Gentechnisch veränderter Bt-Mais: Kein Einfluss auf Insektengemeinschaften

Sorte, Wetter und Anbaupraxis beeinflussen das Maisökosystem

Drei Sommer lang haben Eva Schultheis und ihre Arbeitsgruppe von der RWTH Aachen auf dem Maisversuchsfeld unzählige Insekten gefangen und später im Labor nach Art bestimmt. Sie wollten herausfinden, ob sich die Insektengemeinschaften in gentechnisch verändertem Bt-Mais von denen in konventionellem Mais unterscheiden. Sie fanden Unterschiede zwischen den Jahren und zwischen einzelnen Maissorten, einen Einfluss der gentechnischen Veränderung konnten sie nicht finden. Auch umfangreiche Untersuchungen im Labor mit der Reisblattwanze, die als Stellvertreterart ausgewählt wurde, zeigten keine negativen Auswirkungen durch Bt-Mais. bioSicherheit sprach mit Eva Schultheis über ihre Forschungsarbeiten.

Eva Schultheis vom Institut für Biologie III (Pflanzenphysiologie) der RWTH Aachen auf dem Maisversuchsfeld. Zu drei Zeitpunkten während der Vegetationsperiode wurden Insekten mit dem Kescher auf einer Strecke von 120 Metern pro Parzelle gefangen.

blühender Mais

Auf dem Maisversuchsfeld gab es insgesamt 40 Anbauparzellen mit vier verschiedenen Maissorten: Gentechnisch veränderter BT-Mais, der drei Bt-Proteine bildet, sowie zum Vergleich drei konventionelle Sorten, darunter die Ausgangssorte des Bt-Maises (isogene Sorte). Der Bt-Mais bildet drei verschiedene Bt-Proteine, zwei davon wirksam gegen den Schädling Maiszünsler und eins gegen den Maiswurzelbohrer.

Klebefalle

Klebefallen: Von diesen Fallen wurde eine pro Parzelle in einem Meter Höhe in der Krautschicht aufgestellt und dann über zehn Wochen etwa wöchentlich ausgewechselt.

Auf dem Maisversuchsfeld: Aus den männlichen Blüten an der Spitze der Maispflanzen werden Insekten abgeschüttelt.

Klopfproben: Bei 25 Pflanzen pro Parzelle wurden Insekten aus den männlichen Blütenständen geschüttelt. Alle gefangenen Tiere wurden in Alkohol eingelegt, ins Labor gebracht und bis zur Art bestimmt.

Fraßversuch mit Weichwanzen

Im Labor wurde mit Tieren aus der eigenen Zucht ein „Full-Life-Cycle“-Test durchgeführt.

Weichwanze

Modellorganismus: Trigonotylus caelestialium, eine Weichwanze, die häufig vorkommt.

bioSicherheit: Sie haben untersucht, ob gentechnisch veränderter Bt-Mais sich schädlich auf die Insektengemeinschaften im Maisfeld auswirkt. Der untersuchte Bt-Mais bildet drei Bt-Proteine, die sehr spezifisch gegen die Schädlinge Maiszünsler und Maiswurzelbohrer wirken und die Frage war, ob nicht auch andere so genannte Nicht-Zielorganismen geschädigt werden könnten. Dabei haben Sie sich auf ganz bestimmte Insekten konzentriert. Welche waren das?

Eva Schultheis: Wir haben auf unserem Versuchsfeld in den Jahren 2008 bis 2010 die Gemeinschaft der Insekten erfasst und zwar in der Krautschicht und in den männlichen Blütenständen. Wir haben uns in der Auswertung dann vor allem auf Organismengruppen konzentriert, die mit dem Bt-Protein aus dem Bt-Mais in Berührung kommen, die also entweder an der Pflanze fressen oder die Fraßfeinde von Organismen sind, die an der Pflanze fressen und so indirekt die Proteine aus der Pflanze aufnehmen. Wir wollten herausfinden, ob es Unterschiede gibt in den Gemeinschaften, sowohl in der Artenzusammensetzung als auch in den Dichten. Wir wollten sehen, ob diese Tiere durch Bt-Mais negativ beeinflusst werden.

bioSicherheit: Mit welchen Methoden haben Sie im Feld gearbeitet?

Eva Schultheis: Wir haben in jeder Feldsaison in den Jahren 2008 bis 2010 über eine Dauer von etwa zehn Wochen die Organismen, die im Maisfeld vorkamen, gefangen. Dazu haben wir drei verschiedene Techniken angewendet. Um die Organismen der Krautschicht zu fangen, haben wir zu drei Zeitpunkten im Jahr mit dem Kescher Proben genommen. Die zweite Technik waren Klebetafeln. Das sind DIN A4-große Plastikfolien, bestrichen mit nicht-lockendem Insektenleim. Die dritte Probenahmetechnik waren die Klopfproben. Dabei haben wir die männlichen Blütenstände ausgeklopft und so die Tiere, die sich zwischen den Antheren und Pollen aufhielten, gefangen.

bioSicherheit: Hört sich nach sehr viel Aufwand an. Was war denn der Lohn der Mühe? Was haben Sie dabei herausgefunden?

