SiFo-Projekt: Transgene Apfelsorten – Ansätze zur Verhinderung einer Auskreuzung

„Wir aktivieren einen natürlichen Abwehrmechanismus und schalten gezielt bestimmte Gene ab.“

Anfang September ist es wieder so weit: In Deutschland beginnt offiziell die Apfelernte. Auch in Sachsen, mit etwa 3000 Hektar das bundesweit drittgrößte Obstanbaugebiet, biegen sich die Äste unter der Last reifer Früchte. Am Institut für Obstzüchtung der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen in Dresden-Pillnitz erzeugen Wissenschaftler unter anderem Apfelsorten, die gegen Krankheiten resistent sind und weniger gespritzt werden müssen. Gentechnische Ansätze könnten den Züchtungsprozess beschleunigen, doch Kritiker sind skeptisch. Sie befürchten eine Auskreuzung von gentechnisch verändertem Erbgut. Abhilfe könnte eine Methode schaffen, die derzeit im Rahmen der biologischen Sicherheitsforschung getestet wird.

Dr. Henryk Flachowsky vom Institut für Obstzüchtung an der Bundesanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen (BAZ) in Dresden-Pillnitz leitet das SiFo-Projekt

Katrin Winkler vermehrt kleine Apfelpflanzen, die für die gentechnische Transformation gebraucht werden.

In einem speziellen Sicherheitszelt wachsen gentechnisch veränderte Apfelpflanzen unter freilandähnlichen Bedingungen.

Auf der Freifläche der BAZ wachsen gentechnisch veränderte Apfelpflanzen in einem speziellen Sicherheitszelt, das freilandähnliche Bedingungen ermöglicht.

transgene Apfelpflanzen im Sicherheitszelt

Transgene Apfelpflanzen im Sicherheitszelt

Henryk Flachowsky begutachtet den Erfolg seiner Arbeit: Eine rotlaubige Wildart wurde auf eine gentechnisch veränderte Unterlage gepfropft, die die Bildung des roten Farbstoffs blockiert. Die Blätter waren tatsächlich zunächst grün, aber nun färben sie sich allmählich doch wieder rot.

Pfropfstelle an einer Apfelpflanze. Zweige der gewünschten Sorte werden auf eine Unterlage gepfropft. Nur so bleibt die Sorte erhalten.

Im Apfelanbau wie in der Apfelzüchtung werden Zweige der gewünschten Sorte auf eine Unterlage gepfropft. Nur so bleibt die Sorte erhalten.

Kleine Apfelblätter in Bakterienlösung: Die gentechnische Transformation der Apfelpflanzen wird mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens vorgenommen.

Kleine Apfelblätter in Bakterienlösung: Die gentechnische Transformation der Apfelpflanzen wird mit Hilfe eines Bakteriums (Agrobacterium tumefaciens) vorgenommen. Die zu übertragenden Gene werden in das Bakterium eingebaut und das Pflanzenmaterial damit infiziert.

mit Agrobacterium infizierte Blätter nach drei Tagen.

Mit Agrobacterium infizierte Blätter nach drei Tagen. Sie werden dann mit antibiotikahaltiger Lösung gespült, um A. tumefaciens zu entfernen…

mit Agrobacterium infizierte Blattstückchen nach vier Wochen.

…in Streifen geschnitten und auf das so genannte Selektionsmedium aufgebracht. Dieser Nährboden enthält ein Antibiotikum auf dem nur diejenigen Zellen überleben können, bei denen die Transformation geglückt ist. So sehen die Blattstückchen auf dem Selektionsmedium nach vier Wochen aus.

mit Agrobacterium infizierte Blattstückchen nach acht Wochen.

