Ein Tetramer gibt den Startschuss

Pflanzen aktivieren mit Holoenzymen ihre angeborene Immunantwort

18.12.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Falscher Mehltau kann unterschiedlichste Pflanzen angreifen. Um ein Ausbreiten der Krankheit zu verhindern, lässt die Pflanze gezielt infizierte Zellen absterben. (Bildquelle: © Christian Hummert / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Falscher Mehltau kann unterschiedlichste Pflanzen angreifen. Um ein Ausbreiten der Krankheit zu verhindern, lässt die Pflanze gezielt infizierte Zellen absterben. (Bildquelle: © Christian Hummert / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)

Um die Ausbreitung von Krankheitserregern zu stoppen, müssen Pflanzen manchmal den Tod infizierter Zellen initiieren. Jetzt wird erstmals klar, wie komplex das molekulare Zusammenspiel dabei ist.

Genau wie Tiere verfügen auch Pflanzen über ein angeborenes Immunsystem, mit dem sie sich gegen Krankheitserreger verteidigen. Sie setzten dabei unter anderem auf intrazelluläre Rezeptoren, auch als NLR-Proteine bezeichnet (Nukleotid-bindende/Leucin-reiche-Wiederholungsproteine). Diese Rezeptoren erkennen verräterische Pathogenmoleküle und aktivieren dann Verteidigungsmechanismen. Bisher war allerdings nur sehr wenig darüber bekannt, wie genau die Rezeptoren aktiviert werden und ihre Signale weiterleiten.

Einem Team von Wissenschaftlern um Professor Jijie Chai von der Universität zu Köln und dem Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung hat jetzt erstmals einen detaillierten Einblick in diese Vorgänge erhalten. Mit Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, den NLR-Rezeptor RPP1 der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) quasi bei der Arbeit zu beobachten.

Ein kleiner Exkurs: Die Kryo-Elektronenmikroskopie ist zurzeit die einzige Möglichkeit, die Struktur von Molekülen so präzise zu analysieren. Proteine werden dafür bei Temperaturen unter 150 Grad Celsius aus verschiedenen Richtungen betrachtet und schließlich am Computer zu einem dreidimensionalen Modell zusammengesetzt. Die Technik wird zurzeit weltweit nur an wenigen Forschungszentren eingesetzt.

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An der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) konnte der NLR-Rezeptor RPP1 genauer untersucht werden. Dabei stellte sich heraus: Ein RPP1-Molekül allein kann durch Bindung seines Effektors gar nicht aktiviert werden. Es braucht vier Rezeptor- und Effektormoleküle.

An der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) konnte der NLR-Rezeptor RPP1 genauer untersucht werden. Dabei stellte sich heraus: Ein RPP1-Molekül allein kann durch Bindung seines Effektors gar nicht aktiviert werden. Es braucht vier Rezeptor- und Effektormoleküle.

Bildquelle: © iStock.com/kovalvs

Vier plus vier ist eins

Dabei kam heraus: Ein RPP1-Molekül allein kann durch Bindung seines Effektors gar nicht aktiviert werden. Vielmehr müssen sich vier Rezeptormoleküle RPP1 mit vier Effektormolekülen ATR1 zusammentun. Dadurch entsteht ein asymmetrisches Holoenzym, dass im Inneren eine Bindestelle für das Molekül NAD+ beinhaltet. Wird NAD+ gespalten, startet eine Signalkaskade, die zum Schutz der Pflanze den Tod der infizierten Zellen bewirkt.

Das Molekül ATR1 wird vom Pilz Hyaloperonospora arabidopsidis (Hpa) produziert. Dieser Pilz und seine Verwandten lösen bei unterschiedlichsten Pflanzen den sogenannten Falschen Mehltau aus. Die befallenen Organe vergilben und fallen ab, große Ernteverluste bei wichtigen Kulturpflanzen wie Kartoffeln oder Weinreben sind die Folge. Es ist daher schon lange von großem Interesse für die Forschung, mehr über die molekularen Mechanismen zu verstehen, die bei einer solchen Infektion ablaufen. Erst mit diesem Wissen kann es gelingen, gezielt Pflanzen zu züchten, die Resistenzen gegen diese Pathogene aufweisen.

Kein Einzelfall, sondern ein Prinzip

Etwa zur gleichen Zeit hat eine Gruppe aus US-amerikanischen Wissenschaftlern ganz ähnliche Erkenntnisse zum Rezeptor Roq1 der Tabakpflanze Nicotiana benthamiana veröffentlicht. Auch Roq1 bildet für die Aktivierung eine Holoenzym aus, dass aus vier Rezeptor- und vier Effektormolekülen besteht. Es scheint also, als sei dies ein allgemeiner Wirkmechanismus, der bei verschiedenen Pflanzen-Pathogen-Interaktionen eintritt. In seinem Aufbau ähneln diese Proteinkomplexe zudem den Apoptosomen und Inflammasomen von tierischen Organismen. Der Mechanismus scheint also evolutionär stark konserviert zu sein.

„Diese Ergebnisse bringen uns beim Verständnis der Aktivierungsmechanismen von pflanzlichen TNL-Rezeptoren einen großen Schritt voran“, schreiben die Autoren daher auch in Ihrem Paper. TNL steht für Toll/Interleukin-1-Rezeptor/Resistenz-Module und beschreibt eine der zwei Hauptklassen von NLRs. Die andere enthält sogenannte Coiled-coil-Module und heißt daher CNL.

Weiterhin ist jedoch unklar, wie genau die Spaltung von NAD+ die Immunantwort der Pflanze aktiviert. Möglicherweise ist NAD+ auch nicht das einzige oder nicht einmal das bevorzugte Substrat des Holoenzyms. Es sind also noch einige Fragen offen.


Quellen:

  • Ma, S. et al. (2020): Direct pathogen-induced assembly of an NLR immune receptor complex to form a holoenzyme. In: Science 370, (4. Dezember 2020), doi: 10.1126/science.abe3069.
  • Tian, L. und Li, X. (2020): Enzyme formation by immune receptors. In: Science 370, (4. Dezember 2020), doi: 10.1126/science.abf2833.
  • Martin, R. et al. (2020): Structure of the activated ROQ1 resistosome directly recognizing the pathogen effector XopQ. In: Science 370, (4. Dezember 2020), doi: 10.1126/science.abd9993.

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Titelbild: Falscher Mehltau kann unterschiedlichste Pflanzen angreifen. Um ein Ausbreiten der Krankheit zu verhindern, lässt die Pflanze gezielt infizierte Zellen absterben. (Bildquelle: © Christian Hummert / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0)