Projekt Phasi_EPMS

Kleine nicht-kodierende RNAs entscheiden über die Sterilität bei Körnermais unter Hitzestress

10.04.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Bei Hitze zur Blütezeit werden viele Maispflanzen steril: Der Pollen entwickelt sich nicht mehr und es wachsen keine Maiskolben heran. Das Projekt Phasi_EPMS will die Mechanismen verstehen, um hitzestabile Maispflanzen erzeugen zu können. (Bildquelle: © nikitozawr / Pixabay)

Bei Hitze zur Blütezeit werden viele Maispflanzen steril: Der Pollen entwickelt sich nicht mehr und es wachsen keine Maiskolben heran. Das Projekt Phasi_EPMS will die Mechanismen verstehen, um hitzestabile Maispflanzen erzeugen zu können. (Bildquelle: © nikitozawr / Pixabay)

Der Ertragsausfall von Körnermais bei Hitze hängt auch mit kleinen nicht-kodierenden RNAs zusammen. Aufgrund der Vielfalt dieser RNAs und ihrer Zielgene ist es schwierig, die genauen Mechanismen zu verstehen und dann auch noch züchterisch einzugreifen. Wenn es aber gelänge, die entscheidenden Zielgene zu identifizieren, könnte der Kornertrag auch bei hohen Temperaturen stabilisiert werden.

Immer häufiger ist es in der Fortpflanzungsphase von Nutzpflanzen zu heiß, sodass die Blüten steril werden und keine Samen bilden. Beispielsweise bei Körnermais droht dann ein Totalausfall der Ernte. Insbesondere die Entwicklung der Pollenkörner ist besonders hitzeempfindlich. Unlängst haben Studien gezeigt, dass hierbei kleine nicht-kodierende RNA-Moleküle (small non-coding RNAs, sncRNAs) beteiligt sind, zu denen phasiRNAs, miRNAs, siRNAs und IncRNAs gehören. Diese Moleküle regulieren sowohl die Stabilität von mRNAs als auch DNA-Methylierungen im Genom. Damit tragen diese Moleküle zur Modulation der Genexpression während der Pollenbildung auf epigenetischer Ebene bei. Das Forschungsprojekt Phasi_EMPS um Thomas Dresselhaus von der Universität Regensburg hat sich vorgenommen aufzuklären, wie und insbesondere welche phasiRNAs und miRNAs zur hitzebedingten Sterilität gerade bei der frühen Pollenentwicklung beitragen. Das langfristige Ziel ist es, hitzetolerante Maislinien zu entwickeln. Dazu werden tropische Maislinien, die hitzeunempfindlicher sind als in Deutschland angebaute temperente Maislinien, in die Untersuchungen miteinbezogen.

Hitzestress verhindert den Kornansatz

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Prof. Dr. Thomas Dresselhaus diskutiert mit seiner im Projekt eingestellten Mitarbeiterin Dr. Li-Hsuan Ho die Qualität von Mais-Pollen nach Hitzebehandlung.

Prof. Dr. Thomas Dresselhaus diskutiert mit seiner im Projekt eingestellten Mitarbeiterin Dr. Li-Hsuan Ho die Qualität von Mais-Pollen nach Hitzebehandlung.

Bildquelle: © Thomas Dresselhaus

„Wenn Hitzestress nur wenige Tage anhält, kann sich das vegetative System einer Pflanze normalerweise gut erholen“, erläutert Dresselhaus. „Aber wenn sich genau zu diesem Zeitpunkt die Blüten entwickeln, kann das fatal sein.“ Denn entwickelt sich der Pollen nicht richtig, kann die Samenanlage nicht befruchtet werden und es entsteht kein Kornansatz. Lange Zeit war dies eher ein Thema im Süden Deutschlands, wo besonders viel Körnermais und weniger Silagemais angebaut wird. Mit der Klimaerwärmung dehnt sich aber nicht nur der Anbau von Körnermais weiter nach Norden aus - insbesondere das Problem der hitzebedingten Blütensterilität bei Temperaturen über 30 Grad Celsius – welches früher nur alle paar Jahre relevant war – ist heute ein Dauerthema und gefährdet den Kornertrag.