Kallus bzw. schon kleine Pflänzchen nach acht Wochen

transgenes Sprossbüschel

transgenes Sprossbüschel

Der Weg zum resistenten Apfel führt in Dresden Pillnitz durchs Einweckglas. Zwölf davon stehen vor Katrin Winkler auf der Laborbank, während die Technische Assistentin tut, was sie mindestens alle drei Wochen tut: „Pflanzen umsetzen“. Vorsichtig entnimmt sie mit der Pinzette einen wenige Zentimeter großen Apfelspross aus dem Glas, zerteilt das Pflänzchen und setzt jeden der wurzellosen Triebe erneut auf frisches, klares Nährmedium. Die so vermehrten jungen Sprosse dienen als Ausgangsmaterial für ein spannendes Experiment: Die Wissenschaftler wollen die Eigenschaften von konventionellen Apfelpflanzen beeinflussen, indem sie diese auf einen gentechnisch veränderten Wurzelstock pfropfen. Der Vorteil: Äpfel und Pollen bleiben „Gentechnik-frei“ und eine Auskreuzung ist ausgeschlossen.

Ob dieser Ansatz nicht nur in der Theorie, sondern auch in der praktischen Apfelzüchtung funktioniert, lässt sich auf der Freifläche des traditionsreichen Forschungsinstituts begutachten: In einem abgeschlossenen, insektensicheren Freilandkäfig bewähren sich hier die gentechnisch veränderten Apfelpflänzchen aus dem Labor unter freilandähnlichen Bedingungen. Einen Teil davon haben die Wissenschaftler durch Pfropfung mit einer genetisch unveränderten rotlaubigen Apfelwildart kombiniert. Das war vor etwa einem Monat. Inzwischen sind die Pflanzen hüfthoch und Henryk Flachowsky lässt die Blätter durch die Finger gleiten. „Der visuelle Eindruck ist nicht so stark, wie wir uns das erhofft hatten“, erklärt er. „Aber erste molekularbiologische Analysen bestätigen unsere Vermutung.“ Tatsächlich ist ein Teil der Krone grün gefärbt, obwohl die aufgepfropfte Sorte eigentlich rote Blätter hat. Der Grund: Die Wissenschaftler haben die Aktivität eines Gens blockiert, das an der Produktion des roten Anthocyan-Farbstoffs beteiligt ist - allerdings nur im Wurzelstock. Wie also ist das Signal in den konventionellen oberen Teil der Pflanze gelangt?

RNA-Interferenz: Aktivierung pflanzlicher Abwehr

Henryk Flachowsky zückt ein Blatt Papier und einen Stift, um einen komplizierten aber nützlichen Mechanismus zu veranschaulichen, der zwei US-amerikanischen Forschern 2006 den Nobelpreis bescherte: RNA-Interferenz. „So sieht das Genkonstrukt aus, das wir in die Zellen des Wurzelstocks eingebaut haben“, erläutert er und skizziert den betreffenden DNA-Abschnitt. Wie alle DNA-Sequenzen wird dieser im Zellkern abgelesen, in die einzelsträngige Boten-RNA (mRNA) übersetzt und als „Eiweiß-Bauplan“ zu den Proteinfabriken der Zelle transportiert. „Unser Genkonstrukt ist allerdings so aufgebaut, dass komplementäre mRNA-Sequenzen entstehen, die sich wie ein Reißverschluss zu einem Doppelstrang zusammenlagern“, erklärt der Wissenschaftler weiter und malt eine haarnadelartige Struktur aufs Papier, den so genannten Hairpin Loop. „Doppelstrang-RNA gibt es normalerweise in Pflanzenzellen nicht – taucht eine solche im Zellplasma auf, ist das für die Zelle ein Alarmzeichen, das auf die Anwesenheit feindlicher Viren hindeutet. Wir aktivieren so einen natürlichen Abwehrmechanismus und schalten gezielt bestimmte Gene ab – in diesem Fall ein Gen, das in den Apfelpflanzen an der Produktion des roten Blattfarbstoffs beteiligt ist.“

