen steht.

Evolutionäre Anpassung scheinbar willkürlicher als gedacht

Die Ergebnisse der ForscherInnen legen auch nahe, dass die evolutionären Anpassungen der für die Landwirtschaft bedeutenden Pflanzenfamilie (Raps, Zuckerrübe, Kohl, etc.) nicht gerichtet – also linear – abgelaufen ist. „Es ist überraschend, dass es im Hinblick auf die untersuchten morphologischen Merkmale keine Schlüsselinnovationen gibt. Die Merkmalsausprägungen wechseln stetig und sind scheinbar willkürlich immer wieder zusammengesetzt worden. Evolution kann auf diese Weise also schnell und divergierend verlaufen“, so Marcus Koch, Leiter der Studie. Angepasst an die jeweilige Umwelt, scheint sich Evolution also vielmehr immer wieder neu aus einem vorhandenen Set an Eigenschaften und Formen zu bedienen und diese neu zu variieren.

… Genomvergrößerungen sind auch reversibel

Bis zu 24 Prozent der Arten bei den höheren Pflanzen sind polyploid, weisen also eine Vervielfachung ihrer Chromosomensätze auf. Diese Pflanzen sind häufig größer und vitaler als ihre diploiden Verwandten, tragen größere Samen, kommen besser mit widrigen Umweltbedingungen zurecht und halten auch einem höheren Schädlingsdruck stand. Dies zeigt abermals, dass ein größeres Erbgut evolutionäre Vorteile mit sich bringen kann.

Dennoch hat das Forscherteam auch rekonstruieren können, dass Genomduplikationen teilweise auch reversibel sind. So haben die Vorläufer der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) laut der Analysen mindestens drei Mal im Verlauf der letzten 160 Millionen Jahre ihre Genome dupliziert. Doch heute besitzt die Ackerschmalwand nur noch 10 Chromosomen. Der Grund könnte sein, dass in manchen Fällen die Genome durch Verkleinerung erst wieder stabilisiert werden müssen.


Quelle:
Walden, N. et al. (2020): Nested whole-genome duplications coincide with diversification and high morphological disparity in Brassicaceae. In: Nature Communications 11, 3795, (30. Juli 2020), doi: 10.1038/s41467-020-17605-7.

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Titelbild: Viele unserer Kulturpflanzen gehören zu den Kreuzblütlern. Genomduplikationen haben ihre Vielfalt ermöglicht. (Bildquelle: © iStock.com/Nachteule)