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„Wir beobachten bei Bt-Baumwolle, aber auch bei Bt-Mais gerade in Entwicklungsländern Ertragsvorteile von dreißig, vierzig Prozent.“

Prof Dr. Matin Qaim leitet den Arbeitsbereich Welternährung und Rurale Entwicklung an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Göttingen. Seit 2000 beschäftigt er sich mit den ökonomischen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Nutzpflanzen. Er ist unter anderem Mitglied im Kuratorium des International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) und im Golden Rice Humanitarian Board.

Können gentechnisch veränderte Pflanzen einen Beitrag zur Überwindung des weltweiten Hungers leisten?

Fragen an Matin Qaim

bioSicherheit: Nach Aussagen der FAO muss die globale Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um 70 Prozent gesteigert werden, um dann schätzungsweise neun Milliarden Menschen zu ernähren. Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Matin Qaim: Das nötige Produktionswachstum kann nicht immer weiter auf Kosten natürlicher Ressourcen – vor allem Land, Wasser und Biodiversität - gehen. Das heißt, wir müssen Wege und Möglichkeiten finden, mit weniger Ressourcenverbrauch mehr zu produzieren. Das erfordert die Ausnutzung moderner Wissenschaft und Technologie, vor allem im Bereich der Züchtungsforschung. Chemische Technologien sind weitgehend ausgereizt, aber genetische Verbesserung birgt nach wie vor ein großes Potenzial. Dieses muss durch konventionelle und biotechnologische Züchtungsmethoden ausgenutzt werden, was höhere Investitionen in die Agrarforschung voraussetzt.

bioSicherheit: Kann man mit gentechnisch veränderten Pflanzen höhere Erträge erzielen als mit konventionell gezüchteten Pflanzen? Können solche Pflanzen einen signifikanten Beitrag dazu leisten, die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Entwicklungsländern zu steigern?

Matin Qaim: Ja, aus meiner Sicht ist das ganz klar. Zwar ist es bisher mit der Gentechnik noch nicht gelungen, das Ertragspotenzial von Pflanzen zu steigern. Aber erst einmal muss ja das Ertragspotenzial der heute verfügbaren Nutzpflanzen erreicht werden. Und davon sind wir an den meisten Standorten der Welt weit entfernt, weil teilweise über fünfzig Prozent der Erträge ausfällt durch Schädlingsbefall, durch Pflanzenkrankheiten, durch Wassermangel und durch andere Stressfaktoren. Bei der Resistenz gegen solche Stressfaktoren gibt es bereits heute mit der Gentechnik beachtliche Erfolge. Insektenresistente Bt-Pflanzen beispielsweise reduzieren den Insektenfraß, so dass wir bei Bt-Baumwolle, aber auch bei Bt-Mais gerade in Entwicklungsländern Ertragsvorteile von dreißig, vierzig Prozent beobachten. Ähnliche Effekte sind auch für andere Kulturarten und Resistenzmerkmale zu erwarten.

bioSicherheit: Sie untersuchen in Ihren eigenen Forschungsarbeiten, welche ökonomischen Auswirkungen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen für Kleinbauern in Entwicklungsländern hat. Dabei haben Sie sich vor allem mit dem Anbau von Bt-Baumwolle in Indien befasst. Was sind Ihre wichtigsten Ergebnisse?

