Optimierung der biologischen Sicherheit transgener Pflanzen

„Markergen-freie Pflanzen werden bald Standard sein.“

Weltweit wird an neuen und verbesserten Gentransfer-Methoden gearbeitet. Angestrebt wird, nur noch das jeweilige Zielgen zu übertragen. Alle nach Abschluss der Transformation nicht mehr benötigten Sequenzen - vor allem Markergene - sollen aus dem Genom der Pflanzen wieder entfernt werden. Auch verschiedene Projekte der Sicherheitsforschung beschäftigen sich damit. Im Gespräch mit bioSicherheit zieht Prof. Reinhard Hehl eine Zwischenbilanz.

Prof. Dr. Reinhard Hehl , Institut für Genetik, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig; Koordinator des SiFo-Verbundprojekts „Optimierung der biologischen Sicherheit transgener Pflanzen“.

bioSicherheit: Die Methoden zur Transformation von Pflanzen werden laufend weiterentwickelt. Höhere Effizienz, stabile Integration und Expression der Transgene und nicht zuletzt die Eliminierung von Markergenen sind dabei wichtige Fragestellungen. Können Sie eine Zwischenbilanz ziehen? Wo wurden Fortschritte erzielt, wo sehen Sie noch Schwächen?

Reinhard Hehl: Für die Transformation von Pflanzen steht uns die T-DNA Transformation als ein sehr präzises Verfahren zur Verfügung. Die gewünschten Transgene können wir heute wesentlich präziser als noch vor 10 Jahren übertragen. Fortschritte wurden auch bei der Entwicklung spezieller Methoden zur Markergen-Eliminierung gemacht. Außerdem konnte das Spektrum an transformierbaren Pflanzenarten wesentlich erweitert werden. Schwächen sehe ich dort, wo Methoden, die in Modellpflanzen gut etabliert wurden, in Nutzpflanzen nicht oder nur suboptimal funktionieren.

bioSicherheit: Die Markergen-Eliminierung nimmt einen besonderen Forschungsschwerpunkt in Ihrem Verbund ein. Gibt es erfolgversprechende Ansätze?

Reinhard Hehl: Ja - in Zukunft wird es möglich sein auf Markergene in den zu kommerzialisierenden Pflanzen zu verzichten. Ein sehr erfolgversprechender Ansatz ist die Co-Transformation. Das Prinzip beruht darauf, dass mit zwei getrennten T-DNAs transformiert wird, bei der die eine T-DNA das Transgen trägt und die andere das Markergen. Transgen und Markergen werden also getrennt voneinander in das pflanzliche Genom übertragen und integrieren folglich auch an unterschiedlichen Stellen im Genom. Auf diese Weise sind die Chancen sehr hoch, dass das Transgen und das Markergen später über Rekombinationsvorgänge während der Reifeteilung der Zellen getrennt und anschließend Pflanzenlinien selektiert werden können, die nur noch das Transgen tragen. Diese Methode ist bereits etabliert und sicher die am häufigsten angewendete Methode zur Markergen-Eliminierung bei gut transformierbaren Pflanzen.

bioSicherheit: Gibt es noch weitere Methoden Markergen-freie Pflanzen zu erzeugen?

Reinhard Hehl: Da sind vor allem zwei Methoden zu erwähnen. Die eine Methode – auf Basis des Cre/lox-Systems - beruht darauf, das Markergen aus dem Genom wieder „herauszuschneiden“. Dies geschieht über Rekombinase-Gene, die das Markergen flankieren und gezielt aktiviert werden. Die andere Methode – daran arbeitet meine Arbeitsgruppe – benutzt das Transposon-System. Wir nutzen hier ein bekanntes Phänomen bei Pflanzen. Es gibt genetische Elemente in der Pflanze, die bestimmte Gene zum „Springen“ in einen anderen Genomabschnitt der Pflanze verhelfen. Wir führen Transgen und Markergen über einen T-DNA-Vektor gemeinsam ein, erzeugen dann ein Transpositionsereignis, so dass das Transgen an einer anderen Stelle des Genoms wieder integriert und auf diese Weise vom Markergen getrennt wird. Auch hier können dann in der Folgegeneration die Markergen-freien von den Markergen-tragenden Pflanzen getrennt werden. Das konnten wir am Beispiel der Zuckerrübe zeigen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das eingesetzte Transposon-System in der zu transformierenden Pflanzenart effizient funktioniert.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es heute, auch Dank des Forschungsverbundes, Methoden gibt, Markergene aus transgenen Pflanzen zu entfernen.

bioSicherheit: Bei allen von Ihnen erwähnten Methoden der Markergen-Eliminierung muss sich als letzter Schritt die Segregation anschließen. D.h. erst in der Folgegeneration können Markergen-freie Linien selektiert werden. Das macht die Verfahren zeitaufwändig.

