Seehofer: Eckpunkte zum Gentechnik-Gesetz

Koalitionsstreit um Gentechnikrecht

Nach langen Diskussionen hat Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer Eckpunkte für die Novellierung und Ergänzung des Gentechnikrechts vorgelegt. Offenbar ist es gelungen, die Differenzen mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan weitgehend auszuräumen. So soll der Entwurf des Eckpunktepapiers für wissenschaftliche Freilandversuche mit gv-Pflanzen abgemilderte Haftungsrisiken vorsehen. Keine Einigung haben die beiden Ministerien offenbar bisher beim Mindestabstand zwischen konventionellen und gv-Maiskulturen erzielt. Der Koalitionspartner SPD hat Widerstand gegen die Seehofer-Pläne angekündigt.

Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Kaum Änderungen bei der Haftung für gv-Pflanzen anbauende Landwirte.

Annette Schavan (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung: Mehr Rechtssicherheit für Freilandversuche bei der Entwicklung neuer gv-Pflanzen

Ulrich Kelber, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion: „In dieser Form können wir die Eckpunkte nicht akzeptieren.“

Bereits in ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD darauf verständigt, das Gentechnikrecht mit dem Ziel zu überarbeiten, „Forschung und Anwendung in Deutschland zu befördern“. Dazu wollte die Bundesregierung zum einen das geltende Gentechnikgesetz (GenTG) novellieren. Zudem hatte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) angekündigt, Regeln der Guten Fachlichen Praxis zum Anbau von gentechnisch verändertem Mais vorzulegen. Nach Presseberichten hat sich Landwirtschaftsminister Horst Seehofer nun mit Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) auf ein Eckpunktepapier für beide Vorhaben geeinigt. Möglichst noch im Dezember solle es vom Kabinett verabschiedet werden.

Haftungsrisiken für Freilandforschung eingeschränkt

Das Eckpunktepapier enthält nach Angaben mehrerer Zeitungen vor allem Erleichterungen für die Freilandforschung. Konventionelle Ernteprodukte, die Spuren von im Freiland erforschten GVOs enthalten, sollen wirtschaftlich genutzt werden können, allerdings nicht als Lebens- oder Futtermittel. Demnach könnten die Landwirte sie beispielsweise zur Bioenergie-Gewinnung einsetzen. Ein Ausgleichsanspruch für solche GVO-Einträge aus Versuchsflächen in konventionelle Ernteprodukte soll nur den unmittelbaren Nachbarn zustehen. Bei aus Bundesmitteln geförderten Freilandversuchen sollen eventuelle Haftungsansprüche aus Steuermitteln beglichen werden.

An den Haftungsbestimmungen für den kommerziellen Anbau will das BMELV dagegen offenbar weitgehend festhalten. So soll die von Landwirtschafts- und Biotechnologie-Verbänden kritisierte gesamtschuldnerische, verschuldensunabhängige Haftung für wirtschaftliche Einbußen bestehen bleiben. Allerdings soll klargestellt werden, dass nur GVO-Einträge über dem Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 Prozent ausgleichspflichtig sind. Für Haftungsfälle, bei denen dem betroffenen GVO-Anbauer kein Verschulden nachgewiesen werden kann, hofft Minister Seehofer auf eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung der Saatgutindustrie.

Öffentliches Standortregister mit weniger Details

Änderungen soll es auch beim Standortregister geben. Nach geltendem Gentechnikgesetz sind im öffentlich zugänglichen Teil des Registers alle Anbauflächen mit gv-Pflanzen flurstückgenau einsehbar. Künftig soll nur noch die Gemarkung verzeichnet werden. Landwirte, die gv-Pflanzen anbauen, sollen aber ihre Nachbarn darüber informieren.

Abstandsregeln weiterhin offen

Als Kernelement einer Guten fachlichen Praxis für den Anbau von gv-Mais soll ein Mindestabstand zwischen transgenen und konventionellen Maiskulturen festgelegt werden. Auf die Höhe dieses Abstandes konnten sich Seehofer und Schavan allerdings noch nicht einigen. Während Seehofer einen 150 Meter Mindestabstand einführen will, hält das Forschungsressort 50 Meter für ausreichend. In diesem Punkt waren auch die Expertenmeinungen bei einer Anhörung im Landwirtschaftsausschuss Ende Oktober weit auseinander gegangen. Wenn auf benachbarten Flächen Mais als nachwachsender Rohstoff beispielsweise für Biogasanlagen angebaut wird, könnte auf den Abstand verzichtet werden.

Koalitionspartner verstimmt

Prompter Widerspruch gegen einige Inhalte des Eckpunktepapiers kam vom Koalitionspartner SPD. So erklärte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber laut Presseberichten: „In dieser Form können wir die Eckpunkte nicht akzeptieren“. Kelber kritisiert unter anderem den Seehofer-Vorschlag, nur noch die unmittelbaren Nachbarn von Forschungsfeldern zu entschädigen. Ablehnend reagiert er auch darauf, dass die Haftungsbestimmungen erst ab dem Kennzeichnungsschwellenwert von 0,9 Prozent gelten soll. Landwirten könnten auch bei geringeren Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Organismen Einbußen entstehen.

Kritik kam auch von der Opposition. Die Gentechnik-Expertin der FDP-Fraktion Christel Happach-Kasan monierte, Seehofer und die SPD verweigerten die im Koalitionsvertrag vereinbarte umfassende Novelle des Gentechnikgesetzes mit Erleichterungen für Forschung und Anbau und verhinderten dadurch die Schaffung innovativer Arbeitsplätze. Die Grünen dagegen halten vor allem den diskutierten Mindestabstand von 150 Metern für nicht ausreichend.

Angesichts der koalitionsinternen Unstimmigkeiten erscheint die schnelle Verabschiedung der Neuregelungen, noch vor der Aussaat 2007, höchst unwahrscheinlich.