Freilandversuche mit gentechnisch verändertem Weizen

Ein raffiniertes Konzept gegen Weizenflugbrand

Brandpilze befallen Weizen und andere Getreidearten. Sie verbreiten sich über die Samen und sind vor allem in Entwicklungsländern ein Problem, wo Kleinbauern einen Teil der Ernte für die Aussaat im nächsten Jahr verwenden. Wissenschaftler aus Zürich haben Weizenpflanzen entwickelt, die sich selbst gegen solche Krankheiten schützen können. Sie nutzen dazu ein natürliches Abwehrsystem aus Mais.

2009 wurde auf Versuchsflächen in Thulendorf (Mecklenburg-Vorpommern) und Üplingen (Sachsen-Anhalt) untersucht, ob das neue Konzept gegen Weizenflugbrand sich auch unter Feldbedingungen als wirksam erweist.

Entwickelt wurde der Weizen von einer Arbeitsgruppe um Christof Sautter an der ETH Zürich. Ihr Ziel war es, ein in Maispflanzen vorkommendes biologisches Prinzip zu nutzen, um damit die Widerstandsfähigkeit von Weizen gegen Brandpilze, etwa Weizenflugbrand (Ustilago tritici) oder Stinkbrand (Tilletia caries) zu erhöhen. Diese Pflanzenparasiten befallen Getreide und verbreiten sich über die Samen. Vor allem bei der Saatguterzeugung können sie Probleme bereiten.

Dr. Christof Sautter , Institut für Pflanzen- wissenschaften der ETH Zürich.

Weizenflugbrand: Feld mit infizierten Pflanzen. Weltweit verursacht diese Krankheit Ernteausfälle von 5 bis 10 Prozent.

Maisbeulenbrand: Mit Hilfe eines Virus „verteidigt“ der Pilz die von ihm befallene Maispflanze gegen Konkurrenten. (Fotos: Bayer Crop Science)

Versuchsfeld in Üplingen: Während der Blüte ein Netz gegen Vögel.

Weizenflugbrand: Ein geschickter Parasit

Die Weizenbrand durchläuft in jedem Jahr einen Lebenszyklus. Äußerlich sind befallene Pflanzen zunächst nicht zu erkennen. Erst wenn sich die Ähren ausbilden, zeigt sich eine braunschwarze Sporenmasse. Wind und Regen können die Sporen verbreiten. Ist eine Pflanze damit infiziert, dringt der Pilz in das sich entwickelnde Korn ein. Wird es in der nachfolgenden Vegetationsperiode ausgesät, wächst der Pilz mit der aufkeimenden Pflanze, bis er in den Ähren erneut ein Brandsporenlager bildet.

Zur Vorbeugung gegen Pilzkrankheiten wird Weizen-Saatgut routinemäßig gebeizt. Eine solche Behandlung mit chemischen Breitbandfungiziden ist im Ökologischen Landbau nicht erlaubt. Doch auch hier gibt es Bekämpfungsmöglichkeiten, die oft sehr aufwändig und nur gegen bestimmte Pilzkrankheiten wirksam sind.

In Europa spielen Brandpilze keine große Rolle, jedoch in einigen Entwicklungsländern. Die Kleinbauern dort können nicht jedes Jahr teures Saatgut kaufen, sondern verwenden einen Teil ihrer Ernte für die Aussaat im kommenden Jahr. Befinden sich brandinfizierte Körner darunter, tragen die Landwirte ungewollt zu einer raschen Verbreitung der Pilzkrankheiten und einer Anhäufung in den eigenen Beständen bei. Weltweit, so schätzt das internationale Getreideforschungszentrum CIMMYT, verursachen Brandpilze Ernteausfälle zwischen fünf und zehn Prozent.

Grundsätzlich ist eine Züchtung pilzresistenter Sorten möglich. Doch sie ist sehr zeitaufwändig und setzt kreuzbare Arten voraus, die geeignete Resistenzgene besitzen. Das ist jedoch nicht für alle Brandpilze der Fall.

Einen anderen Weg ging die Züricher Gruppe. Ihr Ansatz bestand darin, einen aus Mais bekannten natürlichen Schutzmechanismus mit gentechnischen Verfahren auf Weizen zu übertragen. Dessen Wirkung beruht auf einem speziellen Virusprotein. Es wird von einem Virus gebildet, das in Maisbeulen-Brandpilzen lebt. Mit dem Protein „hilft“ das Virus seinem Wirt, sich innerhalb einer Maispflanze gegen die Konkurrenz anderer Brandpilze zu schützen - und verhindert damit weitere Pilzinfektionen der Maispflanze. Die Idee war, die Gene für das Virus-Abwehrprotein (KP4) auf Weizen zu übertragen, damit es auch dort gegen eingedrungene Brandpilze wirkt und so dessen Widerstandsfähigkeit verbessert. Der Vorteil: Das KP4-Protein wirkt sehr spezifisch gegen bestimmte Brandpilze, nicht jedoch gegen andere nützliche Pilze, die auf oder im Wurzelbereich der Pflanze leben.

Freilandtest unter realistischen Bedingungen

Erste Tests im Gewächshaus zeigten, dass das Konzept funktioniert und Pilzinfektionen abmildern kann. Bereits 1999 stellte Sautter bei den Schweizer Behörden den Antrag, den entwickelten gv-Weizen auch unter Freilandbedingungen zu testen. Es folgten jahrelange erbitterte Diskussionen, Proteste, Klagen und am Ende die Genehmigung eines Kleinversuchs unter extremen Auflagen: So wurden die einzelnen Kleinparzellen durch wetterfeste Pollenschutzzelte abgedichtet und der Boden nach Ende des Versuchs abgetragen und bei 120 Grad Celsius sterilisiert. Ganze acht Quadratmeter waren mit dem gv-Weizen bepflanzt.

Die 2009 in Thulendorf und Üplingen durchgeführten Versuche waren ähnlich. Unter natürlichen Umweltbedingen wurde das Wachstums des Pilzes und das Widerstandsverhalten der Weizenpflanzen beobachtet werden. Bei dem Kleinversuch 2004 in der Schweiz war das nur eingeschränkt möglich.

Der Versuchsaufbau bestand aus verschiedenen Parzellen mit jeweils fünf Varianten: zwei gv-Weizenlinien, die das KP4-Protein bilden, den beiden isogenen Vergleichslinien (ohne das KP4-Gen) und einer konventionelle Weizensorte, die gegenüber Brandpilz-Infektionen weniger anfällig ist. Bei allen fünf Weizenlinien wurde jeweils unbehandeltes Saatgut ausgebracht und solches, das mit Weizenflugbrand infiziert wurde.

Untersucht wurde nicht nur das Verhalten der verschiedenen Weizenlinien bei Befall mit Brandpilzen, sondern auch, wie das in den gv-Weizenlinien enthaltene KP4-Protein auf andere - pathogene wie nützliche - Pilze wirkt. So leben etwa im Wurzelbereich der Weizenpflanzen verschiedene Pilze, welche die Nährstoffversorgung der Pflanzen verbessern. In erster Linie ging es bei den Versuchen um Erkenntnisse über die Funktionsweise des neuen Resistenzkonzepts. Es ist nicht daran gedacht, den bei den Versuchen verwendeten KP4-Weizen kommerziell zu nutzen.