Neue Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission

Biotechnologische Züchtungsverfahren der nächsten Generation

Unternehmen und Forschungsinstitute arbeiten an einer Reihe neuer biotechnologischer Züchtungsmethoden. Die Verfahren heißen beispielsweise „Zink-Finger-Technologie“ oder „Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese“ und sollen die Pflanzenzüchtung erheblich beschleunigen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (Joint Research Center, JRC) kommt zu dem Ergebnis, dass Züchter diese Methoden bereits heute praktisch nutzen und kommerzielle Anwendungen in absehbarer Zeit zu erwarten sind. Ob die damit hergestellten Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen einzustufen sind, ist noch offen.

Neue Methoden in der Pflanzenzüchtung: Wissenschaftler arbeiten z.B. daran, die Eigenschaften von Apfelpflanzen zu beeinflussen, indem sie diese auf einen gentechnisch veränderten Wurzelstock pfropfen. Der Vorteil: Äpfel und Pollen bleiben „Gentechnik-frei“.

Mit einigen dieser Methoden können ähnlich wie bei herkömmlichen gentechnischen Verfahren neue Gene in Pflanzen eingeführt werden. Der Unterschied ist aber z.B., dass die verwendeten Gene natürlicherweise in der Pflanzenart vorkommen, die gentechnisch verändert werden soll (so genannte Cis-Genetik). Andere Methoden können Mutationen an ganz bestimmten Stellen des Pflanzen-Erbgutes mit Hilfe künstlich hergestellter DNA-Fragmente oder spezieller Enzyme auslösen. Auch das Pfropfen konventioneller Pflanzen auf gentechnisch veränderte Wurzelstöcke oder die so genannte DNA-Methylierung zur gezielten Stilllegung einzelner Gene gehören zum neuen Methodenspektrum, das der JRC-Report betrachtet.

Das Umwelt-Direktorat der Europäischen Kommission hatte diese Studie in Auftrag gegeben, um den Entwicklungsstand und die möglichen ökonomischen Auswirkungen der neuen Züchtungsmethoden zu untersuchen. Neue Methoden in der Pflanzenzüchtung werden als notwendig angesehen, wenn diese einen Beitrag leisten soll, um auch zukünftig die wachsende Weltbevölkerung ernähren und Kulturpflanzen an den absehbaren globalen Klimawandel anpassen zu können. Die Pflanzenzüchtung, so die Hoffnung, kann durch die neuen Methoden deutlich beschleunigt werden.

Die Studie dokumentiert, dass die wissenschaftlichen Arbeiten an diesen Methoden in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen sind und über 80 Patente dazu beantragt oder bereits erteilt wurden. Die neuen Pflanzenzüchtungstechniken werden von Züchtungsunternehmen bereits kommerziell genutzt, auch wenn laut Studie die Techniken in vielen Fällen noch weiterentwickelt werden müssen. Erste Züchtungsprodukte könnten aber bereits in zwei bis drei Jahren auf den Markt gelangen. Dazu gehören beispielsweise herbizidtoleranter Raps, pilzresistente Kartoffeln und Äpfel, Kartoffeln mit reduziertem Amylosegehalt sowie trockentoleranter Mais.

GVO oder konventionell?

Noch ungeklärt ist die Frage, ob die mit den neuen biotechnologischen Züchtungsmethoden hergestellten Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) oder konventionelle Produkte eingestuft werden.

Die EU-Gesetzgebung zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) geht auf das Jahr 1990 zurück, ebenso die Definition, was ein gentechnisch veränderter Organismus ist. Danach sind GVO Organismen, bei denen das genetische Material mit Hilfe molekularbiologischer Methoden in einer Weise verändert worden ist, wie es natürlicherweise durch Kreuzen bei Pflanzen und Tieren oder natürliche Rekombination bei Mikroorganismen nicht möglich ist.

Von dieser Einstufung ist unter anderem abhängig, mit welchen Auflagen und Zulassungskosten die Züchter zu rechnen hätten. Die Zulassungskosten von GVO sind um ein Vielfaches höher als die von konventionellen Züchtungsprodukten. Die weitere Nutzung dieser Techniken könnte somit in vielen Fällen davon abhängen, ob die Produkte als GVO gelten. Mit dieser Einordnung beschäftigt sich seit 2007 eine von der Europäischen Kommission eingesetzte Arbeitsgruppe, die bisher aber noch keine endgültigen Ergebnisse veröffentlicht hat.

Falls die Züchtungsprodukte einer bestimmten Methode als GVO klassifiziert würden, dann müssten diese ähnlich wie GVO im Hinblick auf bestimmte Sicherheitsfragen untersucht werden. Beispielsweise daraufhin, ob das Züchtungsverfahren ungewollte Nebeneffekte wie ungerichtete Mutationen, ungewollte Genabschaltungen sowie zufällig veränderte Genprodukte auslösen kann. Dies sei laut Studie bei einigen Methoden denkbar. Was dies konkret für die Sicherheitsbewertung und gesetzliche Regulierung bedeutet, bleibt in der Studie offen.