International

Grüne Gentechnik in China: Zögern vor dem großen Sprung

Kaum ein Land investiert so viel in die Pflanzenbiotechnologie wie China. 2008 legte die Regierung ein vier Milliarden Dollar schweres Forschungsprogramm auf. Das Ziel: Bis 2020 sollen bei zahlreichen Kulturarten neue gentechnisch veränderte Sorten entwickelt werden, unabhängig von den großen global agierenden Agro-Biotechnologiekonzernen und deren Patentansprüchen. Doch angebaut werden bisher nur gv-Baumwolle und gv-Pappeln - und noch immer gibt es in China keine nennenswerte landwirtschaftliche Nutzung von gv-Lebens- oder Futtermittelpflanzen.

Pflanzenforschung China

Pflanzenforschung in China. Auf einem Versuchsfeld in Wuhan (Provinz Hubai)informiert eine Wissenschaftlerin über gentechnisch veränderte Pflanzen. (Foto: China Daily)

Reiszüchtung in China

Neu gezüchtete Rundkorn-Reissorte in China. Trotz zahlreicher Projekte und Freilandversuche gibt es bisher noch keinen Anbau von gentechnisch verändertem Reis in China.

Anbau Bt-Baumwolle in China bis 2010

Anbau von Bt-Baumwolle in China 1998-2010

In den Anfängen der Agro-Biotechnologie in China zu Beginn der 1990er Jahre gab es dort keine einheitlichen Vorschriften und Standards beim Umgang mit gv-Pflanzen. Jedes Forschungsinstitut konnte Freisetzungs- und Anbauversuche selbst durchführen. Vermutlich sind damals auf kleineren Flächen gv-Tabak und gv-Tomaten angebaut worden, beide mit einer Virusresistenz. Nachdem 1997 erstmals nationale Bestimmungen für gv-Pflanzen in Kraft traten, wurden bis 2003 83 Anträge für eine kommerzielle Nutzung genehmigt, darunter neue gv-Sorten bei Papayas, Paprika, Tomaten und Petunien. Tatsächlich auf größeren Flächen angebaut werden bis heute jedoch nur gv-Pappeln und vor allem gv-Baumwolle.

Inzwischen nutzen sechs Millionen Landwirte gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle, um damit den wichtigsten Schädling, den Baumwollkapselwurm, zu kontrollieren. Dessen Larven fressen sich durch die Pflanzen und verursachen große Ertragsausfälle. Nach einem raschen Zuwachs in den ersten Jahren beträgt die mit Bt-Baumwolle bewirtschaftete Fläche seit 2004 nahezu konstant 3,5 Millionen Hektar im Jahr, etwa zwei Drittel der chinesischen Produktion. Wie agrarökonomische Studien zeigen, konnten die Landwirte mit Bt-Baumwolle ihre Produktionskosten um 20 bis 33 Prozent senken, da deutlich weniger Insektizide ausgebracht werden müssen; gleichzeitig stieg der Ertrag durch geringere Fraßschäden um fünf Prozent. Nicht nur die wirtschaftliche Lage verbesserte sich, auch die bei Bauern und Landarbeitern früher häufig vorkommenden Vergiftungen durch Schädlingsbekämpfungsmittel gingen zurück. Das Beispiel Bt-Baumwolle zeigt, so Jikun Huang von der chinesischen Akademie der Wissenschaft, „welche Möglichkeiten die Pflanzenbiotechnologie in China gerade für Kleinbauern eröffnet.“

Während Bt-Baumwolle in elf weiteren Ländern angebaut wird, ist China das einzige Land, das in großem Stil gentechnisch veränderte Bäume nutzt. Im Rahmen von Wiederaufforstungsprogrammen wachsen im Raum Peking über eine Million Bt-Pappeln auf einer Fläche von etwa 500 Hektar. Anders als die dort heimischen Pappeln sind sie durch das Bt-Protein gegen Fraßschäden durch die in Plantagen vermehrt auftretenden Insekten geschützt und sollen so einen wirksameren „Schutzschild“ gegen das weitere Vordringen der Wüsten bilden.

Vier Milliarden für die Pflanzenforschung

Schon 1986 hatte China begonnen, die Pflanzenbiotechnologie zu fördern. In den folgenden Fünf-Jahres-Plänen stiegen die dafür bereitgestellten Mittel von vier auf 40 Millionen US-Dollar. 2008 legte die chinesische Regierung ein vier Milliarden Dollar schweres Forschungs- und Entwicklungsprogramm auf. Die Zielvorgabe: Bis 2020 sollten unter Nutzung gentechnischer Verfahren neue Pflanzensorten entwickelt werden, die höhere Erträge und zugleich eine bessere Qualität der Lebens- und Futtermittel liefern und gegen die jeweiligen Schädlinge resistent sind. Die Wissenschaftler sollen mit wirtschaftlich interessanten Genen arbeiten, deren Patentrechte in China liegen.

Zu mehr als sechzig Kulturarten wurden Forschungsprojekte begonnen, doch die meisten wurden offenbar nicht fortgeführt. Für die chinesischen Behörden haben vor allem Ackerfrüchte Priorität, die überwiegend von Kleinbauern angebaut werden und von großer Bedeutung für die Ernährung der Bevölkerung sind.

2009 kündigte China die Zulassung neuer gv-Sorten bei zwei wichtigen Nahrungs- und Futtermittelpflanzen an: Einen schädlingsresistenten Bt-Reis und einen für die Schweinefütterung vorgesehenen Mais, der zusätzlich das Enzym Phytase bildet, so dass der Phosphoranteil im Futter besser verwertet und gleichzeitig die Phosphatbelastung in der Gülle reduziert wird. Derzeit werden weitere Prüfungen und systematische Anbautests durchgeführt, bevor eine vollständige Freigabe erteilt werden kann. Im Zulassungsverfahren befinden sich zudem neue gv-Sorten bei Raps und Sojabohnen, weitere Forschungsprojekte beschäftigen sich mit gv-Weizen, Kartoffeln, Erdnüssen, Kohl, Chili und Luzerne (Alfalfa).

Die Führung hat das letzte Wort

Doch: Trotz der hohen Investitionen in die molekularbiologische Pflanzenforschung ist die Anwendung der Grünen Gentechnik in China kaum über den Anbau von Bt-Baumwolle und Bt-Pappeln hinausgekommen. Offenbar zögert die politische Führung, gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittelpflanzen in die Landwirtschaft einzuführen. Ein Grund dafür könnten Probleme im Agrarhandel wie vor einigen Jahren sein, als die Reisausfuhren nach Europa zusammenbrachen, nachdem in chinesischen Reisprodukten Spuren von verschiedenen gv-Reissorten gefunden wurden. Da China inzwischen große Mengen an Agrarrohstoffen importieren muss, tritt die Befürchtung, in Folge möglicher „GVO-Verunreinigungen“ ausländische Abnehmer chinesischer Agrarprodukte verlieren zu können, jedoch zunehmend in den Hintergrund.

Inzwischen beginnt auch in China eine öffentliche Diskussion um die Grüne Gentechnik. 2010 kam es zu ersten Protesten und eine von mehreren Einzelpersonen unterzeichnete Petition warb für einen vorsichtigen Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Die chinesische Regierung gab daraufhin finanzielle Mittel für „Kommunikation“ über Grüne Gentechnik und Pflanzenwissenschaften frei. Umfragen in China bestätigen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung nur einen geringen Kenntnisstand zur Grünen Gentechnik hat und sich bisher kaum für dieses Thema interessiert. „Das könnte dazu führen, dass sich künftig auch hier ein ähnlicher Widerstand der Verbraucher gegenüber Gentechnik-Lebensmitteln herausbildet, wie er heute in vielen Ländern der Europäischen Union besteht“, sagt Peter Ho von der Universität Leiden (Belgien).

Wie sich die Grüne Gentechnik in China weiterentwickelt, ist schwer abzuschätzen. In kaum einem Land wird die Forschung auf diesem Gebiet so stark gefördert wie in China. Viele Wissenschaftler sind überzeugt, dass ohne Pflanzenbiotechnologie die künftigen Herausforderungen Chinas im Ernährunsbereich kaum zu bewältigen sein werden. Auch hat die Regierung einen verbindlichen Rechtsrahmen für Zulassung und Sicherheitsbewertung von gv-Pflanzen nach internationalen Standards etabliert. Doch das letzte Wort hat die politische Führung.