Matin Qaim: Wichtig ist, dass eine Technologie wie Bt-Baumwolle tatsächlich auch von Klein- und Kleinstbauern angewendet wird und dass sie im Kleinbauernsektor deutlich höhere Erträge ermöglicht als konventionelle Baumwolle. Wir beobachten in Indien inzwischen über sieben Jahre hinweg durchschnittliche Ertragsvorteile von etwa 35 Prozent und eine Reduktion des Pestizideinsatzes um etwa 40 Prozent. Der Gewinn, der den Bauern bleibt, hat sich im Durchschnitt um 135 US-Dollar pro Hektar erhöht und das ist viel Geld für diese Kleinbauernfamilien. Das sind Daten, die ich zusammen mit Kollegen und Mitarbeitern selber erhoben habe und die repräsentativ für Indien sind. Wir haben jetzt gerade eine umfangreiche neue Studie vorgelegt, in der wir über diese Feldbeobachtungen hinausgehen und analysieren, was diese Technologie in breiterem Maßstab in der lokalen Volkswirtschaft an Effekten auslöst. Wir beobachten einen enormen Einkommensschub. Das Haushaltseinkommen von ländlichen Familien ist beim Anbau von Bt-Baumwolle im Vergleich zu konventioneller Baumwolle um fast achtzig Prozent erhöht und interessanterweise trifft das nicht nur auf die Baumwollbauern zu, sondern beispielsweise auch auf landlose Arbeiter oder Beschäftigte in anderen Sektoren wie Transport und Handel. Der Großteil – etwa sechzig Prozent – dieser Einkommenssteigerungen entfällt auf Haushalte mit weniger als zwei US-Dollar Tageseinkommen, also solche, die von der Weltbank als arm definiert werden. Dies trägt indirekt ebenfalls zur Bekämpfung des Hungers bei, weil höheres Einkommen besseren Zugang zu Nahrung bedeutet.

bioSicherheit: Was sagen Sie zu dem immer wieder geäußerten Vorwurf, gentechnisch veränderte Pflanzen wären nur für die industrialisierte Landwirtschaft entwickelt worden und Kleinbauern in Entwicklungsländern müssten sich für diese teure Technologie verschulden?

Matin Qaim: Das liegt natürlich weniger an der Technologie selbst als daran, wer sie unter welchen Vorzeichen entwickelt. Bisher – und das ist ein Stück weit beklagenswert – haben fast ausschließlich große private Firmen Technologien entwickelt und auf den Markt gebracht, die inzwischen weit verbreitet auch von Kleinbauern in Entwicklungsländern angewendet werden, die aber sicherlich nicht primär für den Kleinbauernsektor entwickelt wurden. Diese Technologien können dort Nutzen stiften, aber es gibt eine ganze Reihe von Bereichen, die von den privaten Firmen nicht abgedeckt werden. Insofern würde ich mir wünschen, dass mehr öffentliche Forschung stattfindet, die gezielt auf die Belange von Kleinbauern in Entwicklungsländern ausgerichtet ist.

Die Saatgutpreise werden natürlich durch Patente erhöht, was den Zugang erschwert. Bisher ist es aber so, dass die Patente, die in den USA oder auch in Europa gelten, zum allergrößten Teil in den Entwicklungsländern nicht gelten. Es gibt Verschuldungsprobleme bei Kleinbauern in Entwicklungsländern, aber der Grund dafür liegt nicht bei gentechnisch verändertem Saatgut. Dennoch: Ich würde mir wünschen, dass mehr öffentlich geforscht und auch auf den Markt gebracht wird, ergänzend zu den Aktivitäten der privaten Firmen.

bioSicherheit: Werden denn schon gentechnisch veränderte Nutzpflanzen im Rahmen öffentlicher Forschung entwickelt? Es werden ja immer wieder Befürchtungen geäußert, dass die Konzerne in Zukunft die gesamte Saatgutproduktion kontrollieren und eben nicht das entwickeln, was in Entwicklungsländern gebraucht wird.

Matin Qaim: Es findet eine ganze Menge öffentliche Forschung statt. Die öffentliche Forschung sieht sich aber verschiedenen Problemen gegenüber. Zum einen ist sie natürlich abhängig von Steuergeldern und insbesondere im europäischen Kontext hat sich die Politik bisher schwer getan, gentechnische Forschung explizit öffentlich zu fordern, weil die öffentliche Meinung dagegen steht. Ein anderes, mindestens ebenso wichtiges Problem ist der Umstand, dass der öffentliche Sektor bisher so gut wie gar nichts bis zur Marktreife gebracht hat. Der Grund dafür ist die Regulierung, die inzwischen sehr komplex und vielschichtig ist. Die Regulierungskosten sind um ein Vielfaches höher als die eigentlichen Forschungskosten und das sind Kosten, die bisher nur große multinationale Konzerne stemmen konnten. Das heißt, dass öffentliche Forschung es immer schwerer hat, aber dass auch kleinere Unternehmen mit weniger Finanzkraft es immer schwerer haben. Die hohe Regulierungsdichte trägt in diesem Fall mit zu einer Konzentration, zu einer Monopolisierung bei und da sollte gegengesteuert werden.