Eva Schultheis: Als Ergebnis kann man sagen, dass wir einen so genannten Bt-Effekt, also eine Auswirkung des Anbaus der gentechnisch veränderten Bt-Maissorte, nicht feststellen konnten. Wir konnten aber verschiedene andere Effekte feststellen. Wir haben einerseits einen Sorteneffekt finden können. Es gab für viele Organismengruppen auch auf Artniveau Unterschiede in der Sorte Benicia, das war eine unserer konventionellen Vergleichssorten. Die fiel immer ein wenig aus dem Rahmen, mal nach oben, mal nach unten. Darüberhinaus konnten wir zeigen, dass es Unterschiede gibt zwischen den Jahren. Das ist wichtig, wenn man eine ökologische Basislinie definieren möchte, wenn man z.B. für zugelassenen Bt-Mais ein Monitoringschema entwickeln will. Unterschiede zwischen den Jahren hängen natürlich vom Wetter ab, das konnten wir sehr schön zeigen und auch, dass verschiedene landwirtschaftliche Methoden einen Einfluss haben z.B. die Feldbewässerung.

bioSicherheit: Im Labor haben Sie sich um eine spezielle Art gekümmert, nämlich um eine Weichwanze, die Sie als Modellorganismus ausgewählt haben. Wieso eignet sich nun gerade diese Weichwanze als Modellorganismus?

Eva Schultheis: Unser so genanntes „Haustier“ Trigonotylus caelestialium, eine Weichwanze, ist deswegen interessant, weil sie die Bt-Proteine aus den Pflanzen aufnimmt, sie ist also exponiert. Darüber hinaus ist sie sehr abundant im Feld, d.h. sie kommt in hohen Dichten vor. Man kann sie gut fangen, man kann sie einfach bestimmen, man kann sie im Labor halten und züchten. Und vor allem ist interessant, dass diese Wanze fast weltweit vorkommt. Sie wird sowohl in Kanada als auch in den USA als auch in Russland, in verschiedenen asiatischen Ländern und in Mitteleuropa beschrieben und kann so weltweit genutzt werden.

bioSicherheit: Sie haben mit dieser Weichwanzenart eine eigene Zucht aufgebaut und verschiedene Tests im Labor mit den Tieren durchgeführt. Was wurde im Labor untersucht?

Eva Schultheis: Wir haben zunächst einmal Weichwanzen im Feld gefangen und ins Labor gebracht. Der erste Schritt war dann, eine Zuchtmethode zu etablieren auf Mais. Da waren wir erfolgreich und konnten bis zu vier Generationen pro Jahr züchten. Im zweiten Schritt haben wir einen Full-life-cycle-Test durchgeführt, d.h. wir haben die Entwicklung von Wanzen von der Eiablage über den Schlupf und die Nymphenentwicklung bis zum adulten Tier und wieder erneuten Eiablage dokumentiert und das auf allen vier untersuchten Maissorten.
Außerdem haben wir verschiedene Fraßversuche durchgeführt. Wir haben z. B. geschaut, ob es Unterschiede im Fraßverhalten in Abhängigkeit von der Sorte gibt. Dazu haben wir die Fläche, die von einer Wanze pro Tag gefressen wurde, bestimmt. Dann haben wir die Wanzen eine Weile auf Bt-Mais gehalten und haben sie anschließend auf konventionellen Mais überführt, um zu schauen, ob die Bt-Proteine in der Wanze drin bleiben und sich anreichern oder ob sie wieder ausgeschieden werden? Das wäre ja wichtig in der Nahrungskette, wenn es zu großen Gehalten an Bt-Proteinen in den Tieren kommen würde.

bioSicherheit: Und, gab es da irgendwelche Auffälligkeiten?

Eva Schultheis: In den Fraßversuchen, bei denen es um die Fraßmenge ging, konnten wir keinen Unterschied feststellen. In den Fraßversuchen, wo wir die Wanzen zunächst auf Bt-Mais gehalten haben und dann auf konventionellem Mais, konnten wir sehen, dass die Bt-Proteine nach sechs Stunden komplett aus den Wanzen verschwunden waren, so dass wir davon ausgehen, dass es da nicht zu einer Akkumulierung in den Wanzen kommt, die dann im Nahrungsnetz zu Auswirkungen führen könnte.
Im Full-life-cycle-Test haben wir ja verschiedene Faktoren untersucht und man kann sagen, es gibt Unterschiede zwischen den verschiedenen Sorten. Das sieht man z.B. in der Dauer der Nymphenentwicklung. Aber es gibt keinen eindeutigen Effekt der Bt-Sorte. Es ist vielmehr so, dass die Bt-Sorte sich immer sehr ähnlich zu der nah-isogenen Sorte verhält, während man schon Unterschiede finden kann zur Sorte Benicia oder zur zweiten Vergleichssorte.

bioSicherheit: Sie haben auch untersucht, ob die Bt-Proteine, wenn sie von den Tieren aufgenommen wurden, noch aktiv sind. Warum und wie haben Sie das gemacht?

Eva Schultheis: Wir wollten wissen, ob die von Insekten aufgenommenen Bt-Proteine eine Rolle im Nahrungsnetz spielen. Dafür müssen die Proteine natürlich aktiv sein. Deshalb haben wir einen Bioassay, der hier am Labor etabliert war, auf den Zielorganismus, den Maiszünsler, angepasst. Wir haben dann Extrakte aus unseren Weichwanzen aufkonzentriert und diese dann an Maiszünslerlarven verfüttert. Wir konnten zeigen, dass 17 Prozent der Maiszünslerlarven, die wir in dem Test eingesetzt haben, daran gestorben sind. Wir können also sagen, es gibt eine Bioaktivität der Proteine. Nun sind ja in diesen Extrakten alle drei Bt-Proteine enthalten, nur zwei sind gegen den Maiszünsler aktiv, so dass man also diesen Wert einordnen müsste in Tests mit einzelnen Proteinen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Weichwanze, die wir ausgewählt haben als Stellvertreter-Art, sich wirklich als Modellorganismus eignet. Sie stellt ein Bindeglied da zwischen dem Freiland und dem Labor und man könnte sich noch verschiedene andere Versuche mit ihr vorstellen.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch