Ergebnisse BMBF-geförderter Sicherheitsforschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen

„Die gefundenen Umwelteffekte liegen innerhalb des Spektrums konventioneller Sorten“

Erneut ist eine Förderperiode zur biologischen Sicherheitsforschung gentechnisch veränderter Pflanzen beendet. Am 30. März 2011 wurden die Ergebnisse der nun abgeschlossenen Forschungsprojekte vor mehr als 150 Teilnehmern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Verbänden, Medien und der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. Auf der Tagung in Berlin ging es auch um den „Beitrag der Wissenschaften zu einer Kultur des Risikodialogs“.

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Dr. Henk van Liempt, Referatsleiter Bioökonomie im BMBF: „Die Herausforderungen, aber auch die Chancen der Forschung mit gentechnisch veränderten Pflanzen sind Element der Forschungsstrategie Bioökonomie 2030. Die Bundesregierung verfolgt damit das Ziel einer Ressourcen schonenden und nachhaltigen biobasierten Wirtschaft.“

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Dr. Stefan Rauschen, RWTH Aachen: „Nur Freilandversuche erlauben eine umfassende Untersuchung und Bewertung ökologischer Wechselwirkungen unter realistischen Anbaubedingungen.“

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Prof. Dr. Inge Broer, Universität Rostock: „Wenn Pflanzen als Produktionsplattform für Pharmazeutika oder industrielle Rohstoffe genutzt werden, wird nicht per se eine andere oder verstärkte Risikoanalyse benötigt.“

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Prof. Dr. Joachim Schiemann, Julius-Kühn-Institut Quedlinburg: „Bestandteil der BMBF-geförderten Sicherheitsforschung waren auch die Weiterentwicklung und Überprüfung von Systemen für ein biologisches Confinement. Diese sollen eine ungewollte Ausbreitung von bestimmten gv-Pflanzen verhindern.“

Stephan-Schleissing

Dr. Stephan Schleissing, ttn-Institut München: „Ein interdisziplinär vertieftes Risikoverständnis kann dazu beitragen, die unterschiedlichen Erwartungen und Widerstände gegenüber der Grünen Gentechnik verständlich zu machen.“

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Open Space: In acht Gruppen zu unterschiedlichen, von einzelnen Teilnehmern vorgeschlagenen Themen wurde am Nachmittag lebhaft diskutiert. Dabei ging es etwa um die „Unabhängigkeit der Wissenschaft“, die zukünftige Ausrichtung der biologischen Sicherheitsforschung oder um die umstrittenen „sozioökonomischen Kriterien“, mit denen Staaten oder Regionen möglicherweise Anbauverbote für gv-Pflanzen begründen sollen.

Henk van Liempt, Referatsleiter Bioökonomie beim BMBF, eröffnete die Veranstaltung. Die Sicherheitsforschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen ordnete er in die im Herbst von der Bundesregierung beschlossene nationale Forschungsstrategie „Bioökonomie 2030“ ein. Sie ziele auf die Vision einer nachhaltigen bio-basierten Wirtschaft, deren vielfältiges Angebot die Welt ausreichend und gesund ernährt sowie mit hochwertigen Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen versorgt. Pflanzen – und damit auch eine ambitionierte Forschung und Züchtung – haben darin einen hohen Stellenwert. Das BMBF sei dabei „technologieoffen“, betonte van Liempt, es gebe jedoch Grenzen in der konventionellen Züchtung. Große Potenziale sehe das BMBF in der Grünen Gentechnik. Es sei jedoch notwendig, die möglichen Folgen und Konsequenzen dieser Technologie abschätzen zu können. Daher sei die Förderung einer unabhängigen Sicherheitsforschung zu gentechnisch veränderten (gv-)Pflanzen für die Bundesregierung „Teil eines verantwortungsvollen Handelns im Sinne der Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt“.

Gv-Mais mit drei Bt-Proteinen: Überlagerungseffekte?

Stefan Rauschen von der RWTH Aachen präsentierte die Ergebnisse eines Verbundes aus acht Forschungsgruppen, die sich mit möglichen Umweltauswirkungen eines gv-Maises beschäftigte, der drei verschiedene, gegen die Schädlinge Maiszünsler und Maiswurzelbohrer gerichtete Bt-Proteine bildet. Dieser Bt-Mais wurde mit mehreren konventionellen Maissorten verglichen.

Mit den Ergebnissen aus mehreren Einzeluntersuchungen konnte Rauschen zeigen, dass die gemessenen Umwelteffekte der Bt-Maisvariante innerhalb des Spektrums liegen, das auch bei den untersuchten konventionellen Sorten gefunden wurde. Das betraf etwa die Zusammensetzung der Mikroorganismengemeinschaften im Boden oder die Artenzusammensetzung der auf Maisfeldern anzutreffenden Insekten. Einzelne Nicht-Zielorganismen wie Nematoden und Schmetterlinge werden zwar im Laborversuch durch die Bt-Proteine beeinträchtigt. Im Freiland sind die Tiere jedoch weitaus geringeren Mengen ausgesetzt, die weit unterhalb der Schwelle bleiben, bei der Schädigungen hervorgerufen werden. Die Vermutung, die Wirkungen der drei Bt-Proteine könnten sich überlagern oder gar verstärken, wurde in keinem der Forschungsprojekte bestätigt.

