Debatte: Die öffentliche Diskussion um Grüne Gentechnik

„Das Kernproblem ist die Vermischung von wissenschaftlichen und politischen Argumenten.“

Noch immer wird Grüne Gentechnik in erster Linie als Risiko wahrgenommen. Obwohl es seit Jahren eine biologische Sicherheitsforschung gibt, ist die Auffassung weit verbreitet, mögliche Folgen gentechnisch veränderter Pflanzen für die Umwelt seien nicht erforscht. Während die Politik diese Haltung verstärkt, sind Wissenschaftler in der öffentlichen Debatte kaum zu vernehmen. bioSicherheit sprach darüber mit Karl-Heinz Kogel, Biologe und Agrarwissenschaftler an der Universität Gießen. Er hat sich intensiv an den öffentlichen Diskussionen über seinen Freisetzungsversuch mit gv-Gerste beteiligt.

Dr. Karl-Heinz Kogel, Professor für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz am Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie (IPAZ) und Vizepräsident der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Versuchsfeld mit gv-Gerste, Gießen 2006. Die Versuchsfläche auf dem Gelände der Universität wurde 2006 teilweise zerstört und wird seitdem bewacht. Trotz der Zerstörungen konnten erste Ergebnisse der Risikobewertung transgenen Getreides erzielt werden, die nun in mehrjährigen Freilandversuchen verifiziert werden müssen. In zahlreichen Veranstaltungen hat sich Kogel den Kritikern gestellt und seinen Versuch erläutert.

Heftige Auseinandersetzung vor Ort gab es auch um Anbauversuche mit gv-Mais, die im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Sortenzulassung vom Institut für Pflanzenzüchtung der Universität Giessen zusammen mit dem Bundessortenamt durchgeführt wurden. Trotz einer mehrheitlichen Ablehnung des Projekts durch den Giessener Stadtrat sah die Universität keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte für den Abbruch des Versuchs. Als Vizepräsident der Universität trägt Kogel diese Entscheidung mit.

bioSicherheit: Ihr eigener Freisetzungsversuch mit gv-Gerste hat im letzten Jahr heftige öffentliche Kritik hervorgerufen. Es kam auch zu Protesten und Zerstörungsaktionen durch radikale Gentechnik-Gegner. Sie haben immer die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit gesucht. Haben Sie etwas bewirken können?

Karl-Heinz Kogel: Die Regionalpresse hat sehr objektiv berichtet und auch aus der Regionalpolitik haben wir positive Reaktionen erfahren. Der Magistrat der Stadt Gießen hat sich sogar einstimmig für unsere Versuche zur Biologischen Sicherheitsforschung ausgesprochen - allerdings verbunden mit einer klaren Ablehnung der Sortenversuche mit Bt-Mais, die ebenfalls an unserer Universität durchgeführt werden. Ausschlaggebend war, dass man hier kommerzielle Motive gesehen hat.

bioSicherheit: Ist es auf Ihre aktive Beteiligung zurückzuführen, wenn zumindest Ihre Versuche mit gv-Gerste in der Öffentlichkeit geduldet werden?

Karl-Heinz Kogel: Unser Versuch ist ja gerade darauf ausgerichtet, mögliche Risiken der Grünen Gentechnik zu identifizieren. Es ist uns gelungen, dieses Anliegen zu vermitteln. Als dann radikale Gentechnik-Gegner die Zerstörung unseres Versuchs ankündigten, führte das zu einem starken Solidarisierungseffekt, insbesondere an der Universität. Es gab aber auch eine deutliche Unterstützung aus den Wissenschaftsorganisationen, etwa der DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft), und auch von vielen Wissenschaftlern aus dem Ausland. Trotzdem sind Teile des Versuchs zerstört worden – und zwar durch eine kleine Gruppe von „Feldbefreiern“, die vor laufender Kamera die Pflanzen zertrampelt haben. Sie haben das richtig zelebriert, um damit ihre Ablehnung des politischen Systems zu demonstrieren. Das ist schon eine interessante Erfahrung: Je radikaler der Widerstand, um so weniger hat das wohl mit biologischen Fragen oder Risikoaspekten der Gentechnik zu tun.

Die insgesamt aber eher positive Stimmung in der Öffentlichkeit zu unserem Versuch war sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass wir sehr, sehr lange erklärt haben, dass wir hier unabhängige, durch Steuergelder finanzierte Biosicherheitsforschung durchführen. Wir haben hier in Gießen Dutzende von Veranstaltungen durchgeführt. Ich war an Schulen, habe mit Abgeordneten und dem AStA (Allgemeiner Studentenausschuss) vor Ort geredet. Meine Erfahrung ist eindeutig: Je offener, präziser und konkreter wir als Wissenschaftler argumentieren, desto klarer werden von den Menschen mögliche Vorteile dieser Technik erkannt und vor allem mögliche Risiken realistischer wahrgenommen.

„Wir müssen geduldig Überzeugungsarbeit leisten.“

bioSicherheit: Wolfgang van den Daele hat im Gespräch mit bioSicherheit die These vertreten, Wissenschaftler könnten die öffentliche Meinung gar nicht beeinflussen können, da die Ablehnung der Grünen Gentechnik sich nicht rational ableite, sondern ein Symbol für bestimmte politisch-ideologische Grundeinstellungen sei.

Karl-Heinz Kogel: Historisch betrachtet trifft die Einführung einer neuen, „umwälzenden“ Technik zunächst immer auf das Misstrauen und die Ängste der Menschen – und das ist bei Grüner Gentechnik noch stärker, weil es um Lebensmittel und Gesundheit geht. Die Skepsis, auf die wir treffen, ist Ausdruck eines erklärbaren, ja notwendigen Schutzmechanismus, der ja auch aus evolutionsbiologischer Sicht sinnvoll ist. Für uns Wissenschaftler heißt das: Wir müssen zeigen, dass diese Technik, die wir einführen wollen, große Vorteile hat – und dass diese Vorteile begreifbar werden. Erst dann, glaube ich, kann man die Bevölkerung wirklich überzeugen. Unsere Aufgabe ist es, stetig und mit viel Geduld Überzeugungsarbeit zu leisten.

bioSicherheit: Wo sehen Sie denn den Nutzen der Pflanzenbiotechnologie, der in der Gesellschaft überzeugend vermittelt werden kann?

Karl-Heinz Kogel: Aus meiner Sicht ist es immer noch ein wesentliches Ziel, den chronischen Hunger zu überwinden und Pflanzen mit einer besseren Qualität zu entwickeln. Gerade unter der Anforderung der Nachhaltigkeit wird Gentechnik hier zukünftig einen Beitrag leisten. Ein noch größeres Potenzial sehe ich, wenn es darum geht, die Folgen des Klimawandels zu mindern, gerade im Bereich erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe. Wenn man sich die aktuelle Grundlagenforschung anschaut, sind viele Ansätze zu überzeugenden Lösungen zu erkennen.

Wir müssen auch die möglichen Konsequenzen und Gefahren deutlich machen, die darin liegen, wenn wir nicht handeln. In unseren Breiten ist zum Beispiel die Ökobilanz nachwachsender Rohstoffe nicht gut - hier sind neben anderen auch biotechnische Verfahren geeignet, um an das Produktionsverfahren angepasste, effizientere Pflanzen zu entwickeln. Heute glaubt man, ohne Einschränkungen auf diese Technologie verzichten zu können. Doch wenn, wie heute schon in der Medizin, auch bei der Grünen Gentechnik deutlich wird, welche Nachteile die Nicht-Anwendung hat, wird sich die öffentliche Meinung ändern.

bioSicherheit: In der Gesellschaft haben wir allerdings keine Nutzendebatte, sondern eine Risikodebatte. Hinzu kommt, dass die Wissenschaftler - und vor allem die seriöse Sicherheitsforschung - in dieser Debatte kaum eine Rolle spielen.

Karl-Heinz Kogel: Da sind wir beim Kernproblem. Die Bewertung des Risikos gentechnisch veränderter Pflanzen geschieht nicht auf wissenschaftlicher Grundlage, sondern wird politisch entschieden. Diese Durchmischung von politischen und wissenschaftlichen Argumenten erschwert die Diskussion ganz erheblich - auch vor Ort.

