Katja Moch

„Die neuen Erkenntnisse sind noch nicht in die Risikobewertung transgener Pflanzen eingeflossen.“

Katja Moch, Öko-Institut Freiburg, ist Autorin des Gutachtens „Epigenetische Effekte bei transgenen Pflanzen: Auswirkungen auf die Risikobewertung“ im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz (BfN).

Epigenetik: Neue Erkenntnisse - neue Unsicherheit bei gentechnisch veränderter Pflanzen?

Fragen an Katja Moch

biosicherheit: Das Szenario „Epigenetische Effekte“ – nimmt in der Diskussion um mögliche Risiken transgener Pflanzen einen wichtigen Raum ein. Was versteckt sich hinter diesem Schlagwort?

Katja Moch: Das griechische Wort epi bedeutet „auf“ oder „über“ und steht für Vorgänge, die über der Genetik stehen und nicht direkt durch die DNA kodiert werden. Klassischerweise werden darunter zunächst Modifizierungen der DNA verstanden, wodurch Gene an- oder abgeschaltet oder in der Stärke der Expression hoch- oder runterreguliert werden. Epigenetik wird aber zunehmend auch als Beschreibung der Komplexität der Genregulierung verstanden. Es geht um den komplexen Prozess, wie aus einem Genotyp ein Phänotyp entsteht. Dabei spielen auch Signale von außen, also von der Umwelt, eine Rolle.

Epigenetische Effekte bei gentechnischen Arbeiten beschreiben unbeabsichtigte Effekte, da durch das Einbringen von Genkonstrukten in ein vorhandenes Genom eines Organismus nicht nur die gewünschte Veränderung herbeigeführt wird, sondern auch in genregulatorische Vorgänge und Strukturen eingegriffen werden kann. Ich finde aber nicht, dass epigenetische Effekte bisher einen wichtigen Raum einnehmen, denn es fehlt an einer systematischen Erforschung unbeabsichtigter Effekte und ihrer Grundlagen. Schaut man sich publizierte Untersuchungen an, so sind die Fragestellungen meistens sehr eng gefasst und lassen keine Analyse der unbeabsichtigten Effekte zu.

biosicherheit: Vor nicht allzu langer Zeit ging man davon aus, dass ein Gen nur ein Protein codiert. Mittlerweile sind eine Reihe von Mechanismen bekannt, die die alte Regel „Ein-Gen-Ein-Protein“ in ihrer Absolutheit mehr und mehr in Frage stellen. Inwieweit fließen denn bereits neue Erkenntnisse aus der Epigenetik in die Pflanzenforschung und – züchtung ein?

Katja Moch: Ihre Fragen beziehen sich ja auf das Gutachten „Epigenetische Effekte bei transgenen Pflanzen: Auswirkungen auf die Risikobewertung“, das wir für das Bundesamt für Naturschutz erstellt haben. Darin haben wir vor allem geschaut, welche Ergebnisse es zu unbeabsichtigten epigenetischen Effekten bei gentechnisch veränderten Pflanzen gibt, die über ungewollte Veränderungen auf genetischer Ebene, wie etwa multiple Insertionen, Umordnungen, Deletionen, Füll-DNA etc. hinausgehen. Dieses Gutachten stellt eine erste Zusammenfassung epigenetischer Effekte bei transgenen Pflanzen dar. Wir haben dann nach den Implikationen geschaut, die sich für die Risikobewertung ergeben, und verglichen, ob diese durch die gängige Risikobewertung abgedeckt werden.

Zu Ihrer Frage: Die neuen Erkenntnisse sind nur bedingt in gentechnisches Arbeiten mit Pflanzen eingeflossen, denn es wird dabei nach wie vor davon ausgegangen, dass durch das Genkonstrukt, das in Pflanzen eingebracht wird, nur die gewünschte Eigenschaft dauerhaft ausgebildet wird. Das bedeutet, dass nach wie vor von der Annahme „Ein-Gen-Ein-Protein“ ausgegangen wird. Da aber die transgenen Konstrukte zufällig in das pflanzliche Genom inserieren, können genetische und epigenetische Regulationsnetzwerke gestört oder verändert werden.

biosicherheit: Haben sich gentechnische Verfahren auf Basis der neuen Erkenntnisse weiterentwickelt?

Katja Moch: Da nicht alles veröffentlicht wird, woran geforscht wird, kann ich das nicht in Gänze beurteilen. Bei gentechnischen Arbeiten an Pflanzen, die auf eine kommerzielle Anwendung zielen, wird darauf geachtet, dass sich möglichst nur eine Kopie des Genkonstruktes im Genom der Pflanze befindet. Dann ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass das Transgen stillgelegt wird. Dies kann durch Rückkreuzung mit einer nicht-transgenen Elternlinie erreicht werden. Auch der Schritt der Zellkultur bei gentechnischer Veränderung wird teilweise umgangen oder verkürzt, weil Zellkultur Änderungen auf genetischer aber auch epigenetischer Ebene auslösen kann. Beides sind Strategien, um unbeabsichtigte Effekte zu minimieren, werden aber vor allem angewandt, damit die transgene Eigenschaft möglichst stabil exprimiert wird.

biosicherheit: Epigenetische Vorgänge manifestieren sich in veränderten Eigenschaften der Pflanzen, etwa in der Morphologie, bei agronomischen Eigenschaften oder Inhaltsstoffen. Werden solche Effekte in den zahlreichen Tests und Untersuchungen, die transgenen Linien bis zu einer Zulassung durchlaufen, nicht bemerkt? Gibt es Lücken beim derzeitigen Konzept der Risikobewertung?

Katja Moch: Ja, es gibt Lücken in der derzeitigen Risikobewertung. Das größte Manko ist, dass es keine Richtlinien gibt, welche Methoden oder welches Methodenset mindestens angewendet werden sollten. Es ist beispielsweise nicht verpflichtend, dass eine DNA-Sequenzierung des gesamten Transgen-Inserts, also eine Sequenzierung nach der gentechnischen Veränderung, durchgeführt wird. Insgesamt sollten weitergehende Analysen für eine Zulassung in der EU eingeführt werden. Das Vorsorgeprinzip sollte sich zum einen im Umfang der Untersuchungen niederschlagen und zum anderen in einer vorsichtigen Bewertung, wenn Unterschiede, zwischen der transgenen Pflanze und den Vergleichspartnern festgestellt wurden. Denn schließlich stellt die Evaluation der Ergebnisse einen normativen Schritt in der Risikobewertung dar.

Epigenetische Effekte, die eine veränderte Morphologie oder schlechtere agronomische Eigenschaften zur Folge haben, lassen sich noch am einfachsten feststellen. Schwieriger wird es, wenn unbekannte Proteine oder sekundäre Stoffwechselprodukte entstehen oder die Anpassungsfähigkeit bzw. Reaktion der Pflanze auf geänderte Umweltbedingungen betroffen ist. Zur Untersuchung von Inhaltsstoffen bei transgenen Pflanzen findet eine konzentrierte und systematische Forschung statt, die aber bisher noch nicht reif für Zulassungsverfahren ist. Schwierig ist zudem die Bewertung von Fällen, bei denen signifikante Unterschiede bei Inhaltsstoffen zwischen der transgenen Pflanze und den Vergleichspflanzen nachgewiesen wurden. Dann sind weitere Untersuchungen zur Relevanz des Ergebnisses nötig.

biosicherheit: Epigenetische Effekte sind ja nicht allein auf transgene Pflanzen beschränkt. Sie treten ja auch bei konventionell gezüchteten Pflanzen auf. Das heißt: Nachkommen können Eigenschaften haben, die sich nicht linear aus denen der Eltern ableiten. Wie geht der Pflanzenzüchter damit um?

Katja Moch: Das ist eine Frage, die weit über das Gutachten hinausgeht und wir selber sind keine Pflanzenzüchter. Generell hängt Pflanzenzüchtung von der Nutzpflanze ab. Züchtung ist immer ein Prozess, in dem aus verschiedenen Ausgangslinien oder – populationen neue Variationen gebildet werden, die dann nach gewünschten Merkmalen selektiert werden. Für eine Sorte muss dann eine gewisse Vereinheitlichung erzielt werden. Da Pflanzenzüchtung, vor allem wenn mit markergestützer Selektion gearbeitet wird, sich in erster Linie an der genetischen Ausstattung orientiert, wird generell wenig über epigenetische Effekte bekannt sein. Was mich persönlich bei epigenetischen Effekten bei der Züchtungsforschung interessiert ist die Frage, inwieweit lokale Umwelteinflüsse Varietäten oder auch Sorten dauerhaft und einzigartig prägen.

biosicherheit: In welcher Weise sollten ihrer Meinung nach die neuen Erkenntnisse bei der Entwicklung von Neuzüchtungen – konventionellen wie transgenen - verwertet werden?

Katja Moch: Ihre Frage impliziert, dass gentechnische Veränderung eine Züchtungsmethode ist, dem ich so nicht zustimme. Gentechnische Veränderung stellt einen qualitativ anderen Eingriff dar als bei der klassischen Züchtung. Dies spiegelt schließlich auch die europäische Gesetzgebung wieder, die für gentechnisch veränderte Pflanzen eigene Verordnungen besitzt, die eine gesonderte Zulassung regeln. Meine persönliche Meinung ist, dass Neuzüchtungen lokale Anpassungen im Auge haben sollten, damit es nicht zu einer Sortenvereinheitlichung kommt, sondern eine möglichst große Sortenvielfalt verwendet wird.

biosicherheit: Vielen Dank