Frühere Daten der Forschungsgruppe hatten gezeigt, dass sich die Genexpression in sncRNA-Signalwegen in den Meiozyten von Maislinien aus gemäßigten und tropischen Regionen deutlich unterscheidet. Die Forscher:innen wollen daher hitzestressanfällige Maislinien aus gemäßigten Breiten mit an Hitze angepassten Linien aus tropischen Regionen vergleichen. Dabei untersucht das Team die Meiozyten in drei Stadien: während der Meiose, als Tetraden und als Mikrosporen. Mittels small RNA-seq soll so das Aktivitätsmuster der unterschiedlichen sncRNAs sichtbar gemacht werden.

Kleine nicht-kodierende RNAs verursachen männliche Sterilität

„Das Thema hat unglaublich viel Potenzial“, ist Dresselhaus überzeugt, „viele andere Gruppen auch in den USA und China sind inzwischen darauf aufgesprungen.“ Umso mehr ärgert ihn, dass das eigene Projekt infolge fehlender Fördermittel und einiger personeller Wechsel im Team erst Anfang 2023 richtig starten konnte. „Letztes Jahr erschienen schon erste Publikationen, die wir hätten schreiben wollen, aber insgesamt sind die Vorgänge komplex und es besteht noch sehr großer Forschungsbedarf.“

Darum treibt der Projektleiter die Forschung nun erst recht voran. Dresselhaus hat kurzerhand die ursprünglich auf phasiRNAs bei Hitzestress fokussierte Fragestellung des Projekts erweitert und möchte nun sämtliche sncRNAs untersuchen, die infolge von Umweltstress die männliche Sterilität beeinflussen. Für Reis konnte im vergangenen Jahr durch eine chinesische Arbeitsgruppe bereits gezeigt werden, dass Hitzestress bei einer besonders empfindlichen Sorte die Konzentration von phasiRNAs durch zwei microRNAs beeinflusst. Als Zielgene wurden dieses Jahr Befruchtungs- und Kältetoleranz-assoziierte Gene identifiziert.

Fokus (nicht nur) auf phasiRNAs

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Dr. Li-Hsuan Ho isoliert den unreifen männlichen Blütenstand aus einer tropischen Maislinie.

Dr. Li-Hsuan Ho isoliert den unreifen männlichen Blütenstand aus einer tropischen Maislinie.

Bildquelle: © Thomas Dresselhaus

PhasiRNAs sind daher weiterhin besonders interessant. „Sie sind während der männlichen Meiose stark hochreguliert – dann, wenn die Empfindlichkeit für Hitzestress am größten ist“, erläutert Dresselhaus. Kommt es zum Hitzestress, werden in den dann männlich sterilen Pflanzen kaum noch phasiRNAs produziert.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Forschung überhaupt verstanden hat, wie phasiRNAs entstehen. Inzwischen ist nicht nur bekannt, dass phasiRNAs und miRNAs in direktem Zusammenhang stehen können, sondern auch dass lange nicht-kodierende RNA-Moleküle (lncRNAs) für ihre Entstehung verantwortlich sind, denen man bis dahin keine Funktion hatte zuordnen können. „Denkbar wäre, dass sich die Sterilität verhindern lässt, wenn es gelingt, bei Hitze die Produktion von phasiRNAs hochzuhalten oder deren Zielgene zu verändern“, beschreibt der Projektleiter ein langfristiges Ziel.

Versuchsanbau unter exakt kontrollierten Bedingungen

Die eigene Arbeitsgruppe bringt dazu die Expertise ein, aus komplexem Blütengewebe, insbesondere aus unreifen männlichen Antheren, einzelne und aufgereinigte lebende Zellen wie Meiozyten, Tetraden und Mikrosporen, die sich unter unterschiedlichen Hitzestress-Regimen entwickelt haben, zu isolieren. Dabei setzen die Fachleute besonders feine Nadeln und Mikropumpen ein. Außerdem hat Dresselhaus spezialisierte Firmen gefunden, die kleine, nicht kodierende RNAs aus relativ geringen Ausgangsmengen sequenzieren. Auch hier kam es anfangs zu einer großen Verzögerung im Projekt: „Wir hatten fünf Monate lang Zellen gesammelt und dann an eine Firma in England für die weiteren Analysen geschickt“, erinnert sich der Projektleiter. Doch die Zellen hingen eine Woche lang beim Zoll fest und waren beim Eintreffen aufgetaut und unbrauchbar – das Sammeln der Zellen begann von vorne.