Reinhard Hehl: Ja - wir müssen heute noch einen sehr großen Aufwand betreiben, die transgenen Markergen-freien Pflanzen in der Folgegeneration zu identifizieren. Es gibt aber clevere Forschungsansätze, um wesentlich schneller zu Markergen-freien Pflanzen zu kommen. Beispielsweise – in dem man auf den Kreuzungsschritt und damit die Segregation ganz verzichtet. Stattdessen werden Markergen-freie Nachkommen aus den haploiden Pollen zuvor erfolgreich co-transformierter Pflanzen gewonnen.

Wenn bei der Co- Transformation Zielgen und Markergen auf unterschiedlichen Chromosomen integrieren, werden nach der Pollenzellteilung auch Pollen gebildet, die nur noch das Zielgen tragen. Nach der künstlichen Verdopplung des haploiden Chromosomensatzes können anschließend aus diesen Pollenzellen Pflanzen regeneriert werden, die nur noch das Zielgen tragen. Dieser Ansatz wird in einem Forschungsprojekt am IPK in Gatersleben weiterverfolgt.

bioSicherheit: Die Methoden, insbesondere die Co-Transformation scheint nahe einer praktischen Anwendung zu sein. Sind Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen?

Reinhard Hehl: Für die praktische Anwendung der Co-Transformationsmethode fehlt nichts mehr. Allerdings werden bei jeder transgenen Pflanze neue Transgen-Integrationsorte erzeugt, die dann im Einzellfall einer Sicherheitsbewertung unterliegen. Es muss ja sichergestellt sein, dass an der Integrationsstelle des Transgens keine Mutationen entstehen und die Transgenexpression auch in der gewünschten Weise stattfindet.

bioSicherheit: Vor dem Hintergrund der Entwicklung transgener Pflanzen mit neuen und veränderten Inhaltsstoffen beispielsweise industriell nutzbarer und pharmazeutischer Substanzen wird an Methoden zur Begrenzung der Ausbreitungsfähigkeit – im Kern Sterilitätskonzepte – gearbeitet. Wie praxisreif sind diese Verfahren?

Reinhard Hehl: Solche Confinement- Methoden sind immer dann sinnvoll, wenn sie Pflanzen betreffen, die leicht auskreuzen können. Das sind zum Beispiel Raps und bestimmte Getreidearten. Die Erzeugung männlich steriler Pflanzen ist ein biotechnologischer Ansatz der verfolgt wird. Im unserem Forschungsverbund wird an einer stoffwechselphysiologischen Sterilität gearbeitet, bei der die Pollenzellen keine Kohlenhydrate metabolisieren können, dadurch wird die Pollenreifung gehemmt und die Pflanzen werden männlich steril. Die Ergebnisse sind vielversprechend, das Verfahren ist aber noch nicht praxisreif. Ein in Zukunft wichtiges Thema wird die Chloroplasten-Transformation sein, die zur Folge hat, dass Gene, die im Chloroplasten exprimiert werden, nicht durch Pollen auf andere Pflanzen übertragen werden.

bioSicherheit: Wenn Sie ein Resümee über die noch offenen Fragen einer Optimierung von Gentransfermethoden ziehen, wo sollte in den nächsten Jahren die Forschung intensiviert werden?

Reinhard Hehl: Im Vordergrund - und das zeigt auch die neue Ausschreibung des BMBF zur Sicherheitsforschung bei transgenen Pflanzen - wird die Weiterentwicklung der sequenzspezifischen Integration stehen. Gene sollen nur dort integrieren, wo wir sie haben wollen. Das heißt in spezifischen vorher gut charakterisierten Stellen im Genom. Dazu gehört, dass unerwünschte Mutationen ausgeschlossen werden und dass das Transgen an seiner Integrationsstelle optimal exprimiert wird.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch.

Erzeugung markergen-freier Pflanzen - Stand der Technik

Co-Transformation. Transgen und Markergen werden in zwei voneinander getrennten DNA-Einheiten in die Pflanzenzelle übertragen. Auf diese Weise werden sie an verschiedenen Stellen im Erbgut integriert. Weit voneinander getrennte Gene werden entsprechend der gängigen Vererbungsregeln unabhängig voneinander auf die Nachkommen vererbt. Es entstehen auf diese Weise auch Nachkommen mit dem Transgen und ohne Markergen.

„Springende Gene“. Transposons oder „springende Gene“ werden genutzt, um das Transgen nach Einbau in das Pflanzengenom vom Markergen zu trennen. Das Transgen „springt“ an eine neue Position im Erbgut. Auch auf diese Weise findet man anschließend Nachkommen, die nur das Transgen enthalten.

Cre/lox-System. Ein anderes System nutzt ein Enzym (eine Rekombinase), das bestimmte DNA-Sequenzen erkennt und diese aus dem Erbgut entfernt. Auf diese Weise kann auch das Markergen aus der Pflanzen-DNA entfernt werden.