Gv-Pflanzen der zweiten und dritten Generation

Nüchterne Perspektiven

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat eine umfassende Studie zu "gentechnisch veränderten Pflanzen der zweiten und dritten Generation" vorgelegt. Der Bericht zieht ein eher nüchternes Fazit. Nur bei wenigen der neuen gv-Pflanzen ist in naher Zukunft mit einer kommerziellen Nutzung zu rechnen. Viele Projekte befinden sich noch in einem frühen Forschungs- und Entwicklungsstand, so dass „seriöserweise nicht prognostiziert werden kann, ob damit jemals praxisreife Stadien erreicht werden können.“

Herbizid- und Insektenresistenz – bisher sind es gentechnisch veränderte Pflanzen mit neuen agronomischen Eigenschaften, die weltweit auf den Feldern stehen. Pflanzen, die gentechnisch so verändert sind, dass sie neue hochwertige Produkte liefern, gibt es bisher kaum.

Gv-Pflanzen liefern verbesserte Lebensmittel: Marktfähige Produkte vorerst nicht in Sicht
(Foto: Golden Rice mit Vitaminanreicherung)

Gv-Pflanzen liefern neue nachwachsende Rohstoffe: In einem frühen Stadium
(Foto: Kartoffeln mit veränderter Stärkezusammensetzung)

Gv-Pflanzen als produzieren Pharmawirkstoffe: Bereits fünfzehn Wirkstoffe in der klinischen Prüfung.

Der TAB-Bericht untersucht, wie weit die Entwicklung dieser „zweiten und dritten Generation“ gv-Pflanzen tatsächlich ist, welche Chancen für eine Markteinführung bestehen und ob die derzeitigen Konzepte der Sicherheitsbewertung auch für diese Pflanzen ausreichend sind. Der Abschlussbericht wurde am 15. Februar 2006 vom Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung mit großer Zustimmung zur Kenntnis genommen. Grundlage des Berichts sind mehrere Gutachten und Studien. Dabei geht es um Pflanzen, bei denen gentechnische Veränderungen nicht auf den landwirtschaftlichen Anbau zielen, sondern auf neue Produkteigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten. Gedacht ist etwa an Pflanzen, die gesundheitsfördernde Lebensmittel liefern oder nachwachsende Rohstoffe. Einbezogen waren auch „Pharmapflanzen“, die als biologisches Produktionssystem für hochwertige Arzneiwirkstoffe eingesetzt werden sollen.

Entwicklungsstand unterschiedlich. Für die einzelnen Anwendungsfelder neuer gv-Pflanzen kommt der TAB-Bericht zu unterschiedlichen Einschätzungen.

  • Gv-Pflanzen, die Lebensmittel mit verbesserten Produkteigenschaften liefern
    Verschiedene solcher gv-Pflanzen, die in den USA angebaut wurden, sind wieder vom Markt verschwunden, etwa Tomaten mit Reifeverzögerung („Anti-Matsch-Tomate“) oder Raps- und Sojabohnen mit veränderter Fettsäurezusammensetzung. Es wurden zwar verschiedene gv-Pflanzen mit gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen (Functional Food) entwickelt, doch bisher handelt es sich in der Regel um Prototypen, an denen die Machbarkeit der jeweiligen Konzepte überprüft werden soll. Marktfähige Produkte scheinen vorerst nicht in Sicht.
  • Gv-Pflanzen, die industriell verwertbare Rohstoffe produzieren (nachwachsende Rohstoffe, PMI = Plant Made Industrials )
    Gerade in diesem Bereich waren die Erwartungen, durch die Gentechnik zu einer erweiterten Nutzung des „biologischen Systems Pflanze“ zu kommen, hoch. Zwar befindet sich ein erstes Produkt - eine gv-Kartoffel mit veränderter Stärkezusammensetzung - im europäischen Zulassungsverfahren, dennoch scheint eine kommerzielle Nutzung ähnlicher Projekte noch weit entfernt. Wie weit die Entwicklung etwa von gv-Pflanzen mit „maßgeschneiderter“ Fettsäure- oder Stärkezusammensetzung tatsächlich ist, ist derzeit ebenso wenig zu beurteilen wie Pflanzen zur Produktion von industriellen Enzymen oder Biopolymeren („Bioplastik“). Die Gründe sind im Einzelfall unterschiedlich. Offenbar benötigt die Entwicklung neuer Pflanzen offenbar mehr Zeit als veranschlagt. In einigen Fällen bereitet es Schwierigkeiten, dass die jeweiligen Inhaltsstoffe nicht in solchen Mengen gebildet werden, wie sie für eine wirtschaftliche Nutzung erforderlich wären.
  • Gv-Pflanzen zur Produktion von Arzneimittelwirkstoffen (Molecular Pharming, PMP = Plant Made Pharmaceuticals)
    Für den TAB-Bericht „überraschend“ ist, dass Pharmapflanzen offenbar weiter sind als andere Anwendungsfelder. Zwar ist noch keine gv-Pflanze zur Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen zugelassen, jedoch sind auch in Europa intensive Forschungs- und Freisetzungsaktivitäten zu beobachten. Fünfzehn in Pflanzen hergestellt Wirkstoffe befinden sich in verschiedenen Stadien der klinischen Prüfung. Es deutet sich jedoch an, dass die Produktionsplattform Pflanze gegenüber anderen Herstellungsmöglichkeiten keine generellen Kostenvorteile hat.

Sicherheitsfragen: Neue Herausforderungen. Sollten gv-Pflanzen der nächsten Generation tatsächlich genutzt werden, wird es in vielen Fällen erforderlich sein, den Anbau dieser Pflanzen so zu organisieren, dass eine vollständige Trennung gegenüber der Lebens- und Futtermittelkette gewährleistet ist.

Grundsätzlich kommen zwei Ansätze in Frage, solche gv-Pflanzen gegenüber der Umwelt „abzuschließen“:

  • physikalische Maßnahmen, etwa Gewächshäuser, räumliche Trennung der Felder (Containment)
  • biologische Ma0nahmen, etwa Nutzung solcher Pflanzenarten als Produktionsplattformen, die in der Landwirtschaft nicht verwendet werden, sterile Pflanzen (Confinement)

Die Begrenzung der Ausbreitung von transgenen Pflanzen oder deren gentechnisch erzeugten Eigenschaften ist mit biologischen und physikalischen Maßnahmen bis zu einem gewissen, relativ hohen Maß möglich. Dennoch: „Containment wie Confinement bei transgenen Nutzpflanzen“, so der TAB-Bericht, „können nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik kein System anbieten, das im Freiland angebaute Kulturen von GVO- und Nicht-GVO-Sorten vollkommen beeinflussungsfrei nebeneinander existieren lässt. Welches Maß der Beeinflussung unter welchen Bedingungen toleriert wird, bleibt eine gesellschaftliche Entscheidung.“