Pflanzenarchitektur: Über Knoten und Internodien

Das Wachstum der Hauptachse von Gerste beruht auf unterschiedlich regulierten Abschnitten

05.04.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Halme von Getreiden gliedern sich in Knoten und Internodien. Das Längenwachstum der Gerste hängt von der Anzahl und Länge der Internodien ab. (Bildquelle: © Rasbak / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Die Halme von Getreiden gliedern sich in Knoten und Internodien. Das Längenwachstum der Gerste hängt von der Anzahl und Länge der Internodien ab. (Bildquelle: © Rasbak / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Die Hauptachse von Gerste besteht aus drei Abschnitten, in denen Anzahl und Länge der Internodien unterschiedlich reguliert sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter Federführung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. Das eröffnet den Weg, züchterisch Ertrag und Standfestigkeit weiter zu optimieren.

Es war ein epochaler Durchbruch bei zahlreichen Getreidearten: Die Entdeckung von Genen für Kurzstrohigkeit, die zur Züchtung von Sorten mit verkürzten Halmen führte. Das hatte gleich mehrere Vorteile: ein reduzierter Bedarf an Nährstoffen für die Strohbildung, ein höherer Kornertrag und eine bessere Standfestigkeit bei Regen und Sturm. Ein deutsches Forschungsteam unter Leitung des IPK hat nun am Beispiel der Gerste starke Belege dafür gefunden, dass die Länge der Hauptachse noch komplexer reguliert ist, als bislang angenommen.

Wie sind Anzahl und Länge der Internodien reguliert?

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Ein Phytomer (links) von der Hauptkörperachse eines vegetativen Halms bei Gerste (gezeichnet nach Forster et al., Ann Bot. 2007). Rechts ein Haupthalm von Gerste, der in drei Zonen unterteilt werden kann (distal, zentral und proximal). Die bodennahen Internodien werden anders reguliert als bodenferne Internodien.

Ein Phytomer (links) von der Hauptkörperachse eines vegetativen Halms bei Gerste (gezeichnet nach Forster et al., Ann Bot. 2007). Rechts ein Haupthalm von Gerste, der in drei Zonen unterteilt werden kann (distal, zentral und proximal). Die bodennahen Internodien werden anders reguliert als bodenferne Internodien.

Bildquelle: © IPK Gatersleben

Die Hauptachse von Gefäßpflanzen wie Gerste ist aus sogenannten Phytomeren zusammengesetzt. Ein Phytomer besteht aus einem Knoten, einem Seitenzweig und einem Internodium. Letzteres bildet den Abschnitt zwischen zwei Knoten. Anzahl und Länge der Internodien entscheiden damit über die Gesamtlänge der Hauptachse. Bei Introgressionslinien aus Wildgerste, dem zweireihigen Elitekultivar Barke und bei Repräsentanten der drei global wichtigsten Subpopulationen von domestizierter sechsreihiger Sommergerste haben die Forscher:innen deshalb untersucht, welche regulatorischen Prozesse das Internodienwachstum beeinflussen.

Anhand von 15.000 Datenpunkten, mit denen das Team die Anzahl und Länge der Internodien von 2.500 Gerstenpflanzen vermaß, zeigte sich ein unerwartetes Muster: Die Hauptachse kann demnach in drei Abschnitte unterteilt werden, in denen sich die Internodien auch ohne äußere Einflüsse unterschiedlich entwickeln. Die Forscherinnen sprechen von einer bodennahen proximalen, einer zentralen sowie einer distalen Zone. So besitzen Introgressionslinien der Wildgerste verglichen mit den Elitelinien in der distalen Zone längere Internodien und in der proximalen Zone kürzere – unabhängig von der Gesamtzahl der Knoten.

Lokale Anpassungen erfolgen meist im unteren Halmbereich

Bei domestizierter Sommergerste konnte die Studie den kurzen, stämmigen Wuchs der „östlichen“ Subpopulation gegenüber dem der „westlichen“ Variante damit erklären, dass das Wachstum der proximalen Internodien unterdrückt wird. Die Unterschiede waren so groß, dass sie nicht durch zufällige genetische Drift zu erklären sind, sondern auf lokale Anpassungen zurückzuführen sein müssen.

