Internationales Biosafety Symposium in Jeju/Südkorea

„Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung finden mehr Beachtung.“

Alle zwei Jahre ist das Internationale Biosafety- Symposium Treffpunkt für Experten der Biologischen Sicherheitsforschung aus aller Welt, diesmal auf der Insel Jeju in Südkorea. Bereits zum neunten Mal stellen Wissenschaftler aktuelle Forschungsergebnisse vor und diskutieren darüber, welche Schussfolgerungen sich daraus für die Risikobewertung gentechnisch veränderter Pflanzen ergeben. - BioSicherheit führte dazu ein Gespräch mit Dr. Joachim Schiemann, dem Präsidenten der Internationalen Gesellschaft für Biologische Sicherheitsforschung (ISBR).

Dr. Joachim Schiemann ist derzeit Präsident von ISBR (International Society for Biosafety Research). ISBR ist Veranstalter des 9. International Biosafety Symposiums in Jeju/ Südkorea (24-29.Sept. 2006)

Weltkongress der Biologischen Sicherheitsforschung. In 40 Vorträgen und 50 Postern wird in Jeju der aktuelle Stand der Sicherheitsforschung präsentiert. Unter den Teilnehmern sind Wissenschafter, Politiker, Vertreter von Behörden und Unternehmen sowie Nicht-Regierungs- Organisationen (NGOs).

BioSicherheit: In wenigen Tagen beginnt das neunte Biosafety Symposium, diesmal auf der Insel Jeju in Südkorea. Herr Schiemann, Sie kennen das Geschehen nun schon seit 1992, als das zweite Symposium dieser Art in Goslar stattfand. Wenn Sie die vergangenen vierzehn Jahre rekapitulieren – welche Entwicklungen hat es in der Sicherheitsforschung gegeben und wo werden künftig die Schwerpunkte liegen?

Joachim Schiemann: Bei den ersten Symposien ging es noch um Untersuchungen, die im Labor stattfanden. Dann kam die Begleitforschung von experimentellen Freilandversuchen hinzu und im Augenblick haben wir international eine intensive kommerzielle Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen - und damit wiederum neue Fragestellungen. Aber auch transgene Insekten oder Fische waren Themen für die Sicherheitsforschung – und auf unseren Symposien vertreten. Künftig werden wir uns stärker mit langfristigen Auswirkungen beschäftigen. Inzwischen haben wir ja einen großflächigen Anbau transgener Pflanzen und können im Rahmen des Monitoring neue Erkenntnisse gewinnen. Wir werden uns um neue Anwendungen kümmern wie das Molecular Pharming. Und wir brauchen auch verbesserte Verfahren für die Sicherheitsbewertung. Das ist auch deswegen wichtig, weil wir die Balance zwischen Sicherheit auf der einen Seite und regulatorischen Hürden auf der anderen Seite wahren müssen. Neue, verbesserte experimentelle Verfahren können dazu beitragen, den regulatorischen Aufwand zu reduzieren.

BioSicherheit: Wie sieht es mit dem Stellenwert der Sicherheits- und Begleitforschung auf globaler Ebene gegenwärtig insgesamt aus? Gibt es regionale oder länderspezifische Unterschiede – auch im Hinblick auf die Finanzierung?

Joachim Schiemann: Sicher, länderspezifische Unterschiede in der Gewichtung gibt es. Aber die allgemeine Tendenz zeigt, dass Biologische Sicherheitsforschung überall einen hohen Stellenwert hat, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Ähnliche Programme gibt es in den USA und Israel. Unser siebtes Symposium in Peking hat zu einem starken Aufschwung der Biologischen Sicherheitsforschung in China geführt. Wichtig ist, dass diese Forschungen und ihre Ergebnisse international diskutiert werden – und dazu tragen ja unsere Symposien bei. Allerdings: In bestimmten Ländern und Regionen ist eine gewisse Ignoranz gegenüber den Ergebnissen der Sicherheitsforschung zu beobachten. Darum ist es so wichtig, dass die Stimme der Biologischen Sicherheitsforschung laut vernehmbar wird.

BioSicherheit: Es ist demnach nicht unbedingt so, dass in Regionen wie Europa, in denen die Öffentlichkeit die Grüne Gentechnik nach wie vor skeptisch betrachtet, die Sicherheitsforschung stärker gefördert wird als etwa in Nordamerika, wo es einen relativ hohen Grad an Akzeptanz gibt?

Joachim Schiemann: Nein, das kann man so nicht sagen. Sicherheitsforschung ist nicht dazu da, um Argumente gegen eine fehlende Akzeptanz zu finden. Es geht darum, diese neue Technologie in einem sicheren Rahmen einzuführen und zu nutzen. Deswegen fördern Länder wie USA und China Biologische Sicherheitsforschung sehr intensiv.

BioSicherheit: Das Thema des diesjährigen Symposiums lautet „Biosicherheitsforschung und Risikobewertung“. Wie und in welchem Ausmaß fließen Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung tatsächlich in die Risikobewertung ein?