Ein aktuelles Beispiel ist der Bescheid des BVL mit dem vorläufigen Vertriebsverbot von Bt-Mais MON810. Faktisch ist es eine politische Entscheidung, die man als Staatsbürger akzeptieren muss. Entsetzlich finde ich aber die Begründung, die von einer Gefahr für die Umwelt spricht. Aus wissenschaftlicher Sicht hält sie einer substantiellen Analyse nicht stand. Wenn Sie die entsprechenden Publikationen bis 2007 sorgfältig analysieren, wird deutlich: Es haben sich keine Risiken für Mensch, Tier und Pflanzen gezeigt, ganz sicher keine, die über das normale Niveau von gezüchteten Pflanzen hinaus gehen. Es gibt weltweit keine Pflanzen, kaum eine Chemikalie, die besser untersucht worden ist als Bt-Mais oder Bt-Toxin. Die biologische Sicherheitsforschung, die das BMBF seit Jahren mit vielen Millionen fördert, hat auf die meisten Risikofragen Antworten geliefert. Aber genau die werden nicht berücksichtigt. Das ist ein schwerer handwerklicher Fehler.

Als Fachmann für biologischen Pflanzenschutz - wir haben in dieser Richtung viel publiziert - muss ich auch sagen, dass die Konsequenzen der Argumentation kaum bis zu Ende gedacht werden. Wenn das Bt-Toxin wirklich eine Gefahr darstellt – wie Anreicherung im Boden oder eine Aktivität auf Nicht-Zielorganismen - , dann müssten doch die klassischen Bt-Präparate schnellstens überprüft werden. Seit Jahrzehnten werden diese in der organischen Landwirtschaft als biologische Pflanzenschutzmittel verwendet. Sie gelten völlig zu Recht als umweltverträglich und förderlich für ein nachhaltiges Wirtschaften. Der Wirkungsmechanismus von Bt-Toxin ist bis in die molekularen Details aufgeklärt. Man muss schon fragen: Ist der _mode of action_eines Wirkstoffs abhängig von der herrschenden politischen Weltanschauung in der Landwirtschaft?

„Es ist eine Art Politbiologie entstanden.“

bioSicherheit: Was folgt daraus? Müssten die Wissenschaftler sich nicht stärker an der öffentlichen Debatte beteiligen? Man hat oft den Eindruck, dass die Wissenschaftler mit ihrer Expertise dort kaum vertreten sind. Damit überlassen sie der Politik das Feld.

Karl-Heinz Kogel: Das ist auch unsere Erfahrung vor Ort. Obwohl die Universität Gießen einen starken Schwerpunkt in den__Lebenswissenschaften hat, beteiligen sich nur wenige Kollegen an der öffentlichen Diskussion. Was viele von ihnen abschreckt, ist diese Vermischung von politischen und wissenschaftlichen Argumenten. Man lehnt die Grüne Gentechnik ab, weil man dem organischen Landbau Priorität einräumt - das ist völlig in Ordnung. Aber wenn dieser politische Wille biologisch untermauert werden soll, kommt es zu haarsträubenden Aussagen: Da kreuzen plötzlich alle Pflanzen aus, die Bienen sterben wegen der Gentechnik und hier in der Wetterau gehen Kühe ein, weil sie Bt-Mais gefressen haben. Es ist eine Art Politbiologie entstanden. Wenn man so etwas immer wieder hört und als Wissenschaftler die Erfahrung macht, kaum etwa ausrichten zu können, dann sehen viele Kollegen keinen Sinn, sich an öffentlichen Debatten zu beteiligen. Man glaubt - oft zu Unrecht -, dass der Zeitaufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Ich sehe das Problem auch, wenn sich immer mehr Wissenschaftler aus der öffentlichen Diskussion zurückziehen, aber eine Lösung habe ich noch nicht gefunden.

bioSicherheit: Geht es nicht auch um ein grundsätzliches Problem? Was hat das langfristig für Folgen, wenn seriöse wissenschaftliche Erkenntnisse politisch dominiert werden, wie es aktuell oft den Anschein hat?

Karl-Heinz Kogel: Trotz aller Polarisierung plädiere ich für eine unaufgeregte Diskussion. Wir sollten uns weiterhin mit den Chancen der Grünen Gentechnik auseinandersetzen. Das Entscheidende ist, dass diese Diskussion wissenschaftsbasiert bleibt. Politische Entscheidungen sind klar als solche zu benennen und sollten nicht durch Verzerrung von biologischem Grundlagenwissen scheinbar rational begründet werden. Das würde uns schon viel weiter helfen. Geschieht das nicht, läuft die Politik Gefahr, Vertrauen zu verlieren - nicht nur bei der Wissenschaft.