Außerdem kann die gleiche Halmlänge ebenso durch zahlreiche kurze Internodien wie durch eine kleinere Zahl langer Internodien zustandekommen: Pflanzen mit vielen Internodien weisen in der Studie kürzere Internodien auf – und umgekehrt. Letzteres fanden die Forscher etwa bei der Wildgerste: Eine genomweite Assoziationsstudie legt nahe, dass die Introgressionslinien Allele der Wildgerste aufweisen, die die Zahl der Knoten verringern, aber das Wachstum der Internodien begünstigen. Phänotypische Variation ist somit möglich, ohne dass sich das übergeordnete Merkmal – die Halmlänge – ändert.

Umfunktionierte Gene der Blühregulation sind wohl entscheidend

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Kurzstrohigkeit ist für Kornertrag und Stabilität der Gerste vorteilhaft, zumindest wenn sie auf verkürzte Internodien der Hauptachse in Bodennähe zurückgeht – so ein Ergebnis der neuen Studie.

Kurzstrohigkeit ist für Kornertrag und Stabilität der Gerste vorteilhaft, zumindest wenn sie auf verkürzte Internodien der Hauptachse in Bodennähe zurückgeht – so ein Ergebnis der neuen Studie.

Bildquelle: © Matt Lavin / Wikimedia; CC-BY-SA-2.0

Genetisch stecken hinter der Regulation der Phytomere vermutlich umfunktionierte Mitglieder der Familie der Flowering-Time-Gene, wie genetische Analysen ergaben. Drei Beispiele dafür stellen die Forscher:innen in ihrer Studie ausführlich vor. So habe etwa der Austausch einer einzigen Aminosäure im Produkt des Gens EARLY FLOWERING3 dazu geführt, dass sich mehr Phytomere bildeten und die Hauptachse der Gerste in nördlichen Breiten länger sei.

Nicht zuletzt ergab eine Hauptkomponentenanalyse, dass das Wachstum der vegetativen und der reproduktiven Phytomere stark korreliert: Oft haben kurzstrohige Gerstensorten daher den Nachteil, dass sie viele Düngemittel benötigen, um ihre Fruchtbarkeit zu bewahren. Die Studie zeigt nun, dass kurze proximale Internodien mit einer höheren Überlebensrate der Blütenorgane verbunden sind. Aus Ertragssicht wäre es somit förderlich, Kurzstrohigkeit vor allem über die reduzierte Länge der bodennahen Internodien zu erzielen.

Optimierungspotenzial für die Pflanzenzüchtung

Da Gerste ein Getreide ist, das in einer hohen Dichte von rund 300 Pflanzen pro Quadratmeter angebaut wird, existieren auf dem Feld auch unterschiedliche Mikroklimata, die mit den drei Zonen der Hauptachse korrelieren. Das könnte erklären, weshalb lokale Anpassungen vor allem durch unterschiedliche Längen der proximalen Internodien erfolgen.

Ein besseres Verständnis der Pflanzenarchitektur hilft somit nicht nur, entwicklungsbiologische Prozesse nachzuvollziehen, sondern eröffnet Potenziale für die Züchtung. Pflanzen können in den jeweiligen Zonen der Hauptachse und nicht nur in ihrer Gesamtlänge optimiert werden. Das könnte auch ein Ansatzpunkt sein, den Konflikt zwischen der optimalen Leistung der Einzelpflanze und dem optimalen Ertrag der Pflanzengemeinschaft zu verringern.


Quelle: Huang, Y., et al. (2024): “Dynamic phytomeric growth contributes to local adaptation in barley.” In: Molecular Biology & Evolution, Vol. 41, Iss. 2 (Februar 2024). doi: 10.1093/molbev/msae011.


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Titelbild: Die Halme von Getreiden gliedern sich in Knoten und Internodien. Das Längenwachstum der Gerste hängt von der Anzahl und Länge der Internodien ab. (Bildquelle: © Rasbak / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)