Züchtung verändert Pflanzen stärker als Gentechnik

„Der Einfluss der Transgene ist im Wesentlichen auf ihre unmittelbare Funktion begrenzt“

Gentechnische Eingriffe könnten unbeabsichtigte Folgen für den Stoffwechsel der veränderten Pflanzen haben und damit auch für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt – so lautet ein häufiger Vorbehalt. In einem gerade abgeschlossenen Forschungsprojekt wurden Gen-Expression und Inhaltsstoffe von verschiedenen konventionellen und transgenen Gerstenlinien miteinander verglichen. bioSicherheit sprach mit Uwe Sonnewald, einem der Projektleiter, über die Ergebnisse.

Uwe Sonnewald

Prof. Uwe Sonnewald von der Universität Erlangen-Nürnberg.

RNA Microarray Gerste

Ausschnitt aus einem Microarray zur Erfassung der Genexpression. Jeder Punkt entspricht einem Gen. Insgesamt wurde die Aktivität von rund 32000 Genen untersucht.

Die wichtigsten Versuchsergebnisse

  • Untersuchungsmaterial: transgene Gersten-pflanzen der Sorten „Golden Promise“ und „Baronesse“ sowie die konventionellen Ausgangslinien
  • Vergleich von konventioneller und transgener „Golden Promise“: keine signifikanten Unterschiede
  • Vergleich von konventioneller und transgener „Baronesse“: Unterschiede bei der Expression von 22 Genen und vier Metaboliten. Die Forscher konnten nachweisen, dass der Grund für diese Unterschiede eine frühere Kreuzung mit einer anderen Sorte war.
  • Vergleich der beiden konventionellen Ausgangslinien: Unterschiede bei der Expression von rund 1600 Genen

bioSicherheit: Was waren die Ziele Ihres Forschungsprojektes?

Uwe Sonnewald: In unserem Verbundprojekt mit der Universität Gießen und der State University Washington wollten wir austesten, inwieweit sich unterschiedliche Sorten der Gerste unterscheiden, inwieweit sich transgene von nicht-transgenen Gerstenpflanzen unterscheiden und wie groß der Einfluss von Umweltfaktoren ist. Dazu haben wir die Genexpression in den Pflanzen und die Zusammensetzung der Metabolite, also der Stoffwechselprodukte, untersucht. Wir hatten eigentlich vor, die Untersuchungen im Blatt und im Korn zu machen, allerdings konnten wir die Kornuntersuchungen aufgrund wiederholter Feldzerstörungen in Gießen nicht durchführen.

bioSicherheit: Was sind Ihre wichtigsten Ergebnisse?

Uwe Sonnewald: Zum einen konnten wir zwischen den untersuchten gentechnisch veränderten Gerstenpflanzen und den nicht-transgenen Ausgangslinien kaum Unterschiede nachweisen, weder in bezug auf die Metabolite noch in bezug auf die Genexpression. Dann haben wir festgestellt, dass eine Besiedlung der Gerstenpflanzen mit Mykorrhiza-Pilzen kaum Änderungen bei der Genexpression hervorruft, aber Änderungen bei den Metaboliten. Das zeigt, dass es sinnvoll ist, beide Herangehensweisen zu kombinieren. Darüber hinaus haben wir gefunden, dass die Unterschiede zwischen konventionellen Sorten sehr groß sein können. Bei den beiden konventionellen Sorten, die wir verglichen haben, sind ca. 1600 Gene unterschiedlich reguliert. Bei vielen dieser Gene weiß man noch gar nicht, welche Funktion sie haben.

bioSicherheit: Aus Ihren Ergebnissen wurde die Aussage abgeleitet: Konventionelle Züchtung verändert Pflanzen stärker als die Einführung eines einzelnen Transgens. Kann man das so allgemein sagen? Sie haben ja ausschließlich Gerste untersucht. Gibt es vergleichbare Untersuchungen an anderen gentechnisch veränderten Kulturpflanzen?

Uwe Sonnewald: Was meines Wissens noch nicht gemacht wurde, ist die simultane Untersuchung mit beiden Methoden. Man hat entweder Genexpression oder Inhaltsstoffe untersucht, und zwar in Weizen, in Kartoffel und auch in Mais, und kommt eigentlich zu sehr ähnlichen Schlüssen. Der Einfluss der Transgene ist im Wesentlichen auf ihre unmittelbare Funktion begrenzt. Wenn ich zum Beispiel ein Gen für Fruktan-Biosynthese in Kartoffeln einbringe, dann ist es natürlich nicht verwunderlich, dass diese Kartoffeln Fruktane produzieren und sich in diesem Punkt von ihren Ausgangslinien unterscheiden. Aber darüber hinaus sind nur vernachlässigbare Unterschiede festgestellt worden. In keinem mir bekannten Fall ist eine größere Änderung in der Genexpression durch ein einzelnes Transgen hervorgerufen worden. Dagegen besteht in all den genannten Kulturpflanzen eine sehr große Variabilität zwischen den Sorten und der naheliegende Grund ist: das Züchtungsziel ist häufig Resistenz gegenüber äußeren Stressfaktoren, und daran sind viele Gene beteiligt.

bioSicherheit: Halten Sie es für sinnvoll, solche Profiling-Methoden, wie Sie sie jetzt angewendet haben, zukünftig zur Sicherheitsbewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen heranzuziehen?

Uwe Sonnewald: Dazu müsste man zunächst einmal eine Art Katalogisierung vornehmen, sprich: Genexpression und Inhaltsstoffe der verschiedenen existierenden Sorten jeder Kulturart erfassen. Erst auf dieser Grundlage kann man entscheiden, ob eine Veränderung in einer neuen Pflanze überhaupt Anlass zur Besorgnis ist. Solche Katalogisierungen gibt es im Moment nur für Metabolite, und da auch nur für die Hauptinhaltsstoffe, und das ist zu grob.

Grundsätzlich könnte es sinnvoll sein, ein metabolisches Profiling durchzuführen, wenn man eine gentechnische Veränderung vorgenommen hat, die darauf abzielt, bestimmte Stoffwechselprozesse zu verändern. Verschiedene Stoffwechselwege hängen ja miteinander zusammen, und da ist es schon sinnvoll zu klären, ob sich neben der beabsichtigten Veränderung nicht noch in anderen Stoffwechselwegen etwas verändert hat – zum Beispiel, dass eine Pflanze zu wenig Vitamine produziert, weil sie einen bestimmten Inhaltsstoff vermehrt produziert.

Bei der Untersuchung der Genexpression ist es schon problematischer. Schon der Vergleich der konventionellen Sorten zeigt ja große Unterschiede, und in dem größten Teil der Fälle kann ich überhaupt nicht sagen, was diese Änderungen bedeuten, weil ich die Funktion der Gene gar nicht kenne. Dann ist es nicht sinnvoll, eine solche Untersuchung zur Voraussetzung für die Zulassung einer Pflanze zu machen.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.