Gentechnisch veränderter Bt-Mais und Nicht-Zielorganismen

„Fluchttest“ mit Regenwürmern

Ende Oktober 2010. Das Maisversuchsfeld ist weitgehend abgeerntet. Nur wenige Reihen Mais stehen noch auf dem Feld. Stängel und Blätter haben ihre Feuchtigkeit und mit ihr die grüne Farbe weitgehend verloren, die gut sichtbaren reifen Kolben sollen in den nächsten Tagen als Körnermais geerntet werden. Sich langsam auf den Stoppelflächen vorarbeitend, graben Wissenschaftlerinnen der RWTH Aachen heute ein letztes Mal Löcher in den Boden, um Regenwürmer zu zählen. Sie untersuchen, ob gentechnisch veränderter Bt-Mais einen Einfluss auf die nützlichen Bodenbewohner hat.

Eva Schultheis von der RWTH Aachen und ihre Kollegin graben nach Regenwürmern.

Maisversuchsfeld Oktober 2010

Das Maisversuchsfeld ist weitgehend abgeerntet. Nur einige Reihen Mais, die als Körnermais geerntet werden sollen, stehen Ende Oktober noch auf dem Feld.

Auf dem Maisversuchsfeld werden in jeder Maisparzelle auf einer Fläche von 45 x 45 cm bis 10 cm Tiefe Regenwürmer ausgegraben und gezählt.

RWTH Aachen Regenwurmprojekt

Eva Schultheis setzt den Regenwurm-Fluchttest an. Erde vom Versuchsfeld wird mit den verschiedenen Bt-Proteinen - einzeln und in Kombination - versetzt. In einen Topf kommt je eine Hälfte mit Bt-Proteinen behandelte und unbehandelte Erde.

Regenwurmfluchttest: Die eine Topfhälfte enthält unbehandelte Erde, die andere Hälfte wurde mit Bt-Protein versetzt. Nach 72 Stunden wird nachgesehen, ob die Regenwürmer die Bt-haltige Erde meiden.

Je zehn Regenwürmer werden in die Mitte der Töpfe gesetzt.

Regenwürmer ausgraben

Nach 72 Stunden wird überprüft und festgehalten…

Regenwürmer ausgraben

…wie viele Regenwürmer in den beiden Topfhälften jeweils zu finden sind.

Die Guten ins Töpfchen

Intakte Regenwürmer und Regenwurmfragmente werden in verschiedenen Behältern gesammelt.

Regenwürmer graben sich durch den Boden, nehmen dabei Erde und abgestorbene Pflanzenreste auf, verdauen sie und scheiden sie wieder aus. Der Boden wird dabei gut durchmischt, aufgelockert und belüftet, so dass die Pflanzen besser wachsen und ihre Überreste besser abgebaut werden. Für das Ökosystem Boden sind Regenwürmer also sehr bedeutsam. Wenn gentechnisch veränderter Bt-Mais angebaut wird, nehmen Regenwürmer auch dessen pflanzliche Überreste im Boden auf und kommen so mit den Bt-Proteinen in Berührung. Eine Arbeitsgruppe der RWTH Aachen nimmt deshalb die möglichen Auswirkungen von Bt-Mais auf Regenwürmer genauer unter die Lupe.

Erste Regenwurmproben wurden zu Beginn des Projektes 2008 vor der ersten Aussaat an verschiedenen Stellen auf dem Versuchsfeld genommen, um für die Regenwurmdichte auf dem Feld eine Orientierungswert zu haben. „Dabei mussten wir feststellen, dass die Regenwurmdichte auf der Versuchsfläche insgesamt sehr gering ist“, Eva Schultheis durchwühlt mit ihren Händen die aufgeschüttete Erde, die sie zuvor ausgegraben hat. Nur etwa sechs intakte Regenwürmer finden sie und ihre Kollegin in dem gesamten Erdhaufen von etwa einem Viertel Quadratmeter Feld. Die Menge der untersuchten Erde wird definiert durch einen Metallrahmen mit Seitenlängen von 45 Zentimetern, der in den Boden gedrückt wird. Zwanzig Zentimeter tief wird die Erde ausgehoben. „Im Herbst 2009 hatten wir so wenige Regenwurmfunde, dass wir die Probennahmen nach zwanzig Parzellen eingestellt haben“, Eva Schultheis zieht ein Stück Regenwurm aus der Erde. Gesammelt werden auch Regenwurmfragmente, wenn z.B. durch den Spaten Würmer zerteilt wurden. Die werden gesondert gezählt. Die Regenwürmer werden noch vor Ort in Alkohol eingelegt und später im Labor nach Art bestimmt. Außerdem sollen im Labor die in den Tieren nachweisbaren Bt-Proteine gemessen werden. Nach Auswertung der Regenwurmfunde aus den ersten beiden Projektjahren lassen sich bislang keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Maissorten feststellen, weder in der Regenwurmdichte noch in der Zusammensetzung der Artengemeinschaft.

Meiden Regenwürmer Bt-haltige Erde?

Im Labor bereitet Eva Schultheis einen so genannten „Regenwurm-Fluchttest“ vor. Das ist eine standardisierte Methode, um toxische Auswirkungen z.B. von Chemikalien auf Bodenorganismen zu untersuchen.
Die Erde für diesen Versuch hat sie vom Maisversuchsfeld nach Aachen transportiert. Nun werden mittelgroße Blumentöpfe damit befüllt. Jeder Topf wird mit einer Trennwand aus Pappe in zwei Hälften unterteilt. In die eine Topfhälfte kommt unbehandelte Erde, in die andere Hälfte Erde, die mit den verschiedenen Bt-Proteinen versetzt ist. Dazu wird ein Teil der Erde zunächst fein gesiebt und sorgfältig mit der Proteinlösung vermischt.
Der im Projekt getestete Bt-Mais bildet drei verschiedene Bt-Proteine. Sie werden einzeln und in allen möglichen Kombinationen im Test eingesetzt. „Die Konzentration der Proteine, die wir zusetzen, ist zehnmal so hoch wie auf dem Feld“, Eva Schultheis kippt eine Erde-Protein-Mischung in einen Messbecher mit Erde, vermengt alles gut und befüllt eine Topfhälfte damit. „Fünf Ansätze machen wir pro Bt-Protein“, erläutert sie.

Sind beide Topfhälften befüllt, wird die Trennwand rausgezogen und entlang der Trennlinie zehn Regenwürmer auf die Erde gesetzt. In den nächsten 72 Stunden können sie sich in aller Ruhe durch die Erde graben. Danach wird geschaut, in welcher Topfhälfte sich wie viele der Tiere aufhalten. Meiden Sie die mit Bt-Proteinen versetzte Erde und „fliehen“ in die andere Hälfte? „Bislang konnten wir keine Unterschiede feststellen,“ sagt Eva Schultheis während sie mit dem Löffel vorsichtig in Topferde gräbt. Auch hier werden verletzte oder zerteilte Tiere gesondert gezählt und auch die Anzahl toter Tiere erfasst. Für abschließende Aussagen ist es allerdings noch zu früh, für die geplanten Wiederholungen haben die Aachener Wissenschaftlerinnen noch einige „Erdarbeiten“ vor sich.