Bacillus thuringiensis:

Die Karriere eines Bakteriums

Seit mehr als hundert Jahren ist bekannt, dass bestimmte, überall im Boden anzutreffende Bakterien - Bacillus thuringiensis (Bt) - eine giftige Wirkung auf Insekten haben und sie abtöten. Ursache dafür ist das Bt-Toxin, ein von den Bakterien gebildetes Protein. Diese Fähigkeit des Bakteriums wurde bereits in der Mitte des vorigen Jahrhunderts für den Pflanzenschutz nutzbar gemacht, erste Bacillus thuringiensis-Präparate kamen als biologische Schädlingsbekämpfungsmittel auf den Markt. Heute wird ein breites Spektrum solcher Bt-Präparate vor allem im ökologischen Landbau eingesetzt. Seit den achtziger Jahren interessiert sich auch die Gentechnik für das Bakterium. Durch Übertragung des Gens für das Bakterienprotein, produzieren Pflanzen selber Bt-Toxin, das sie vor ihren Fraßfeinden schützt.

bacillus thuringiensis

Das Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt) kommt überall vor, es wurde aus Bodenproben, Blattoberflächen und Insekten isoliert. Das Bakterium bildet bei der Sporenbildung kristallines Protein, das je nach Bakterienstamm spezifisch für bestimmte Insekten giftig ist. Für Säugetiere und Menschen ist es harmlos.

Foto: Michael Adang, University of Georgia

Als erster hatte 1901 ein japanischer Wissenschaftler das Bakterium in der Seidenraupe gefunden und ihm den Namen Bacillus sotto gegeben, ohne allerdings seine besonderen Eigenschaften zu erahnen. Zehn Jahre später isolierte der deutsche Wissenschaftler Ernst Berliner das Bakterium aus kranken Mehlmotten und machte es verantwortlich für die „Schlaffsucht“ der Tiere. Da er die erste Probeeinsendung aus einer Mühle in Thüringen erhalten hatte, nannte er das Bakterium Bacillus thuringiensis.

In den späten 20er Jahren wurden bereits Feldversuche mit Bacillus thuringiensis gegen den Maiszünsler durchgeführt, bis 1938 schließlich das erste kommerzielle Bt-Präparat (Sporeine) in Frankreich auf den Markt kam. Zu einem großflächigen Einsatz kam es aber erst in den 60er Jahren. In Deutschland war es das Bt-Präparat Biospor, das 1964 als erstes eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel bekam.

Nach Einführung der ersten Bt-Präparate im Pflanzenschutz wurden immer wieder neue bis dahin unbekannte Bacillus thuringiensis-Stämme entdeckt. So hat 1970 die Entdeckung des besonders virulenten Bt-Stammes B. thuringiensis kurstaki, der gegen Raupen bestimmter Schmetterlinge wirksam ist, oder auch 1983 die Entdeckung des gegen bestimmte Käfer z.B. den Kartoffelkäfer wirksamen Bt-Stammes B. thuringiensis tenebrionis das Spektrum einsetzbarer Bt-Mittel erheblich erweitert.

Gezielt einsetzbar

Nicht alle Bt-Stämme sind toxisch gegenüber Insekten, aber es sind inzwischen etwa 170 Bt-Proteine bekannt, die jeweils auf bestimmte Insektengruppen toxisch wirken. Dabei ist das Wirkspektrum auf drei Insektengruppen beschränkt, nämlich auf Schmetterlinge, Blattkäfer und Zweiflügler wie Mücken und Fliegen.

1989 wurden die Proteine nach ihrem Wirtsspektrum, der Übereinstimmung ihrer Gensequenzen und ihrer Molekülgröße in fünf Hauptklassen unterteilt (cry =crystal):

  • CryI: wirkt spezifisch gegen Schmetterlinge
  • CryII: Schmetterlinge und Zweiflügler
  • CryIII: Käfer
  • CryIV: Zweiflügler
  • Cry V: Käfer und Schmetterlinge

Dass Bt-Proteine so spezifisch wirken, ist ein wesentlicher Vorteil von Bt-Präparaten. Die einzelnen Bt-Protein-Varianten treffen die jeweiligen Schädlinge einer bestimmten Kulturpflanze, ohne andere, als Nützlinge geschätzte Arten zu gefährden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Bt-Protein für Säugetiere und Menschen harmlos ist.

Kommerziell erhältliche Bt-Präparate bestehen aus getrockneten Bakterien-Sporen und dem kristallinen Toxin. Sie werden heute vor allem im Weinbau, in Forst und Grünanlagen sowie im Kartoffel-, Obst- und Gemüseanbau verwendet. Eine größere Bedeutung haben sie im Ökologischen Landbau, etwa 90 Prozent aller biologischen Schädlingsbekämpfungsmittel sind Bt-Präparate. Bei Agrarchemikalien insgesamt machen sie dagegen nur ein Prozent aus.

Wirkungsmechanismus des Bt-Toxins

Das wirksame Protein wird von den Bt-Bakterien zunächst in einer ungiftigen Form (Protoxin) als Kristallprotein gebildet. Erst im Darm bestimmter Fraßinsekten wird es in eine giftige Variante umgewandelt. Das Kristallprotein wird vom Insekt mit der Nahrung aufgenommen, im Verdauungstrakt gelöst und durch spezielle Enzyme des Darmsaftes, so genannte Proteasen aktiviert, schließlich an spezifische Rezeptoren der Darmwand gebunden. Es kommt zur Integration in die Darmwand und zur Bildung von Poren. Dadurch wird die Darmwand perforiert, was zum Tod des Insekts führt.

Im September 2006 wurde in der wissenschaftlichen Zeitung PNAS, Proceedings of the National Academy of Sciences, von Wissenschaftlern der Universität von Wisconsin-Madison berichtet, dass Bt-Protein nicht ohne die Hilfe von Darmbakterien wirken kann. Erst wenn die Bakterien durch die Poren in den Blutkreislauf gelangen, kommt es zur Blutvergiftung und damit zum Absterben des Insekts.

Bt-Toxin in transgenen Pflanzen: Anders als das Bakterientoxin?

Mit Hilfe gentechnischer Verfahren können die aus Bacillus thuringiensis isolierten Bt-Protein-Gene auf Pflanzen übertragen werden. Wie bei allen Proteinen ist auch beim Bt-Protein die „Bauanleitung“ in einer bestimmten DNA-Abfolge (Gen) verschlüsselt. Wird das aus Bakterien isolierte Bt-Protein-Gen in das Erbgut einer Pflanze eingeschleust, produziert die Pflanze selbst Bt-Protein. 1995 wurde die erste Bt-Pflanze, Mais, in den USA zugelassen. Bt-Mais wird dort heute auf etwa 24 Millionen Hektar angebaut.

Die aktiven Toxine aus Bt-Pflanzen und aus Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Bt sind in ihrer Wirkung vergleichbar. In beiden liegt das Bt-Protein als ein Protoxin vor. Erst im alkalischen Darmmilieu empfindlicher Insekten wird das Protoxin, die Toxinvorstufe, durch bestimmte Enzyme (Proteasen) in aktives Toxin umgewandelt.

Unterschiedlich ist, dass die in die Pflanze eingeführten Bt-Gene verkürzt und an die Pflanze angepasst worden sind. Das Protein liegt dort nicht als Kristall, sondern gelöst vor. Vermutungen, dass dadurch möglicherweise auch andere Insekten als nur der „Zielorganismus“ durch das Protein geschädigt werden könnten, haben sich in den umfangreichen Untersuchungen etlicher Projekte der Sicherheitsforschung bislang nicht bestätigt.