Rauschen zog unter anderem den Schluss, dass die gemessenen Umwelteffekte von gv-Pflanzen immer in die teils hohe natürliche Variabilität der Agrarökosysteme eingeordnet werden müssen. Bei künftigen Forschungsprojekten müssten deshalb verstärkt Sorteneffekte konventionell gezüchteter Linien erfasst werden.

Neue Entwicklungen in der Pflanzenforschung: Neue Fragen für die Sicherheit?

Inge Broer von der Universität Rostock ging auf die steigende Bedeutung von Pflanzen als Produktionsplattform für Pharmazeutika und industrielle Rohstoffe ein. Wie bei allen anderen gv-Pflanzen auch seien mögliche Risiken von der Kombination aus verwendeter Nutzpflanze und eingeführtem Gen abhängig. Für die Sicherheitsbewertung müsse man von wissenschaftlich begründeten Ursache-Wirkungs-Hypothesen ausgehen und sich auf einen plausiblen potenziellen Schaden beziehen. Als Beispiel stellte sie Untersuchungen an einer Kartoffel vor, die Cyanophycin, einen biologisch abbaubaren Kunststoff, produziert. Ein potenzielles Risiko beim Anbau solcher Kartoffeln besteht darin, dass sich durch den Abbau von Cyanophycin der Nährstoffgehalt des Bodens und die Zusammensetzung der bodenbewohnenden Mikroorganismen verändern könnte; zum anderen wäre denkbar, dass die Kartoffeln aufgrund des veränderten Kohlenhydratgehaltes länger im Boden überdauern und im folgenden Jahr auskeimen könnten. Beide potenziellen Risiken wurden umfangreich untersucht, konnten jedoch nicht bestätigt werden.

Biologischer Einschluss neuer Gene

Joachim Schiemann vom Julius-Kühn-Institut Quedlinburg stellte eine Reihe von Projekten vor, die Methoden zum so genannten Confinement, also dem biologischen Einschluss von Transgenen, entwickeln. Confinementsysteme werden benötigt, wenn schädliche Auswirkungen von transgenen Pflanzen für Gesundheit oder Umwelt zu erwarten sind oder wenn Produktionssysteme und Warenströme voneinander abgegrenzt werden müssen. In den vom BMBF geförderten Projekten wurden dazu verschiedene Strategien verfolgt, beispielsweise die Plastidentransformation, die Eliminierung des Transgens aus dem Pollen oder die Verwendung von Pflanzen, deren Blüte sich nicht öffnet. In zwei Projekten wurde außerdem an der zielgerichteten Integration von Genen in das Pflanzengenom gearbeitet. Aus allen Projekten gab es erhebliche Fortschritte zu berichten, jedoch ist noch keine der Methoden praxisreif.

„In einer pluralistischen Gesellschaft kann die Auslegung der Sicherheitsforschung nicht normativ vorgegeben werden.“

So klar und wissenschaftlich fundiert die Ergebnisse der Sicherheitsforschung auch sind, in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Grüne Gentechnik können sie Vorbehalte kaum entkräften. Stephan Schleissing, Geschäftsführer des Instituts „Technik-Theologie-Naturwissenschaften“ (ttn) an der Ludwig-Maximilians-Universität München und zudem Beauftragter für Naturwissenschaft und Technik der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern versuchte in seinem Impulsvortrag, den „Beitrag der Wissenschaften zu einer Kultur des Risikodialogs“ auszuloten.

Schleissing machte deutlich, wie sehr die Debatte um die Grüne Gentechnik durch Wissens-, Werte- und Interessenkonflikte bestimmt wird. Daher sei die Akzeptanz für die Ergebnisse wissenschaftlicher Sicherheitsforschung von sozialen, rechtlichen und ethischen Faktoren abhängig. Schleissing plädierte für ein „interdisziplinär vertieftes Risikoverständnis“, welches dazu beitragen könne, die unterschiedlichen Erwartungen und Widerstände gegenüber der Grünen Gentechnik verständlich zu machen. Er ging auch auf die aktuelle Diskussion um „sozioökonomische Kriterien“ ein, die als Begründung für nationale Anbauverbote von gv-Pflanzen herangezogen werden sollen. Eine Überprüfung nach solchen Kriterien solle nicht Teil von Zulassungsentscheidungen werden. „Als interdisziplinäres Wissenschaftskonzept liegt die Beforschung sozioökonomischer Risiken zwischen biologischer Sicherheitsforschung und Politikberatung.“