Erneute Diskussion um gentechnisch veränderte Pflanzen mit Herbizidresistenz

Gefahr durch Glyphosat? Kampagne gegen Herbizid auf dünnem Eis

Im Oktober 2011 ist der emeritierte amerikanische Pflanzenpathologe Don Huber auf Vortragsreise in Deutschland. Er warnt vor den Folgen der Anwendung des Breitbandherbizids Glyphosat, auch bekannt unter dem Markennamen Roundup, das unter anderem beim Anbau gentechnisch veränderter herbizidresistenter Pflanzen eingesetzt wird. Das Mittel führe zu mangelernährten Pflanzen, zu einer Zunahme von Pflanzenkrankheiten und eklatanten Ertragsverlusten – Behauptungen, denen seine Exkollegen von der Purdue University (USA) vehement widersprechen. In Deutschland stößt Huber auf offene Ohren bei Umweltverbänden und den Grünen, die seit einiger Zeit eine Aussetzung der Zulassung für Glyphosat fordern.

Don Huber

Don Huber, emeritierter Professor der Purdue University, warnt vor möglichen Gefahren durch Glyphosat.

Glyphosat wurde vom Agrounternehmen Monsanto in den 1970er-Jahren als sogenanntes Breitband-Unkrautvernichtungsmittel zum Patent angemeldet. Es wird in der Landwirtschaft, aber auch in privaten Gärten und zur Unkrautbekämpfung etwa auf Straße und Schienen eingesetzt. Seit 1996, mit dem Beginn des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit einer Glyphosat-Toleranz, wird dieses Glyphosat vermehrt eingesetzt. Rund eine Million Tonnen wurden 2010 weltweit verkauft. Die Firma Monsanto hatte lange Zeit ein Patent auf das Herbizid; das Patent ist aber vor mehr als 10 Jahren in den meisten Staaten ausgelaufen. Ein großer Teil des derzeit gehandelten Glyphosats wird in Asien produziert.

In Don Hubers wissenschaftlichen Untersuchungen mit Glyphosat-toleranten gv-Pflanzen waren diese anfälliger gegen eine Reihe von Pflanzenkrankheiten. Die Erklärung: Glyphosat binde im Boden und in den Pflanzenzellen wichtige Nährstoffe wie Mangan oder Zink, an denen es den Nutzpflanzen dann mangele. Dadurch werde die Abwehrkraft der Pflanzen gegen Krankheitserreger geschwächt.

Im Januar 2011 schrieb Huber einen Brief an US-Landwirtschaftsminster Tom Vilsack und teilte mit, er habe gemeinsam mit Kollegen einen neuen, elektronenmikroskopisch kleinen Krankheitserreger entdeckt, der glyphosattolerante gv-Pflanzen befalle. Dieser Bodenorganismus werde durch Glyphosat begünstigt und könne „Krankheiten bei Pflanzen und Säugetieren“ auslösen. Der Forscher schlägt Alarm: Der Roundup-Einsatz müsse „als Katastrophenfall“ gewertet werden. Bei Tieren, die mit diesen Pflanzen gefüttert wurden und die Fehlgeburten hatten oder unfruchtbar waren, sei der Erreger ebenfalls gefunden worden. Der Brief gelangte im Sommer 2011 in die Medien.

Der Präsident der American Phytopathological Society (APS) stellte daraufhin in einem offenen Brief klar, dass Huber in diesem Fall nicht für die APS spricht und kritisierte, dass die Ergebnisse zu dem neuen Krankheitserreger in keiner wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht wurden. Es lägen keine nachprüfbaren Belege für diese Behauptung vor.

Auch Wissenschaftler der Purdue University, an der Huber bis zu seiner Emeritierung lehrte, wandten sich gegen seine Thesen. Sie teilten zwar grundsätzlich seine Beobachtung, dass Pflanzen durch Glyphosat anfälliger gegenüber einzelnen Krankheitserregern werden können, dies sei aber seit längerem bekannt und treffe auch auf andere Herbizide zu. Glyphosat werde seit mehr als 30 Jahren im großen Maßstab eingesetzt und es gebe keine Hinweise für eine generelle Zunahme von Pflanzenkrankheiten und dadurch entstehende Ernteverluste, wie von Huber behauptet. In Fällen, wo Pflanzenkrankheiten vermehrt aufgetreten seien, könnten auch ganz andere Gründe eine Rolle gespielt haben. Beispielsweise könnte die Zunahme von bodenschonenden Anbauformen – bei der wenig oder gar nicht mehr gepflügt werde - ein Faktor dafür sein. Krankheitsauslösende Bakterien oder Pilze können in nicht untergepflügten Pflanzenresten auf der Ackeroberfläche besser überleben. Landwirte sollten sich bei ihren Entscheidungen für oder gegen den Anbau von glyphosattoleranten Sorten „nicht von sensationsheischenden Behauptungen, sondern von Fakten leiten lassen“.

Hubers Vorträge reihen sich ein in die Diskussion um die Sicherheit von Glyphosat, die in Deutschland seit einiger Zeit geführt wird. So fordern Bündnis 90/Die Grünen und verschiedene Umweltorganisationen eine sofortige Aussetzung der Zulassung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln und berufen sich dabei auch auf Ergebnisse einer 2010 veröffentlichten Studie des argentinischen Embryologen Andre Carrasco. Er hatte Glyphosat direkt in Froschembryonen injiziert, woraufhin die Frösche schwere Missbildungen entwickelten. Das wertete er als Beweis, dass Glyphosat auch die menschliche Embryonalentwicklung stören kann und in argentinischen Sojaanbaugebieten Missbildungen bei Kindern verursacht hat. Die Versuche und Schlussfolgerungen von Carrasco sind allerdings wissenschaftlich umstritten. Vor allem wird bezweifelt, dass die bei den Tests eingesetzten hohen Konzentrationen an Glyphosat in der Realität jemals erreicht werden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das in Deutschland für Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist, schrieb im Oktober 2010, die Studien-Ergebnisse von Carrasco hätten aufgrund methodischer Schwächen und fehlender Daten „keine Relevanz für die gegenwärtige Risikobewertung von Glyphosat für den Menschen“.

Auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Ende August 2011 zur aktuellen Risikobewertung von Glyphosat antwortete die Bundesregierung, die derzeitige Datenlage rechtfertige keine Aufhebung oder Beschränkung der Zulassung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln. Auch eine Veränderung für Grenzwerte von Glyphosatrückständen sei nicht angezeigt. Sie verweist auf zahlreiche Tierversuche, aus denen sich keinerlei Hinweise auf genotoxische oder kanzerogene Risiken von Glyphosat ableiten ließen. Ähnlich äußert sich auch das Bundesinstitut für Risikoforschung in einer Stellungnahme vom Juli 2011.

Eine aktuelle Studie des Institutes für Agribusiness in Gießen zeigt, dass Glyphosat auf einem Drittel der Ackerflächen in Deutschland eingesetzt wird - nicht als Komplementärherbizid für herbizidtolerante gv-Pflanzen, sondern als Standardmaßnahme in der konservierenden Bodenbearbeitung. Der Studie zufolge würde ein Zulassungsstopp für Glyphosat dazu führen, dass deutlich mehr gepflügt und verstärkt andere Herbizide eingesetzt werden müssten.