Der Clou: die RNA-Schnipsel wirken nicht nur im gentechnisch veränderten Wurzelstock, sondern werden durch die Nährstoffleitbahnen (Phloem) über die Veredelungsstelle hinaus auch in den genetisch unveränderten Teil der Pflanze transportiert. An krautigen Pflanzen wie Tabak wurde das bereits nachgewiesen. Die Wissenschaftler vom Institut für Obstzüchtung wollen nun herausfinden, ob dieses „systemisch erworbene Silencing“ auch beim Apfel funktioniert. Die Blockierung der Farbstoff-Synthese dient dabei als optisches Testsystem, welches den erfolgreichen RNA-Transport sichtbar macht. „Der Effekt war erst sehr deutlich, aber mit der Zeit hat er sich verwaschen. Wir hatten gehofft, dass die Blätter vollständig grün bleiben – aber so ist das eben in der Wissenschaft“, erklärt Flachowsky, der die reduzierte Genaktivität im nächsten Schritt auch molekularbiologisch und biochemisch nachweisen und das System an verschiedenen Sorten und Unterlagen testen will.

Apfelzüchtung: Langwieriger Prozess mit ungewissem Ausgang

Neben der Erhöhung der Resistenz ist die Blühverfrühung eine wichtige Anwendungsmöglichkeit der Methode. „Wenn wir es schaffen, die aufgepfropften genetisch unveränderten Apfelpflanzen so zu beeinflussen, dass sie bereits nach einem Jahr blühen, wäre das für die klassische Züchtung eine riesige zeitliche und finanzielle Ersparnis“, gibt Flachowsky zu bedenken. In der konventionellen Apfelzüchtung sehen die Forscher erst nach vier bis fünf Jahren, wenn die Apfelbäume erstmals Früchte tragen, wie erfolgreich eine Kreuzung war. Die Züchtung einer neuen Sorte kann bis zu siebzig Jahre dauern, wenn man in den Kreuzungen Wildäpfel mit kleinen Früchten, aber einer ausgeprägten Resistenz als Elter verwendet. „Ein guter Obstzüchter lebt von seinem Vorgänger und arbeitet für seinen Nachfolger“, kommentiert Flachowsky. Auch die schwer zu bekämpfenden Apfelkrankheiten Feuerbrand, Apfelschorf und Apfelmehltau sind aus seiner Sicht ein Argument für die Gentechnik: „Die meisten Verbraucher wissen gar nicht, wie viele Spritzungen mit Pestiziden ein Apfel normalerweise hinter sich hat, bevor er im Laden landet.“ Sogar im ökologischen Obstbau werden Apfelkrankheiten oft mit großen Mengen kupfer- und schwefelhaltiger Pflanzenschutzmittel unter Kontrolle gehalten. Resistente Apfelsorten können den Pflanzenschutzmitteleinsatz reduzieren, doch klassische Zuchtmethoden stoßen an Grenzen. Neue Sorten, die bei der geschlechtlichen Kreuzung entstehen, sind am Markt nur schwer zu etablieren. „Die Verbraucher wollen, dass ein Apfel aussieht wie der andere und nach einer Woche noch frisch ist wie am ersten Tag, ohne Druckstellen oder Dellen – das bringt nicht jede Sorte mit.“

Gentechnik als sinnvolle Ergänzung

Dass gentechnische Methoden trotzdem auf Skepsis stoßen, ist aus Flachowskys Sicht ein Aufklärungsproblem: „Viele Verbraucher wären einfach gern besser informiert, das merke ich immer wieder. Ich werde oft gebeten zu erklären, worum genau es eigentlich geht.“ Von vielen Anbauern komme dagegen ein klares „Ja“. Die haben Probleme und bräuchten Lösungen. „Wenn wir es tatsächlich schaffen, mit einem entsprechend eleganten Ansatz arteigene Gene von Sorte A auf Sorte B zu übertragen, ohne dass das Produkt, also der Apfel, gentechnisch verändert ist, dann denke ich, wäre die Akzeptanz in der Öffentlichkeit sehr hoch“, ist Flachowsky überzeugt.