Um das Forschungsvorhaben zu ermöglichen, hat das Team spezielle Kammern gebaut, in denen es die Pflanzen unter genau kontrollierten Bedingungen Hitzestress aussetzt. Eine zukunftsweisende Pflanzenkulturhalle soll folgen. Dass der Aufwand sich lohnt, davon ist Dresselhaus überzeugt: „Sobald wir die Zielgene kennen, die bei Mais durch Hitzestress-regulierte miRNAs und phasiRNAs moduliert werden, können wir beginnen, deren mRNAs bzw. deren Genexpression zu stabilisieren, so dass am Ende alle Proteine in ausreichender Menge erzeugt werden können, die für die Pollenentwicklung notwendig sind.“ Das Team vermute, dass es sich bei den Zielgenen insbesondere um Genregulatoren wie Transkriptionsfaktoren handelt.

Suche nach der mRNA in der Signalkette

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Dr. Li-Hsuan Ho bei der Isolierung von Meiocyten aus Mais.

Dr. Li-Hsuan Ho bei der Isolierung von Meiocyten aus Mais.

Bildquelle: © Thomas Dresselhaus

Inzwischen hat ein neuer, diesmal in Wien ansässiger Partner aus den Zellen sogenannte sncRNA-Bibliotheken hergestellt und aus dem Pool an Zell-RNA diejenigen mit 19 bis 32 Nukleotiden Länge isoliert. „Jetzt transportieren wir die wertvollen Zellen persönlich nach Wien und können vor Ort und später per Zoom die weiteren Analysen besprechen“, beschreibt Dresselhaus das Vorgehen. Mit den RNAs, deren Häufigkeit bei Hitzestress auffällig verändert ist, geht die Arbeit weiter. Mit bioinformatischen Methoden werden die Sequenzen im Maisgenom verortet und nach Sequenz-Korrelationen zu mRNAs die Zielgene gesucht. „Wenn ich weiß, welche mRNAs betroffen sind, kann ich deren Stabilität untersuchen und schließlich Hauptregulatoren über diesen epigenetischen Ansatz identifizieren, die anschließend moduliert werden können“, erklärt der Pflanzenforscher.

Das würde Licht ins Dunkle bringen. Denn phasiRNAs sind eine sehr heterogene Klasse, die Hunderte oder Tausende Ziele haben könnten – hier wäre ein direkter Eingriff in die Regulation schwierig. „Aber wahrscheinlich gibt es viel weniger Zielgene, sodass wir direkt an der mRNA dieser Gene oder den Zielgenen selbst drehen können, wenn wir die Mechanismen verstanden haben“, hofft Dresselhaus. Dann ließe sich auch bei weltweit eingesetzten Zuchtlinien, die unterschiedlich hitzetolerant sind, vergleichen, ob die betreffenden Gene dort in unterschiedlichen Varianten vorliegen. Die hitzeunempfindlichen Varianten könnten dann züchterisch genutzt werden, um robustere Sorten zu erzeugen.

Nach dem Projekt wird es weitergehen

Nicht nur wegen der ungeplanten Verzögerungen ist für den Projektleiter klar, dass am Ende des Projekts nicht alle Fragen beantwortet sein werden: „Mais hat im Vergleich zur Modellpflanze Arabidopsis lange Generationen und da dauert allein die Herstellung gentechnischer veränderter Testlinien, die nur wenige akademische Gruppen wie wir herstellen können, bis zu einem Jahr. Dadurch benötigen Nutzpflanzenprojekte in der Regel eine mindestens vierjährige Förderung.“ Er sei jedoch zuversichtlich, dass das Team nach drei Jahren Kandidaten-RNAs gefunden haben werde und erste Mechanismen publizieren könne. „Und dann geht es hoffentlich mit einer Anschlussförderung für die wichtige Thematik weiter!“, hofft Dresselhaus.


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Titelbild: Bei Hitze zur Blütezeit werden viele Maispflanzen steril: Der Pollen entwickelt sich nicht mehr und es wachsen keine Maiskolben heran. Das Projekt Phasi_EPMS will die Mechanismen verstehen, um hitzestabile Maispflanzen erzeugen zu können. (Bildquelle: © nikitozawr / Pixabay)