Ich bin der Überzeugung, dass auch große Konzerne Technologien entwickeln, die in Entwicklungsländern Nutzen stiften können, wie zum Beispiel die Bt-Baumwolle, aber das wird nicht reichen. Eine Firma wie Monsanto wird sich nicht um Hirse, Sorghum oder Maniok kümmern, alles wichtige Grundnahrungsmittelpflanzen in Entwicklungsländern, wird sich auch nicht um Merkmale kümmern wie vielleicht höherer Vitamin A-Gehalt oder höherer Eisengehalt in diesen Pflanzen. Es gibt Bereiche, von denen können wir nicht erwarten, dass sie von privaten Konzernen erforscht werden und genau das muss durch öffentliche Forschung ergänzt und abgedeckt werden.

bioSicherheit: Selbst wenn die Regulierungskosten niedriger wären, ist eine solche Hochtechnologie immer noch teuer in der Entwicklung. Es wird immer wieder kritisiert, dass hier viel Geld ausgegeben wird, das dann anderswo in der Entwicklungshilfe fehlt und dass man lieber kostengünstigere Alternativen verfolgen sollte. In Afrika wurde zum Beispiel zur Bekämpfung des Maisstängelbohrers – gegen den man ja auch mit Hilfe der Bt-Technologie vorgehen kann - eine sehr erfolgreiche biologische Methode entwickelt, die „Push-Pull“-Methode. Gibt es Untersuchungen zu der ökonomischen Wirksamkeit solcher alternativer Vorgehensweisen?

Matin Qaim: Grundsätzlich dürfen die Gentechnik oder auch andere Hochtechnologien nicht als Ersatz für andere Maßnahmen der Entwicklungshilfe gesehen werden. Dieser Kostenvergleich, den Sie ansprechen, Hochtechnologie ist teuer, andere Methoden sind billig, ist aus meiner Sicht aber viel zu kurzsichtig. Man muss die Kosten umfassender betrachten. Bei der Entwicklung einer gentechnisch veränderten Sorte hat man eine relativ hohe Anfangsinvestition, aber man muss ja bedenken, dass diese Technologie für die Bauern leicht anzuwenden ist und die Kosten nachher sehr gering sind, jedenfalls wenn sie das Saatgut selber weitervermehren können.

Zu Methoden zur biologischen Schädlingsbekämpfung gibt es auch ökonomische Studien, aber diese Studien schauen sich in der Regel nur in einer ganz kleinen Pilotregion an, wie Bauern bei einer intensiven Betreuung und Beratung so etwas erfolgreich umsetzen können. Und dann heißt es, das ist günstig für die Bauern. Aber die Kosten, die durch die Beratungsleistungen verursacht werden, und der höhere Arbeitsaufwand, den die Bauernfamilien erbringen müssen, werden nicht gegengerechnet. Das ist realitätsfern. Und so erfolgreich bisher Methoden der biologischen Schädlingsbekämpfung an einigen lokalen Standorten sind, im Rahmen kleiner Projekte, ich kenne bisher kein Beispiel aus Entwicklungsländern, wo das so genannte „Upscaling“ erfolgreich war, das heißt also, aus dem Pilotcharakter heraus eine weitere Verbreitung zu finden. Das ist bei der Gentechnik anders.

Ich will damit überhaupt nicht sagen, dass Gentechnik besser ist als biologische Schädlingsbekämpfung. Sie würden hervorragend zusammenpassen, denn die Gentechnik kann ja mit dazu beitragen, den chemischen Pestizideinsatz zu reduzieren. Eine Kombination wäre für mich durchaus wünschenswert. Wir sind, weil die ganze Diskussion ideologisch geprägt ist, noch weit davon entfernt, aber ich wäre der letzte, der sagt, dass biologische Schädlingsbekämpfung keine Rolle spielt. Nur: die Erfahrung zeigt, dass neue Saatguttechnologien sich sehr viel schneller und weiter verbreiten, weil es den Bauern einfach erscheint und weil es sehr viel weniger Input in Beratung und Training kostet. Deshalb sind moderne Saatguttechnologien insgesamt mitnichten teurer als Low-Tech Alternativen.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.