Joachim Schiemann: Sicherheitsforschung ist keine l’art pour l’art-_Forschung, sondern sie liefert wichtige Grundlagen für die Risikobewertung. Um das deutlich zu machen, haben wir das Symposium mit den einzelnen Sektionen entsprechend aufgebaut. Die Frage, was man für eine Risikobewertung unbedingt wissen muss (_need to know) und was zwar interessant, aber dafür nicht notwendig ist (nice to know), haben wir auf unseren Symposien immer wieder diskutiert. Denn man muss eine Antwort darauf finden, sowohl im Bereich der Forschung, als auch bei der Risikobewertung und im Risikomanagement. Dabei müssen wir auch die Unsicherheiten beschreiben, die wir bei bestimmten Aspekten noch haben und wo unsere Kenntnisse derzeit noch nicht ausreichen. Welches Risikomanagement in solchen Fällen angemessen ist, hängt dann davon ab, welches Maß an Unsicherheit eine Gesellschaft akzeptieren will.

BioSicherheit: Hat Ihrer Meinung nach die Biosicherheitsforschung die Grüne Gentechnik insgesamt beeinflusst, etwa Industrie und Saatzuchtfirmen hinsichtlich ihrer Strategien zur Entwicklung neuer gentechnisch veränderter Sorten?

Joachim Schiemann: Aus meiner Sicht gibt es auch da eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Ich habe den Eindruck, dass zunehmend Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung beachtet werden, wenn es darum geht, neue Konzepte oder neue Konstrukte zu entwickeln. Es ist ganz wichtig, dass die Technologieentwickler am Anfang, vor dem allerersten Schritt etwa darüber nachdenken, welche Vektoren sie benutzen wollen oder welche Transformationsmethode. Und wenn es später darum geht, aus transformierten Pflanzen jene Prototypen auszuwählen, mit denen weiter auf eine kommerzielle Nutzung hingearbeitet werden soll, dann sollten dabei Gesichtspunkte der biologischen Sicherheit eine wichtige Rolle spielen.

Anders als noch vor zehn Jahren haben wir heute eine positive Entwicklung. Ich denke etwa an die Markergen-Eliminierung oder - in spezifischen Fällen - an ein biologisches Containment. Und – aus meiner Sicht sehr wichtig: Wir diskutieren intensiv über – wie ich es nennen würde - precision biotechnology, also neue, verbesserte Methoden, um auf molekularbiologischer Ebene präziser und zielgenauer arbeiten zu können. Letztendlich könnten damit auch die regulatorischen Hürden reduziert werden, sowohl für den Antragsteller als auch für die Wissenschaftler, die für die Risikobewertung verantwortlich sind.

BioSicherheit: Inwieweit spielen neuere Entwicklungen bei gentechnisch veränderten Pflanzen in der aktuellen Sicherheitsforschung eine Rolle?

Joachim Schiemann: Ein wesentlicher Teil der Sicherheitsforschung befasst sich mit übergreifenden Fragestellungen, die meist unabhängig von der neu eingeführten Eigenschaft sind. Dabei geht es etwa um horizontalen Gentransfer, die Persistenz von DNA oder bestimmten Proteinen im Boden, Auf der anderen Seite gibt es auch Fragen, bei denen es konkret um eine bestimmte neue Eigenschaft geht oder um die Wechselwirkung dieser Eigenschaft mit der Umwelt. Natürlich interessieren wir uns jetzt für die Pflanzen der zweiten und dritten Generation, also vereinfachend gesagt, Pflanzen mit veränderten Inhaltsstoffen. Obwohl das erst in der Zukunft relevant werden könnte, beschäftigen wir uns schon jetzt damit, welche sicherheitsrelevanten Fragestellungen damit aufgeworfen werden. Bei neuen Pflanzen, mit denen man industrielle oder pharmazeutische Produkte herstellt, könnten wir es in einigen Fällen mit ganz neuen Sicherheitsanforderungen zu tun haben.

BioSicherheit: Nach dem Treffen in Peking vor vier Jahren findet das Biosafety Symposium 2006 nun erneut in Asien statt. Wird damit ein Akzent auf die zukünftige Bedeutung der Grünen Gentechnik in Asien gesetzt?

Joachim Schiemann: Wir haben die Orte, an denen wir unsere Tagungen durchführen, schon intensiv danach ausgesucht, welchen Stellenwert Biotechnologie, vor allem Grüne Gentechnik und Sicherheitsforschung, dort haben. Vor vier Jahren sind wir ganz bewusst nach China gegangen - und das hat sich ausgezahlt: Unser Symposium hat die Diskussion in China nachhaltig beeinflusst und einen starken Impuls für die Förderung der Biologischen Sicherheitsforschung gegeben. In diesem Jahr haben wir uns für Korea entschieden – zum einen, weil von dort ein sehr gutes Angebot kam, zum anderen, weil dort ein großes Interesse an Biologischer Sicherheitsforschung besteht. Gerade werden dort neue regulatorische Strukturen aufgebaut und neue Forschungsbereiche eingerichtet. In der Woche vor dem Symposium werde ich als „Ehrenwissenschaftler“ der Rural Development Agency eine Reihe von Instituten besuchen und dort verschiedene Vorträge halten. Ich bin froh, dass uns das Symposium Gelegenheit bietet, diese Kontakte in Korea zu knüpfen.

BioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch