Was angeknabberte Fossilien verraten

Schlafbewegungen von Pflanzen gibt es seit mindestens 250 Millionen Jahren

06.03.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Klipp-klapp und weg: Der Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella) bewegt seine Blätter in der Nacht nach unten und morgens wieder hoch – aber auch bei zu viel Sonnenschein. (Bildquelle: © aszak / Pixabay)

Klipp-klapp und weg: Der Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella) bewegt seine Blätter in der Nacht nach unten und morgens wieder hoch – aber auch bei zu viel Sonnenschein. (Bildquelle: © aszak / Pixabay)

Versteinerte Blätter mit symmetrischen Fraßspuren zeigen, dass bereits Pflanzen aus dem Oberperm ihre Blätter aktiv bewegen konnten.

Auch Pflanzen können sich „bewegen“ – zumindest einzelne Pflanzenteile wie Blätter, Blüten oder Spaltöffnungen. Sie reagieren damit auf bestimmte Umweltbedingungen und Reize,  Bisher ging man davon aus, dass diese Erfindung erst den moderneren Angiospermen zuzurechnen sei. Eine neue Studie verortet diese Fähigkeit nun aber viel früher, anhand von fossilen Blättern mit Fraßspuren.

Let‘s move: Tropismen und Nastien

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Symmetrische Insektenfraßschäden auf dem Blatt eines inzwischen ausgestorbenen Gigantopteriden: Beweis für Schlafbewegungen bereits im Oberperm.

Symmetrische Insektenfraßschäden auf dem Blatt eines inzwischen ausgestorbenen Gigantopteriden: Beweis für Schlafbewegungen bereits im Oberperm.

Bildquelle: © Current Biology/Feng et al. / CC BY-SA

Je nach Art der Bewegung spricht man von Tropismen oder Nastien. Tropismen sind Bewegungen in Richtung eines auslösenden Reizes, wie etwa beim Phototropismus: Die Pflanzensprossen wachsen zum Licht, das Wurzelwachstum folgt der Schwerkraft nach unten. Nastien dagegen werden zwar auch durch einen Reiz ausgelöst, aber die Bewegungen sind unabhängig von der Richtung, aus der der Reiz kommt. Beispiele sind das Gänseblümchen, das bei Wärme seine Blütenblätter öffnet (Thermonastie) oder der Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella), der abends seine Blättchen nach unten klappt und morgens wieder aufspannt (Schlafbewegungen, Nyktinastie). Diese Bewegung wird durch Unterschiede im Turgordruck in den Motorzellen des Blattgelenkes (Pulvinus) erzeugt.

Der evolutionäre Ursprung solcher Schafbewegungen war bislang unklar. Zumindest konnten Pflanzen mit Pulvini bereits im Eozän (56 bis 33,9 Millionen Jahre) nachgewiesen werden. Möglicherweise wurden sie schon für eine nyktinastische Bewegung genutzt.

Symmetrische Knabbermuster

Ein chinesisch-schwedisches Forscherteam hat nun einen neuen Puzzlestein gefunden, der etwas über die Entstehungszeit der Nyktinastie verrät. Auf der Suche nach evolutionären Nachweisen wurden es bei fossilen Blattabdrücken aus dem Oberperm (Alter: 259,9 bis 251,9 Millionen Jahre) fündig. Bei der Pflanze handelt es sich um ein Mitglied der ausgestorbenen tropischen Gattung Gigantonoclea, die in der chinesischen Provinz Yunnan gefunden wurde. Hier zeigten sich Fraßspuren von Insekten, die symmetrisch entlang der Mittelrippe der Blätter angeordnet waren.

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Auf den entfalteten Blättern von heute lebenden Pflanzen mit Schlafbewegungen (hier: der Gemeinen Klee ( Trifolium repens)) entstehen ähnliche symmetrische Fraßschäden durch Insekten.

Auf den entfalteten Blättern von heute lebenden Pflanzen mit Schlafbewegungen (hier: der Gemeinen Klee ( Trifolium repens)) entstehen ähnliche symmetrische Fraßschäden durch Insekten.

Bildquelle: © Stephen McLoughlin / CC BY-SA

Die Forscher:innen verglichen sie mit Fraßspuren an modernen Pflanzenarten, die mit ihren Blättern Schlafbewegungen ausführen: Den Hülsenfrüchtlern Bauhinia spec. (Orchideenbaum), Phanera vahlii, Arachis duranensis und Trifolium repens (Weißklee) sowie dem Wald-Sauerklee. Auch hier konnten sie  sehr ähnliche symmetrische Fraßspuren entlang der Mittelrippe nachweisen.   

Nickerchen mit Folgen

Die Forscher:innen folgerten daraus, dass die fossilen Blätter in der Nacht zusammengeklappt waren, als sie von altertümlichen Insekten angefressen wurden. Die unterschiedlichen Lochgrößen entstanden, weil die Insekten sich von der oberen zur unteren Blattschicht durchgefressen haben. Das Loch in der oberen Schicht war dadurch größer. Denkbar wäre auch, dass Tiere die Blätter bereits perforiert hatten, als sie noch im frühen Entwicklungszustand eingerollt waren. Da die untersuchten Blätter voll entwickelt seien und keine Gewebedeformationen aufweisen, scheide diese Möglichkeit aber aus, so die Forscher:innen. Damit steht fest: Nyktinastie gab es bereits im Perm, lange vor der Entstehung unserer heutigen Blütenpflanzen. Die traten erst in der Kreidezeit auf die Bühne des Lebens, also vor 145 bis 66 Millionen Jahren.


Quellen:

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Klipp-klapp und weg: Der Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella) bewegt seine Blätter in der Nacht nach unten und morgens wieder hoch – aber auch bei zu viel Sonnenschein. (Bildquelle: © aszak / Pixabay)